Kapitel 36

469 34 12
                                    

( S a i n t )

Gemeinsam saßen sie an dem großen Esstisch in der angemieteten Villa. Melody und Emma saßen draußen auf der Terrasse an einem schattigen Platz, tranken kühle Limonade, doch auch ihnen sah man die Anspannung deutlich an. 

"Sie sind gestern noch mit einem Flugzeug zurückgeflogen", gab Asher bekannt, der keine Kosten und Mühen gescheut hatte, etwas über den Aufenthaltsort dieser Bastarde herauszufinden. 

Saints Magen zog sich zusammen, bei dem Gedanken, dass Louisa kurz darauf ebenfalls am Flughafen angekommen war. 

Sie hätten freien Zugang zu ihr gehabt und keiner von ihnen hätte etwas tun können. 

Und hätte Silas seine Leute nicht auf sie angesetzt, hätte er nicht einmal erfahren, ob sie gut in Deutschland angekommen war. 

Erst hatte er sich dagegen gewehrt, wollte nicht akzeptieren, dass das in diesem Moment der einzige Weg war, doch mit einem bitteren Beigeschmack musste er feststellen: Silas hatte recht. 

Alle drei Stunden bekam er ein Update, ob alles in Ordnung war und wo sie sich befand. Bisher hatte sie das Haus ihrer Mutter nicht verlassen. 

Saint drehte sich einen Joint. Das war es, was er jetzt brauchte, hatte er die Nacht über kein Auge zugemacht. Er war so sauer auf sich selbst, auf alles, was an dem gestrigen Abend schief gelaufen war. 

Er hatte gewusst, dass sie so reagieren würde, sollte sie das mit Eric herausfinden. Sein Verhalten war Gewalt verherrlichend und sie, die Gewalt am eigenen Leib erfahren hatte, konnte damit nicht umgehen. 

Sie war diejenige, die hätte entscheiden müssen, ob die Strafe gerecht war oder nicht. 

Dieser Satz ging ihm seither nicht mehr aus dem Kopf. 

"Was tun wir?", fragte er in die Runde, um seine Gedanke erneut auf das Geschäft zu lenken. 

"Wir können ihnen ebenfalls einen Besuch abstatten", sagte Silas, doch das schien nicht seine präferierte Option zu sein, "oder wir besuchen ihre Häuser auf Madeira und räumen dort ein bisschen auf. Besonders die Festplatten sollen dort überall herumliegen" 

Ein diabolisches Grinsen zierte sein Gesicht und Saint spiegelte es. Seine Dämonen hatten fürs erste gewonnen. Er wollte sie leiden sehen. 

"Madeira also", sang Matteo und trank seinen Kaffee. 

"Emma und Melody?", fragte Saint, musste irgendjemand auf sie aufpassen. 

"Vielleicht bleibst du hier", warf Silas ein und sah seinem besten Freund ins Gesicht. Saint lachte. "Kannst du vergessen" Sie lieferten sich ein Blickduell, das keiner der beiden verlieren würde. 

"Du bist aufgewühlt, unkonzentriert", seufzte Silas, doch Saint dachte nicht daran, das einzugestehen. Natürlich war er verflucht aufgewühlt, schließlich hatten diese Wichser sein ganzes Leben in unter fünf Minuten auseinander genommen.

"Ich finde, er sollte mitkommen", warf Asher ein. "Matteo und Ich bleiben hier" 

_____________

( L o u i s a )

Den ersten Tag in meinem alten zu Hause hatte ich überwiegend schlafend verbracht. Meiner Mutter hatte ich vorgemacht, krank zu sein, damit sie keine weiteren Fragen stellte. 

Schlaf war etwas schönes, besonders wenn man sich an seine Träume nicht erinnern konnte. Es war, als könnte ich der Realität entfliehen. Dann musste ich nicht über das nachdenken, was passiert war.

Auch Silas Worte schwirrten mir andauernd in meinem Kopf herum. Wie konnte er die Situation nur so anders einschätzen, als ich? 

Immer, wenn ich wach war, durchlief ich verschiedene Phasen: Ich war wütend und verletzt, dass Saint mich belogen hatte. Dann war ich traurig und vermisste ihn schrecklich, sah mir unsere gemeinsamen Fotos an und laß mir seine Nachrichten in unserem Chat durch. Seine liebevolle Art war mit dem, was ich gestern herausgefunden hatte, nicht in Einklang zu bringen. 

Auch fragte ich mich, wie weit weg seine Vergangenheit sein konnte, wenn ich nach wenigen gemeinsamen Wochen genau so etwas miterlebte. 

_________________

( S a i n t )

Saint wusste genau, wieso Asher freiwillig und gemeinsam mit Matteo in Barcelona blieb. Für ihn, Silas und Oliver war es eine persönliche Sache. 

Silas und Melody hatten bereits so viel gemeinsam erlebt und waren eingespielt, doch das bedeutete nicht, dass er nicht furchtbar wütend darüber war, dass sie seine Ehefrau in potenzielle Gefahr gebracht hatten. 

Gerade Silas lebte eine Null-Toleranz-Politik, was das betraf. 

Saint selbst war wahnsinnig sauer, weil es seine Bar war, in die sie eingebrochen waren und seine fast-Freundin, die sie bedroht hatten. Sie mussten sie entweder im Internet gefunden oder beschatten lassen haben. Beides gefiel ihm ganz und gar nicht. 

Und Oliver... Olivers Wut war eine ganz andere, würde er in wenigen Monaten Vater werden. Der Beschützerinstinkt schien minütlich in ihm zu wachsen. Saint beobachtete ihn und Emma, wie sie sich voneinander verabschiedeten. Er küsste sie auf den Mund, auf die Stirn und streichelte ihren Bauch, der mittlerweile eine kleine Rundung zeigte. 

Der Gedanke, dass sie sich so wohl und sicher gefühlt hatten, um eine Familie zu gründen, fütterte Saints Wut. 

Silas und Melody standen im Wohnzimmer. Silas hatte beide Arme um sie gelegt, drückte sie fest an sich und wiegte sie ein wenig hin und her. Sie sprachen über etwas, dass er von seiner Position aus nicht hören konnte. 

Dann griff Silas an ihren Unterkiefer, hob ihren Kopf an und küsste sie. Besitzergreifend und voller Liebe. 

Saint hingegen schaute bloß auf sein Handy, genauer gesagt auf das Video, dass Silas' Leute ihm geschickt hatten. 

In einer kurzen Hose und einem lockeren T-Shirt, die Haare zu einem Dutt hochgesteckt, stand Louisa vor dem Haus einer ihrer Freundinnen. 

Sie umarmten sich lange und innig, deshalb fragte er sich, ob es nur war, weil sie sich lange nicht gesehen hatten oder weil sie über ihren Kummer Bescheid wusste. 

"Also dann", sagte Oliver und gemeinsam liefen sie zur Tür. "Auf nach Madeira" 


___________________

( S a i n t )

Mit einer Tasche voller Festplatten waren sie auf dem Weg zurück.

Der Plan war einfach und unkompliziert gewesen, deshalb hatten sie nur wenige Stunden gebraucht. 

In den Häusern hatten sie jeweils einen einzigen Sicherheitsmann angetroffen, dachten diese Typen vermutlich nicht, dass jemand ihre Häuser unter ihren Decknamen finden würde. Die meisten von ihnen waren, man könnte sagen kooperationsbereit, und kamen mit einem kurzen Knock-Out Schlag davon. 

Wie wütend Oliver wirklich war, hatte sich gezeigt, nachdem sie die Festplatten eingesammelt hatten. 

Die blinde Zerstörungswut brachte ihn dazu, einige Möbel zu Kleinholz zu verarbeiten. Besonders die, die teuer waren. 

Saint hatte sich damit begnügt, ein paar sündhaft teure Vasen zu zerstören und "Fuck You" auf das teuerste Gemälde zu sprayen, welches er finden konnte. So schnell wurde man Hunderttausende von Euros los. 

Silas hatte einen anderen Plan für den Typen, der Melody so lange in die Augen geschaut hatte. Er öffnete den Stromkasten, spielte an den Sicherungen herum. 

"Was genau hast du vor?", fragte Saint als er dazu stieß. 

"Klimawandel hin oder her... Ich will sein scheiß neues E-Auto in der Garage brennen sehen" Er schloss den Sicherungskasten mit einem zufrieden Blick. "Die Versicherung zahlt nicht bei Eigenverschulden. Blöd, mh?"

Saint grinste.


Secrets of Barcelona l Dark RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt