Kapitel 9

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Am nächsten Dienstagnachmittag machte ich mich zur gewohnten Zeit auf den Weg zur Liga. Entschlossen, heute mehr aus Geist 3 herauszubekommen als beim letzten Mal, sprang ich die Stufen ins Kellergewölbe hinab. Die schwachen Lampen an den rauen Backsteinwänden brannten, was bedeutete, dass Mattheus nicht weit weg sein konnte.

Beruhigt schloss ich meine Tür auf und bereitete alles für die Rückkehr von Geist 3 vor. Erst als die Teelichter brannten und meine Lichterkette warmes Licht verbreitete, zog ich den Stopfen aus seinem Erlenmeyerkolben.

„Komm heraus", befahl ich, während ich es mir gleichzeitig lebhaft ausmalte. „Zeig dich, Geist 3. Heraus mit dir!"

Kurz darauf stieg der silbern glänzende Nebel aus dem Gefäß in die Luft auf. Nachdem er deutlich an Umfang zugenommen hatte, formte er vor meinem Schreibtisch den athletischen Körper meines neuesten Beschwörungswerks.

„Willkommen zurück, Geist 3."

Er verschränkte seine transparenten Arme, reagierte aber sonst nicht auf mich. Unsichtbare Hände zupften sanft an seinem wabernden Nebel.

„Warst du schon zu Lebzeiten so schweigsam?", erkundigte ich mich nachdenklich. „Oder bist du es erst in deinem Nachleben geworden?"

Ich erntete ein Schulterzucken. Immerhin. Auch wenn ich leider nicht sagen könnte, was er damit ausdrücken wollte.

„Thomas konnte mich heute leider nicht begleiten", erzählte ich das Erste, was mir in den Sinn kam. „Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass wir... momentan einen kleinen Disput ausfechten. Er ist ebenfalls recht verschwiegen, was seine Vergangenheit anbelangt. Das scheint mir eine typische Geisterkrankheit zu sein. Ihr wollt alle nicht in die Nachwelt überwechseln." Ich seufzte. „Wobei ich eure Weigerung nicht verstehe. Dort ist es bestimmt schön. Ihr wärt eure Sorgen los, müsstet euch nicht länger mit Zweifeln oder Schuldgefühlen plagen... Wie ist es bei dir? Willst du tatsächlich lieber hierbleiben, anstatt mit meiner Mithilfe in diese schöne Nachwelt überzutreten?"

„Ich muss."

„Du musst hierbleiben? Das ist interessant. Warum?" Auffordernd sah ich Geist 3 an, aber das schien ihn nicht zu kümmern. Sein Blick glitt an mir vorbei und er... schwieg. Meine Güte, war es anstrengend mit einer Person zu reden, von der absolut nichts zurückkam.

„Okay, versuchen wir es mit einem Frage-Antwort-Spiel. Ich stelle Fragen, die du mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten kannst. Legen wir gleich los." Geist 3 sah wenig begeistert aus. Ich beschloss, es zu ignorieren. „Ich beginne mit leichten Dingen, versprochen. Ähm... Bist du gerne zur Schule gegangen?"

Er schüttelte nachdrücklich seinen Kopf.

„Sieh an, eine Gemeinsamkeit zwischen uns. Warst du sportbegeistert?"

Zaghaftes Nicken.

„Hattest du eine schöne Kindheit?"

Nach kurzer Bedenkzeit folgte ein Nicken.

„Geschwister?"

Kopfschütteln.

„Das hast du bestimmt bedauert. Klassischerweise wünschen sich Menschen ohne Geschwister welche herbei, während sich die Menschen mit Geschwistern ebenjene wegwünschen."

Geist 3 schwebte still auf der Stelle. Ab und an glitt ein Nebelfaden von ihm zu Boden.

„Tut mir leid. Das war keine Ja/Nein-Frage." Angestrengt dachte ich über weitere unverfängliche Themen nach. „Du bist bestimmt einer Arbeit nachgegangen, oder?"

Nicken.

„Hat sie dir gefallen?

Keine Regung.

„Ich verstehe. Die wenigsten Menschen können darauf mit einem klaren Ja oder Nein antworten."

Spuk am BaumhausWo Geschichten leben. Entdecke jetzt