Kapitel 21

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„Siehst du ein Tor in deiner Umgebung?", brach ich eine Weile später die Stille zwischen Thomas und mir. „Ein Licht oder einen Regenbogen?" Ich löste mich von Thomas, um ihm ins Gesicht sehen zu können. „Geh in die Nachwelt", sagte ich sanft. „Du hast es verdient, Frieden zu finden. Susanne hat keine Fehlgeburt erlitten. Es sei dir verziehen, dass du ihr bei ihrer Schwangerschaft nicht beigestanden hast. Geh."

Thomas wirkte ein wenig überfordert, als er sich umsah. „Ich sehe nichts, was sich als Übergang in die Nachwelt eignen würde."

„Da muss etwas sein. Vielleicht ist es etwas Verborgenes. Ein Loch im Boden? Oder eine besondere Wolke?"

Skeptisch drehte er sich um die eigene Achse. „Ich erkenne keine besonderen Wolken. Löcher im Boden auch nicht."

„Aber da muss etwas sein", beharrte ich. „Gib dir mehr Mühe."

Thomas warf mir einen gereizten Blick zu.

Wow, das also war unser Abschied. Ich sprach Befehle aus und Thomas war genervt.

Ich hinderte ihn daran, sich weiter umzusehen, indem ich meine Arme um seine Brust schlang. „Ich habe mich gefreut, deine Bekanntschaft zu machen. Ehrlich. Es war mir eine Ehre. Du bist ein toller Mensch. Ich hatte großes Glück, d-d-dich als m-m-meinen ersten Geist zu haben." Sein nebulöser Körper strahlte solche Kälte aus, dass ich mir wie am Nordpol vorkam.

„Ach." Er räusperte sich umständlich. „Unsinn. Ich hatte Glück, dein erster Geist sein zu dürfen. Eigentlich solltest du Dinge von mir lernen, aber ich habe mindestens genauso viel von dir gelernt. Da kommt jemand." Rasch schob er mich von sich.

Ich tat erneut, als wenn ich die Hecke neben mir bewundern und nicht etwa mit unsichtbaren Menschen sprechen würde. Der Opa, der an mir vorbeihumpelte, sah mich ein wenig merkwürdig an, weshalb ich ihm mein freundlichstes Lächeln schenkte. Eigenartigerweise brachte ihn das nur dazu, schneller an mir vorbeizuhumpeln.

Ich wandte mich Thomas zu und erwischte ihn dabei, wie er sich über die Augen fuhr. „Geh", wiederholte ich leise. „Es wird Zeit, dass du dein Glück in der Nachwelt findest. Du hast dich lange genug gequält."

„Okay." Mit einem tiefen Atemzug sah er sich erneut um.

Sekunden später verblasste er. Seine traurigen Augen verloren an Kontur. Der silberne Nebel zerfaserte. Sein Körper wurde einfach weniger, bis nichts mehr davon übrig war, nicht einmal ein klitzekleiner Nebeltropfen.

Es erschien keine gleißende Supernova wie bei meinen anderen Geistern. Kein blendendes Licht. Nicht einmal ein schwacher silberner Schimmer.

Verwirrt musterte ich die leere Luft vor mir. Wie konnte das sein? War es eine Besonderheit bei ersten Geistern, dass sie nicht in grellem Licht explodierten? Lösten sie sich stattdessen in... Nichts auf?

Rätselnd stand ich vor der Hecke. „Äh, Thomas?", flüsterte ich. „Bist du noch da?"

Keine Antwort.

„Thomas! Zeig dich."

Keine Antwort.

„Ich befehle dir, auf der Stelle hierher zurückzukommen! Kraft meiner Magie des Geisterbeschwörens zitiere ich dich zu mir. Komm her!" Diesem direkten Befehl könnte sich kein Geist entziehen, selbst Thomas nicht.

Der Platz vor meiner Nase blieb leer. Niemandes Silhouette tauchte gezwungenermaßen dort auf.

Als eine weitere Person an mir vorüber lief, knipste ich hastig mein Lächeln an. Dabei war mir überhaupt nicht nach Lächeln zumute. Thomas war nicht auf die typische Weise in die Nachwelt übergetreten, aber ich musste der Tatsache ins Auge sehen.

Spuk am BaumhausWo Geschichten leben. Entdecke jetzt