Kapitel 2

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( S a i n t )

Die Sonne stand tief, tauchte den Himmel in ein angenehmes Meer aus Farben, während er und sein bester Freund gemeinsam die Promenade entlang liefen. Jeder von ihnen hielt einen recycelten Becher in der Hand, gefüllt mit einer starken Mischung aus Gin, Tonic und einem halben Obstsalat. 

Er nahm einen großen Schluck, genoss das Brennen in seiner Kehle. 

"Ich muss zugeben, es ist nicht übel hier", gestand Silas und tat es ihm gleich, nahm einen großen Schluck, ehe er die Augenbrauen zusammenzog. "Hätten sie jetzt noch ordentliche Becher, damit der Alkohol nicht wie ein verfluchtes Matheheft schmeckt" 

Saint schnaubte lachend auf. 

"Das ist die Zukunft, De Clare. Wir müssen das Klima retten" So stand es zumindest auf den Bechern - extra auf Englisch, damit es jeder verstand. 

"Ich werde später darüber in meinem Privatjet nachdenken", antwortete dieser trocken. 

Genau so kannte Saint seinen besten Freund - er war ein Arschloch, wenn auch ein ehrliches. 

Es war nicht das erste Mal, dass er ihn besuchte, seit dem Saint ihren Headquarter nach Barcelona verlegt hatte, jedoch das erste Mal, an dem er seine Frau Melody mitgebracht hatte.  

Immer wieder drehte Silas sich nach ihr um, saß sie in einem der Liegestühle am Strand und unterhielt sich angeregt mit ihrer Freundin Emma, die ihn gemeinsam mit ihrem Freund Oliver nach Spanien begleitet hatte.

Besagter Freund stand mehrere Meter hinter ihnen, hatte Silas ihm befohlen auf sie aufzupassen. Sein Beschützerinstinkt hatte sich gegenüber seiner Frau noch vergrößert, seit dem sie versuchten, die Geschäfte in ordentliche, legale Gewässer zu bringen. Zu viele Feinde, zu viele Menschen, die etwas vom Kuchen abhaben wollten. 

Saint würde lügen, würde er sagen, dass er im Vorhinein nicht ein kleines bisschen nervös gewesen war, beide in seiner Wahlheimat zu empfangen. 

Er wusste genau, wieso Silas sie die letzten Male nicht mitgebracht hatte - und er konnte es verstehen. Er hätte es genauso gemacht, wäre er an seiner Stelle gewesen und auch wenn sie nie wieder darüber gesprochen hatten und Silas ihm gegenüber nie den Eindruck machte, als wäre er sauer auf ihn, hatte ihm die Situation in der Vergangenheit sehr zu schaffen gemacht. 

Manchmal hatte er sich ganze Nächte um die Ohren geschlagen und über alles nachgedacht. Er hatte selbst nicht verstanden, wie das passieren konnte, noch ob es wirklich wahr war. Und bis zu diesem Tag hatte er keine Erklärung dafür, dass er sich vermeintlich in die Frau seines besten Freundes verguckt hatte. 

"Die Geschäfte laufen gut, die Mitarbeiter sind zuverlässig, deine neu gebaute Villa am Stadtrand ist fertig...", fasste Silas zusammen und schaute seinem besten Freund in die Augen, "alles läuft einwandfrei"

Saint wusste, dass Silas seinen Satz noch nicht beendet hatte und eine leichte Nervosität stieg in ihm auf. 

"Nur scheint das alles die Frauen hier nicht zu beeindrucken" 

Ein großer Schluck vom Matheheft-Gin Tonic. 

"Wer sagt denn, dass ich versuche Frauen zu beeindrucken?", antwortete er mit einer Gegenfrage. 

Silas hob wohlwissend eine Augenbraue. "Du hast dir mal für ein Date eine Villa in Lissabon gekauft, nur um ein Mädchen zu beeindrucken und sie dann drei Stunden später wieder zu verkaufen - die Villa, nicht das Mädchen, hoffe ich"

Eine Jugendsünde. 

"Ich habe keinen Kopf dafür, mein Boss hat es nämlich nicht so mit geregelten Arbeitszeiten" In Wahrheit tickten sie beide gleich, was das betraf. Saint und Silas waren abrufbar, zu jeder Uhrzeit, an jedem Tag - nur so funktionierte ihr Plan. 

"Was für ein Wichser", kommentierte Silas trocken, zerknüllte seinen Pappbecher und warf ihn in einen Mülleimer, der an den Treppen zum Sandstrand stand. 

"Eine wahrhaftige Untertreibung" 

Ein warnender Blick brachte Saint zu einem unschuldigen Grinsen. 

Eine Weile gingen sie stumm nebeneinander her. Das war einer der Gründe, weshalb sie beste Freunde waren. Sie verstanden sich auch ohne Worte und schwiegen, wenn sie die Stille für ihren Kopf brauchten. 

"Wie geht es euch in eurem verflixten dritten Ehejahr?", fragte Saint vorsichtig, hatte er bisher alle Themen um Silas' Ehe vermieden. 

"Ich dachte, das siebte Jahr ist das verfluchte Jahr", antwortete Silas mit einem Schulterzucken. 

"Ihr habt schon so viel zusammen erlebt, da ist das dritte quasi das siebte Jahr" Und auch das war eine wahrhaftige Untertreibung. 

Wenn es um Melody ging, wurden Silas' Gesichtszüge weicher, seine Schultern entspannten sich, während er von ihr erzählte. "Sie schlägt sich immer besser... und ihr Selbstvertrauen. Seit neuestem bekomme ich manchmal Angst vor ihr, wenn sie das Meeting leitet und mit andere mit ihren Blicken zum Schweigen bringt" 

Saint lachte. 

Melody hielt weiterhin eine wichtige Rolle in den Unternehmen, in denen Silas' sie für seine Abwesenheit vor wenigen Jahren als Geschäftsführerin ernannt hatte. Schon damals hatte er potenzial in ihr gesehen, dass anderen verborgen geblieben war - und er hatte Recht behalten. 

"Es macht dich an", stellte Saint ernüchtert fest. 

Silas seufzte. "und wie" 

Bevor sie zurück zu Emma und Melody gingen, lenkte Silas das Gespräch zurück auf ein paar wichtige geschäftliche Dinge. 

"Melody und ich werden für ein paar Monate nach New York reisen", erklärte er, "ich will unbedingt mit Peter sprechen. Wenn wir uns einigen können, dann wären uns die Konten in Panama sicher" 

Sichere Konten für das restliche Geld, was in nicht ganz so legalen Gewässern gewachsen war. 

Silas wollte einen klaren Cut, doch das ging nur, wenn das Geld verschwand. Sie würden es in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr bewegen, würde es einzig und alleine eine Absicherung darstellen, ein Notfallbudget für den Fall, dass ihnen alles um die Ohren fliegen würde. 

Wenn es soweit kommen sollte, würden sie sowieso nach Panama fliehen müssen - und es wäre durchaus vorteilhaft, wenn das Geld dort bereits auf sie warten würde. 

"Die nächsten Monate musst du also übernehmen - deshalb bin ich froh, dass du deine Hose aktuell geschlossen lässt. Ablenkungen können wir uns nicht erlauben"

Saint lachte. "Und das von einem liebeskrankem Vollidioten wie dir" 

Silas warnender Blick bohrte sich durch seine Haut - gut, dass er der einzige war, der dagegen immun zu sein schien. 

Als sie bei den anderen ankamen, sprang Melody ihrem Ehemann in die Arme. Ungeniert griff er ihr mit beiden Händen an den Po, brachte sie dazu ihre Beine um seinen Oberkörper zu schlingen und rannte mit ihr ins Meer. 

Saint schaute ihnen hinterher und seine Mundwinkel zuckten. Er würde es ihm niemals sagen, doch es war verflucht schön, seinen besten Freund glücklich zu sehen. 

Er schüttelte seinen sentimentalen Gedanken ab - Matheheft Gin-Tonic schien stärker zu sein als normaler. 

Secrets of Barcelona l Dark RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt