52 | Slipped Away

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Livia's Sicht


Das schlechte Gewissen hatte mich fest im Griff, als ich eiligst nach draußen rannte und doch konnte ich darauf keine Rücksicht nehmen. Dorothea's Herz hatte geschlagen und somit lebte sie, was das Wichtigste war um nicht doch noch vollends durchzudrehen. Ich wusste das mich bei diesem Anschlag ihr gegenüber eine Kurzschlussreaktion gepackt hatte und doch würde ich diese immer wieder aufs Neue in Kauf nehmen, um mich endlich selbst auf die Suche nach meinem Sohn zu begeben. Ich konnte einfach nicht tatenlos warten und hoffen, dass Blake und Holly es schaffen würden ihn zu finden, nicht wenn ich wusste, dass Melody nun mit im Spiel war. Zwar konnte ich mir nach wie vor nicht hundertprozentig sicher sein und doch war es das naheliegendste, weil es eben so unvorbereitet kam. Sie war eine Spielfigur, mit der niemals jemand gerechnet hätte und somit war es der perfekte Plan. Ich hasste das Gefühl mich so sehr in ihr getäuscht zu haben, denn ich hatte wirklich gedacht, dass sie eine Freundin war. Zwar hatten wir seit Wochen keinen Kontakt mehr zueinander gepflegt und doch hätte ich nie erwartet, dass sie sich gegen mich richten würde.

Aber was hatte ich wirklich erwartet? Damien hatte ihren Bruder getötet und das sie nun auf Rache aus war, sollte mich nicht überraschen. Das Ganze bereitete mir wirklich unglaubliche Kopfschmerzen und doch musste ich versuchen darüber zu stehen, um einen klaren Kopf bewahren zu können. Diesen würde ich brauchen um Raiden zu finden, denn es würde nicht helfen, wenn ich nun komplett durchdrehte und meinen Tränen freien Lauf ließ, die ohnehin bereits die längste Zeit über in meinen Augen brannten. Die salzige Flüssigkeit würde meinem Sohn nicht helfen aus dieser Situation zu kommen, ebenso wenig wie das Hassgefühl, das sich längst in mir ausgebreitet hatte und sich gegen mich selbst richtete. Wäre ich nicht so verzweifelt gewesen und hätte ich mich nicht so dermaßen zurückgezogen, so wäre mein kleiner Schatz nun vielleicht noch bei mir. Ich gab Holly keine Schuld an seinem Verschwinden, denn mir hätte durchaus dasselbe passieren können und somit gab es keine Vorwürfe, die sich gegen sie richteten.

Diese Vorwürfe gingen lediglich an mich selbst, weil ich in jeglicher Hinsicht als Mutter versagte. Ich hatte es versäumt Raiden von Anfang an eine intakte Familie zu bieten und nun da er diese hatte, schaffte ich es nicht sie zusammenzuhalten. Damien war weg, zwar ging es ihm laut Dorothea gut und doch wusste ich nichts über seinen tatsächlichen Zustand. Noch immer herrschte gähnende Leere wenn ich versuchte über den Mindlink mit ihm in Kontakt zu treten und ich hasste dieses Gefühl, nicht mit ihm kommunizieren zu können. Ich hatte während des Krieges verstanden das er nicht behelligt werden wollte, doch nun? Er wusste das unser Sohn weg war und das ich tausende Tode um ihn starb, weil mich die Sorge um ihn förmlich zerriss. Dennoch nahm er keinen Kontakt zu mir auf und je länger ich darüber nachdachte, desto wütender wurde ich auf ihn. Er sollte mir beistehen, mich beruhigen und mir gut zureden und doch kam nichts von ihm, was in diese Richtung ging. Stattdessen strafte er mich weiterhin mit Schweigen und das obwohl er auf dem Weg zurück war.

Die Wölfin in mir gab ein tosendes Knurren von sich, war maßlos enttäuscht über die Haltung unseres Gefährten und dem konnte ich nichts entgegensetzen, weil es mir genau so ging. Auch in mir breitete sich neben dieser Wut das Gefühl von Enttäuschung aus, denn ein paar Worte seitens meines Mannes würden ausreichen, um mich beruhigen zu können. Doch nichts dergleichen passierte und so rannte ich ziellos im Wald herum, in der Hoffnung, so meinen Sohn finden zu können. Ich war eine offensichtliche Zielscheibe die leicht zu überwältigen wäre und doch fokussierte ich mich nicht darauf, weil es mich womöglich selbst in Panik versetzen würde. Nach wie vor durfte ich dieser keine Chance lassen, denn wenn ich tatsächlich durchdrehte, so würde ich Raiden keine Hilfe sein können. Mein Kleiner brauchte jedoch meine volle Stärke und meine vollste Zurechnungsfähigkeit, denn nichts anderes hatte er verdient. Ich durfte nicht daran zerbrechen, wenn ich weiterhin darüber nachdachte, was ihm alles passieren konnte. Ich musste mich zusammenreißen und alles andere würde ich nicht zulassen.

Broken LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt