Kapitel 27

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( L o u i s a )

Wann immer ich Zeit hatte, saß ich vor meinem Laptop und las mir die Artikel über Saint, Silas und Asher durch. 

Es wunderte mich nicht, dass ich am meisten über Silas De Clare fand. Wenn man einigen Artikeln glauben schenken konnte, war er so etwas wie der britische Teufel.

Seine Familie pflegte engen Kontakt mit dem Königshaus - genauso wie zu dubiosen russischen Männern, die ihr Unwesen trieben. Es gab Gerüchte über die Familie, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließen. 

Ich sah Bilder von Saint an seiner Seite, sie waren jung und trugen die Uniform des Eton Internats. Auch ein Bild von Melody war zu sehen, war sie ein Jahrgang unter ihnen.

Die Medien hatten kein gutes Haar an ihr gelassen, zumindest in den ersten Jahren. Sie hätte sich absichtlich an einen Mann wie Silas rangeschmissen, um schnellstmöglich ausgesorgt zu haben. Saint hatte mir da etwas ganz anderes erzählt...

Egal, was andere über sie sagten: Sie war wunderschön und elegant.

Für mich war es komisch, dass mich der Part über Melody und Saint am wenigsten an der ganzen Sache störte. Ich stellte es mir wirklich schwierig für Silas und Saint vor, aber es lag weit in der Vergangenheit und sie waren jung.

Der Grund dafür, dass diese Verbindung überhaupt entstanden war... das war es, worum es mir ging.

Saint hatte mir etwas erzählt, dass zu absurd und grauenvoll war, als dass sich jemand so etwas ausdenken könnte.Dass die Welt nicht aus Sonnenschein und Regenbögen bestand, das wusste ich bereits seit jungen Jahren, Eric hatte mich nur noch einmal daran erinnert. Aber dass jemand wie Saint in solche Dinge verwickelt war...

Ich bekam Angst.

Angst davor, dass in Saint etwas steckte, das mir nicht gefallen könnte. Dass er nur vorgab jemand zu sein, der er nicht war und stattdessen... es tat mir weh, überhaupt darüber nachzudenken.... dass er stattdessen jemand sein könnte, der mir weh tut.

Alles an ihm gab mir das Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit. Noch nie hatte ich so viele Komplimente bekommen, wie in den vergangen Wochen und auch wenn wir nie weiter gegangen waren, merkte ich wie sehr er sich zu mir hingezogen fühlte.

Das Problem war nur, dass ich meinem eigenen Urteil keinen Glauben mehr schenken konnte.

Niemals hätte ich gedacht, dass Eric sich mir gegenüber so verhalten würde und doch hatte er mein Leben in die wahr gewordene Hölle verwandelt. 

Ich wollte mich selbst entmündigen.

Im Laufe des Abends wuchs in mir das Bedürfnis, Saint zu schreiben, doch es ging nicht, ich musste mir selbst ein Bild von allem machen und entscheiden, was ich tue.

Ich konnte bloß beten, dass ich dieses Mal richtig lag. 

Vermutlich wäre es schlau gewesen, den Kontakt sofort abzubrechen, doch Saint hatte sich bereits in meine Gedanken und in mein Herz geschlichen. Die letzten Wochen waren die schönsten meines Lebens, und das dank ihm.

Ich konnte nicht einfach so aufgeben, es ging einfach nicht.

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( L o u i s a )

Im Laufe der Woche war ich mehrmals in der Bar. Ich fügte der Bilderwand ein paar Fotos der Studentenparty an und fotografierte früh morgens den Sonnenaufgang mit einer der Brillen, einem leeren Glas und Konfetti auf dem Tisch. 

Ein Bild wie dieses hatte ich an dem Abend vergessen, daher musste ich es nachstellen. 

Jedes Mal, wenn ich dort ankam, war ich aufgeregt und angespannt, fragte mich ob ich ihm heute begegnen würde. Doch das tat ich nicht. Wenn ich an seinem Büro entlang lief, einen kurzen Blick erhaschte, sah es genau aus wie den Tag zuvor. 

Es war nicht üblich, dass er eine ganze Woche nicht ins Büro kam, deshalb fragte ich mich, ob er mir absichtlich aus dem Weg ging. 

Die Studenten hatten für einen Cocktail des Sommers gevotet, den sie die gesamten Semesterferien über vergünstigt bestellen konnte. Die Stimmen hatte ich selbst ausgewertet und ein Werbe-Blatt für die Speisekarte erstellt, auf dem der Cocktail verkündet wurde. 

Javier fand es gut, doch er bat mich darum, es noch einmal von Saint absegnen zu lassen. Am liebsten hätte ich ihn darum gebeten, es mit Saint zu besprechen, doch ich hätte keine Begründung dafür, es nicht selbst zu tun. Daher musste ich mir etwas einfallen lassen... 

Mein erster Versuch scheiterte, legte ich ihm bloß das Blatt auf den Platz und hoffte, er würde in der kommenden Woche hier erscheinen. 

Drei Tage später lag das Blatt unberührt auf dem Tisch. 

Deshalb schrieb ich ihm mit nervösen Fingern, die sich andauernd vertippten, eine Mail, hing die Datei an und schickte sie ab. Eine Stunde später erhielt ich eine Antwort von ihm, in der bloß "Danke, sieht gut aus", stand und dass wir die Aufmachung so drucken lassen können. 

Mehr nicht. 

In der darauffolgenden Nacht lag ich wach auf meinem Bett, schaute in den dunklen Himmel und versuchte mir darüber klar zu werden, wie ich mich fühlte. 

Ein Gefühl überwog in diesem Moment alles: Vermissen. 

Ich vermisste Saint und dass er jeden Abend bei mir war, egal wie viel er zu tun hatte, so sehr. Ich vermisste es, ihn immer besser kennenzulernen und ihm nah zu sein. 

Wenn das, was er mir erzählt hatte, wirklich stimmte, dann hatte er nie eine Chance. Sein Schicksal wurde von anderen vorbestimmt und er hatte keine Wahl, außer sich zu fügen. Nach Barcelona zu ziehen war sein Versuch, ein neues und normales Leben aufzubauen und das Gefühl kannte ich viel zu gut. 

Als ich ihm von meiner Beziehung mit Eric erzählte, hatte er mir keine Sekunde ein schlechtes Gefühl gegeben. Ich hingegen war gegangen... 

Tränen liefen mir über die Wange, als ich nach meinem Handy griff. Ich starrte eine Weile auf den Bildschirm, genauer gesagt auf Saints Anzeigebild. Tief in meinem Inneren war mir bereits klar, dass ich es nicht einfach wieder weglegen würde. 

Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, bevor meine Vernunft sich einklinken und mir sagen konnte, ich sollte es nicht tun, ich müsste rationale Entscheidungen treffen, schrieb ich ihm eine Nachricht. 

>> Ich vermisse dich. 

Es war mitten in der Nacht, doch Saint antwortete mir innerhalb weniger Minuten. 

<< Sag mir, ich soll zu dir kommen, dann komme ich. 

>> Ich möchte lieber zu dir. 

<< Habe dir ein Uber bestellt. Es ist in 10 Minuten bei dir. 

>> Danke. 

<< Nein, ich danke dir. 

Ich zog mir eine kurze Hose und ein lockeres Shirt an, band meine Haare zu einem Zopf und fuhr zu ihm, ohne zu wissen, worauf ein Treffen mitten in der Nacht hinauslaufen sollte. 

Secrets of Barcelona l Dark RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt