01 | Break Free

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Livia's Sicht

Mittwoch, 05. April 2023


Völlig außer Atem schlüpfte ich in meine vorgegebene Arbeitskleidung und besah mich für einen kurzen Moment im Spiegel, nur um gequält das Gesicht zu verziehen. Ich war noch nie eitel gewesen und doch sah ich aus wie ein Kartoffelsack in diesem cremefarbenen Ding mit der aufgedruckten braunen Schürze. Die dazugehörigen weißen High Heels machten nichts besser und verschlimmerten das Ganze auf drastische Weise, weil es wie ein Unfall aussah. Dennoch setzte ich nie etwas daran aus, denn ich konnte froh sein diesen Job überhaupt zu haben und sollte mich nicht mit Floskeln wie diesen aufhalten. Den Kopf darüber schüttelnd eilte ich aus dem Personalraum und zog im nächsten Moment die Stempelkarte in dem dafür vorgesehenen Schlitz durch und stellte mit Zufriedenheit fest, dass ich auf die Minute pünktlich war. Dies erleichterte mich zunehmend, denn auf diesen Job verzichten zu müssen wäre nicht von Vorteil und würde die Gesamtsituation für uns alle nur verschlimmern. Doch darüber wollte ich im Moment nicht nachdenken, denn alles was zählte war das es uns gut ging und das tat es zu unser aller Glück.

«Du bist spät dran, Livia.», hörte ich die Stimme von Josh, meinem Boss, welcher in diesem Moment aus seinem Büro trat und mich mit einer hochgezogenen Augenbraue ansah. Ich mochte diesen aufdringlichen Kerl nicht wirklich und doch bezahlte er genug, damit ich die Miete gerade noch so stemmen konnte. Es blieben lediglich ein paar Dollar von meinem Gehalt über und doch reichte es noch halbwegs zum Leben, wenn ich das Trinkgeld miteinberechnete, welches ich zusätzlich bekam. Diesen Job zu verlieren wäre also eine Katastrophe für mich und so setzte ich mein schönstes Lächeln auf von welchem ich wusste, dass es ihm jedes Mal den Kopf verdrehte. «Nicht zu spät um eine Abmahnung zu bekommen, denn ich habe pünktlich meine Stempelkarte durchgezogen.», versicherte ich ihm deshalb, um ihm keine Chance zu geben noch etwas einzuwenden. In mir sträubte sich alles dagegen ihm eines dieser Lächeln zu schenken und doch musste es heute wohl sein um keinen Ärger zu bekommen, weil ich einmal mehr ziemlich knapp dran war.

Josh verdrehte lediglich seine Augen und warf mir nun seinerseits ein dreckiges Lächeln zu, welches mir Gänsehaut am gesamten Körper bescherte. Es war ekelhaft und noch ekelhafter war es, dass er zeitgleich damit näher an mich herantrat. Da der Gang hier unglaublich eng war, hatte ich keine wirkliche Möglichkeit auszuweichen und so musste ich gezwungenermaßen stehen bleiben und seine Nähe ertragen. «Dann würde ich sagen, dass du noch einmal Glück gehabt hast.», raunte er mir mit heiserer Stimme entgegen, wobei das beinahe gleichzeitige Scheppern aus dem vorderen Teil des Restaurants seine Aufmerksamkeit für einen kurzen Moment von mir lenkte. Diese Chance nutzte ich sogleich aus, schlüpfte an seiner massigen Körpergestalt vorbei und holte erleichtert nach Luft, als ich den Abstand zwischen uns endlich maximiert hatte. «Livia?», bellte es hinter mir und ertappt zuckte ich zusammen und drehte meinen Kopf leicht über die Schulter, um Josh noch einmal anzusehen. Zwar widerstrebte es mir und doch war er mein Boss, dank dem ich meine Rechnungen bezahlen konnte und somit war Ignoranz nicht die beste Idee.

«Wenn du noch einmal so knapp erscheinst, wird es Konsequenzen für dich geben.», mahnte er mich ab und entließ mich mit einem knappen Nicken, welches mich leise aufseufzen ließ. Ich musste es eindeutig schaffen meine Termine besser zu koordinieren, denn auf drohende Konsequenzen konnte ich gut verzichten. Nachdem mein Boss zu meinem Glück wieder im Büro verschwunden war, rannte ich beinahe nach vorne in das Restaurant und winkte Tammy zu, welche eine meiner Kolleginnen war und gleichzeitig in den letzten Jahren zu einer guten Freundin wurde. Ihr feuerrotes Haar leuchtete im grellen Licht der Leuchtstoffröhren noch intensiver als sonst, wobei ihr Gesichtsausdruck das komplette Gegenteil spiegelte. Ihr sonst so strahlender Ausdruck war einem missmutigen gewichen, während sie mit einem durchaus tödlichen Ausdruck alle Tische die es hier gab abwischte. Tammy war ein Energiebündel und eine unglaublich liebenswerte Person, die ich nicht mehr missen wollte. Sie gehörte zum hier ansässigen Rudel und dies erleichterte die Freundschaft zu ihr um ein riesiges Maß, da ich so keine Geheimnisse vor ihr zu haben brauchte.

Broken LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt