Jonathans Brustkorb dehnte sich aus, als er einatmete. „Im ersten Moment, als ich dich da liegen sah, dachte ich, jetzt ist es ihnen gelungen."
„Was gelungen?", fragte ich müde.
„Dich umzubringen. Hast du dir was gebrochen?"
„Keine Ahnung. Kann sein."
Jonathan stieß zischend die Luft zwischen den Zähnen aus. „Wie konntest du nur alleine hierherkommen?! Als ich deine WhatsApp-Nachricht gelesen habe, befürchtete ich sofort das Schlimmste. Ich bin direkt von der Uni hierher gerast."
„Deshalb konnte ich ihn zuhause nicht antreffen", streute Thomas ein.
„Ich hoffe, ich bin nicht in einen Blitzer geraten. Vor dem Haus habe ich deinen Geist getroffen. Es wurde plötzlich ziemlich kalt in meinem Gesicht."
„Ich habe ihn zufällig auf dem Bürgersteig getroffen, als ich zu dir zurückkehren wollte", ergänzte Thomas.
„Und dann fand ich dich hier. Reglos daliegend wie eine Puppe." Jonathans Arme spannten sich um mich herum an.
So wie es klang, hatte ich ihm tatsächlich Sorgen bereitet. Tröstend tätschelte ich sein Schulterblatt. „Ich lag da nur, weil es ganz angenehm war."
„Ich rufe jetzt Michael an, damit er sich dich anschaut." Ohne mich loszulassen, zückte er sein Handy.
Thomas strich mir behutsam übers Haar. „Keine Angst. Das wird schon wieder. Das Schlimmste ist vorbei."
„Ich habe wirklich keine Erinnerungen mehr daran, wie er mich gegen diesen Baum geschleudert hat", murmelte ich.
Er strich mir immer weiter übers Haar, als wenn er sich dadurch vergewissern könnte, dass ich einigermaßen heil geblieben war. „Das spricht sehr für eine Gehirnerschütterung. Kleine Aussetzer im Erinnerungsvermögen sind dabei üblich."
Jonathan sprach hektisch in sein Handy. Ich blendete seine Stimme aus. „Seit wann bist du Experte für Gehirnerschütterungen?"
„Seitdem ich Jonathan über die Schulter geschaut habe, als er sich nach deinem Tackerzusammenstoß im Internet darüber informiert hat. Wer mit dir zu tun hat, sollte ein Profi auf dem Gebiet menschlicher Verletzungen sein." Unter seinen stetigen Strichen fror meine Kopfhaut langsam ein. „Innerhalb kürzester Zeit gleich zwei Gehirnerschütterungen... Du musst damit aufhören, wenn du keine dauerhaften Schäden davon tragen willst."
Unwillig zog ich meinen Kopf zurück. „Du lässt es klingen, als wenn ich mir diese Gehirnerschütterungen freiwillig zuzöge."
„Nein, ich weiß doch, dass die alleinigen Verantwortlichen deine Geister sind." Thomas seufzte betrübt. „Wir müssen uns einen anderen Ansatz mit ihnen überlegen. Wenn dir jeder deiner Geister körperlich derart zusetzt wie Bernd und Jochen, bist du innerhalb weniger Jahre ein körperliches Wrack."
„Danke für diesen netten Hinweis."
„Ein menschlicher Körper kann nur ein gewisses Maß an ständigen Verletzungen verkraften", ermahnte er mich streng.
Ich öffnete meinen Mund, aber Thomas kam mir zuvor. „Keine Widerrede! Du magst ein widerstandsfähiges Mädchen sein, dein Körper unterliegt trotzdem den physischen Regeln dieser Welt."
Jonathan steckte sein Handy weg. „Michael ist in seiner Praxis. Nachmittagssprechstunde. Ich soll dich schnellstmöglich zu ihm bringen. Kannst du aufstehen?"
„Ich weiß nicht", murmelte ich, plötzlich etwas verzagt. Die Furcht vor neuen Schmerzen in meinem Fußknöchel war beinahe schlimmer als der Schmerz an sich.
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Spuk am Baumhaus
Teen FictionFortsetzung von Spuk im Keller. Über den Umgang mit Geistern: 1.: (Sei auf der Hut.) Das hilft gar nichts. 2.: (Lege, wenn möglich, Schutzweste und Helm an.) Sich an einem sicheren Ort anzuketten, ist noch besser. 3.: (Sei auf der Hut.) Siehe oben. ...