Kapitel 40

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Eine knappe halbe Stunde später zog ich die Eingangstür des Ligagebäudes auf.

„Hallo Liebes!" Elaine strahlte mich von ihrem großen Tresen aus an. „Wir haben uns ja ewig nicht gesehen. Wie geht es dir?"

„Ich kann nicht klagen", entgegnete ich, während ich zu ihr hinüberlief. „Wie geht's dir?"

„Oh, wie lieb, dass du fragst. Zum Jahresende hin fällt immer viel Papierkram an, aber das werde ich schon bewältigt bekommen." Sie beäugte mich aufmerksam. „Liebes, du musst dir mehr Zeit für dich gönnen. Du bist gespannt wie ein Flitzebogen."

„Ach, bin ich das?"

„Ja, eindeutig!" Sie lehnte sich vor, um mir tröstend die Schulter zu tätscheln. „Kein Wunder in deiner momentanen Situation. Schulstress, Geisterstress, dann auch noch diese ganzen schlechten Erinnerungen an unseren vorherigen Geisterbeschwörer. Du musst dich mit einer Menge herumschlagen."

„Du bist die Erste, die das bemerkt", murmelte ich.

„Das macht meine Gabe. Herr Kopenau kümmert sich um die wirtschaftlichen Seiten unserer Liga, ich übernehme das Soziale." Mitleidig neigte sie ihren Kopf. „Ich sehe eine Menge Anspannung in dir. Du solltest dir wirklich etwas Zeit für dich nehmen. Vergiss die Schule, vergiss die Liga. Unternimm ein paar schöne Dinge mit deinen Freunden oder deiner Familie. Manchmal muss man seine Energiereserven kurz aufstocken, um danach wieder hundert Prozent geben zu können."

„Da ist sicherlich etwas Wahres dran."

„Nimm es als gutgemeinten Ratschlag." Sie lächelte begütigend.

Obwohl mich ihre Erkenntnisse über mein augenblickliches Seelenleben etwas verwirrten, lächelte ich prompt zurück. „Danke. War schön dich getroffen zu haben."

„Gleichfalls! Mach's gut, Liebes."

Mein Lächeln versickerte. „Ich versuch's", wisperte ich bedrückt.

Plötzlich wusste ich, was Elaine mit dem Flitzebogen gemeint hatte. Warum hatte Thomas auch so pessimistisch reden müssen? Jetzt rechnete ich selbst schon mit dem Schlimmsten.

„Bis bald, Elaine." Ich drehte mich um und lief zu den Treppenhäusern hinüber. Mit einer Hand fest auf dem Handlauf stieg ich die Treppe in den Keller hinunter. War ich heute Morgen noch voller positiver Vorstellungen gewesen, überfielen mich nun dutzende Einfälle möglicher Katastrophen.

Ich würde es Thomas gegenüber niemals zugeben, aber ich war eigentlich ganz froh, Jonathan eine WhatsApp-Nachricht mit meinem Vorhaben übersandt zu haben. Sollte der doch denken, was er wollte. Ein Stinkstiefel als Retter in der Not war besser als gar kein Retter in der Not.

Ich erreichte den Empfangsraum des Kellers. Im Gegensatz zum obigen Tresen war dieser leer.

„Mattheus?" Aufmerksam schaute ich mich um. Das einzige Wesen, das mir auffiel, war Thomas.

Er deutete auf die Archivtür, vor der er schwebte. „Ich glaube, er ist hier drin."

„Och nein." Ich klopfte kurz hoffnungsvoll gegen Mattheus' Zimmertür, aber als sich dahinter nichts tat, trat ich gezwungenermaßen zu Thomas. Voll gespielter Konzentration nestelte ich am Griff der ornamentverzierten Archivtür. „Danke, dass du zu Jochens Wohnort mitkommst", murmelte ich leise. „Ich habe im Bus noch einmal über deine Worte nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass ein gewisser Wahrheitsgehalt nicht zu verleugnen ist."

„Du kannst dich auf mich verlassen", versicherte Thomas. „Ich passe auf dich auf, auch in Situationen, die du selbst als ungefährlich erachtest."

Er sagte nichts von wegen ‚habe ich es dir doch gesagt' oder ‚endlich bist du einsichtig'. Es war nicht sein Stil, mit seiner Weisheit zu prahlen. In den meisten Fällen bemerkte er nicht einmal, dass er sich weise benahm.

Spuk am BaumhausWo Geschichten leben. Entdecke jetzt