Kapitel 1

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( L o u i s a )

Wie jeden Tag um 17 Uhr lief ich die lange Straße den Berg hinauf. In den drei Monaten, in denen ich in Barcelona lebte, hatte sich mein Körper an die fiesen Höhenunterschiede gewöhnt. So sehr, dass ich die Rolltreppen ignorierte, die in manche Straßen eingebaut worden waren, um den steilsten Part zu vereinfachen. 

Ein leichter Windzug zog an mir vorbei, brachte eine willkommene Abkühlung an einem der ersten heißen Tage. Die warmen Temperaturen breiteten sich allmählich über der Region am Mittelmeer aus und ich freute mich auf den ersten Sommer in meiner Lieblingsstadt. 

Die Gedanken daran, dass dies niemals so werden würde, wie ich es mir erhofft hatte, verdrängte ich so gut es ging. Ich war froh, hier zu sein, war es nicht gerade selbstverständlich ein Studium in einem anderen Land beginnen zu dürfen.

Ich lief über die Straße, schaute hoch zu dem Fenster im dritten Stock, dort wo ich mit meinem Freund Eric wohnte. Ursprünglich war dies eine Airbnb Wohnung mit einem kleinen Wohn- und Schlafzimmer, doch der Vermieter hatte die Touristen satt, die alle drei bis vier Tage wechselten und die Wohnung schlecht behandelten oder sein Inventar klauten. 

Bevor ich den Schlüssel in das Schloss der Haustür steckte, atmete ich tief ein und wieder aus, wagte einen letzten Blick die Straße runter, die zu der tief stehenden Sonne führte. Der Abend war perfekt für einen Spaziergang oder ein kaltes Bier unten am Strand - doch all das gab es für mich nicht. Nicht ein einziges Mal bisher. Egal, wie oft ich darum gebeten hatte. 

Die Tür zu unserer gemeinsamen Wohnung ging auf, noch bevor ich das 3. Stockwerk erreichte. Eric lehnte gegen den Türrahmen, die Arme über der Brust verschränkt und beobachtete jeden meiner Schritte. Sein Blick lag so schwer auf mir, dass ich mich darauf konzentrieren musste, meine Knie richtig anzuheben. 

"Wo warst du?", fragte er und versteckte seinen genervten Unterton nicht. "Ich wurde eben angerufen, meine Schicht beginnt heute früher" Eric hatte ein Fernstudium in Betriebswirtschaftslehre begonnen und arbeitete nebenbei als Barkeeper in einer Bar in der Innenstadt. Er war derjenige, der unsere Wohnung bezahlte, so lange bis ich einen geeigneten Job fand. 

Vermutlich wäre es einfacher gewesen, auch einen Job in der Gastronomie zu suchen, doch nicht nur, dass ich wahnsinnig schlecht darin war, ich wünschte mir etwas, dass mein Studium bereichern konnte. Etwas, dass mir später helfen würde, meinen Traum zu verwirklichen. 

Leider machte ich mich damit nur noch abhängiger von ihm. 

"Ich bin fünf Minuten später da als sonst", seufzte ich, schaute ihm nicht in die Augen, weil ich wusste, das würde ihn nur noch mehr provozieren. Normalerweise schluckte ich Sprüche wie diesen einfach herunter und sagte das, was er hören wollte, doch heute war ich besonders frustriert darüber, den Rest des Tages in der Wohnung zu verbringen, hatten mich einige andere aus dem Studium gefragt, ob ich sie zum Volleyball am Strand begleiten wollen würde. 

Als ich meine Tasche an der Garderobe abstellte, spürte ich wie sich seine Hand um meinen Oberarm legte und fest zudrückte. "Deshalb frage ich dich, wo du warst", knurrte er. 

Die Zeit, in der mich so ein Verhalten von ihm schockiert hätte, lag einige Monate zurück. Eric und ich gingen zusammen zur Schule, waren nichts mehr als gute Bekannte, bis er mich in der Oberstufe nach einem Date fragte. 

Bis dahin hatte ich mich nie groß für Männer interessiert, war zu vertieft in meine Kindheitsfreundschaften und arbeitete die Wochenenden durch, um Geld für meine Reisen in den Ferien zu verdienen. 

Secrets of Barcelona l Dark RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt