Kapitel 24

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( L o u i s a )

Es klopfte an der Tür und ich rannte von meiner Küche sofort los, um sie zu öffnen.

Seit zwei Wochen kam Saint jeden Abend bei mir vorbei, um Zeit mit mir zu verbringen und zu gehen, wenn ich einschlief. Egal, wo er zuvor war, er kam vorbei.

Es war das schönste Gefühl, was ich bisher erleben durfte.

Doch genau deshalb kamen manchmal, wenn ich alleine war, die Zweifel ob ich so etwas überhaupt verdient hatte. Der Kontrast zu dem, wie Eric mich behandelt hatte, war so groß, dass ich ihn kaum in Worte fassen konnte.

"Hey Darling", lächelte Saint, der wie so oft vom Sport kam. Er stellte seine Tasche neben meiner Tür ab, nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich.

"Wie war das Training?", fragte ich, lief zurück in die Küche, um ihm ein Glas Wasser zu holen. Es hatten sich bereits kleine Rituale zwischen uns eingespielt.

"Gut", antwortete er, nahm das Glas dankend entgegen. "Oliver war heute auch dabei"

"Wie geht es Emma?" Ich selbst hatte sie noch nie gesehen, doch Saint hatte mir mittlerweile ein paar Informationen über seine Freundesgruppe gegeben. Emma war die beste Freundin von Melody, sie kannten sich aus der Schulzeit.

"Besser. Die ersten Wochen waren wohl sehr schwierig, aber die hat sie gut überstanden. Oliver wird zweimal die Woche in der Bar vorbeischauen, ansonsten kümmert er sich zu Hause um alles" Ich hatte Saint bereits gesagt, wie toll ich es von ihm fand, Oliver diese Freiheiten einzuräumen. Für Emma war es sicher gut zu wissen, dass sie gemeinsam mit Oliver alles für das Kind vorbereiten konnte.

Die Aufregung, wenn wir uns gemeinsam ins Bett legten, hatte sich noch nicht gelegt. Saint war überhaupt nicht schüchtern, hatte mir bereits am zweiten Abend erklärt, dass er das nicht nochmal in einem dicken Jogginganzug machen könnte. Deshalb zog er seine Hose aus, schlüpfte in Boxershorts und Shirt unter die Decke.

Saint war so durchtrainiert und breit gebaut, dass ich oftmals meinen Blick nicht abwenden konnte und er mich ein wenig neckte.

Ich kuschelte mich an ihn, winkelte mein Bein an und er legte seine Hand an meinen unteren Rücken. Im laufe der Zeit würde sie weiter runterrutschen - das tat sie immer, seit dem er herausgefunden hatte, dass das mehr als okay für mich war.

Bis auf ein paar Mal, in denen die Küsse sehr intensiv geworden waren und Saint auf mir lag, war jedoch nichts weiter zwischen uns passiert. Ich fragte mich, ob es daran lag, dass ich in dem Moment sehr nervös geworden war.

Ich wusste nicht, was Saint von mir erwartete und auch nicht, wozu ich überhaupt in der Lage war.

"Darling, ich muss dir einfach eine Frage stellen", begann er und amtete laut ein. Gespannt sah ich ihn an.

"Du hast mir an dem Abend in der Bar gesagt, du würdest aus einer schlimmen Beziehung kommen", Unwohlsein breitete sich in meinem Magen aus, "Wie schlimm war diese Beziehung?"

Mein Körper schaltete sofort in einen Alarmmodus. Ich wendete meinen Blick ab, hatte das Gefühl doppelt so viel für einen Atemzug aufbringen zu müssen.

Saint ließ mich gewähren, strich mir sanft über den Rücken und seine gleichmäßige Atmung beruhigte mich.

"Schlimm", gab ich bloß von mir, meine Stimme dünn und heiser. Er spannte seinen Kiefer an, ich wusste er würde noch mehr Fragen stellen. Das war verständlich und vielleicht war er deshalb vorsichtiger, doch ich wusste nicht, ob ich je dafür bereit war, alles auszusprechen.

"Was war schlimm?", fragte er und räusperte sich. "Es tut mir Leid, dass ich so direkt Frage, aber ich muss es wissen"

"Warum musst du das wissen?", fragte ich und klang abweisender, als ich wollte. Ich hatte keine Kontrolle mehr darüber.

Glücklicherweise fasste Saint es nicht als abweisend auf oder wusste, wie er das einzuordnen hatte. „Weil ich die Angst in deinen Augen sehe" Seine Antwort traf mich so tief ins Herz, dass mir sofort die Tränen in die Augen stiegen.

Er strich über mein Haar, während er weiter sprach. "Ich sehe, dass du deinen Blick abwendest, wenn du unsicher bist und manchmal hast du Angst vor meiner Reaktion"

Dann schluckte er schwer.

"Ganz am Anfang, unsere erste oder zweite Begegnung, da hast du gezuckt, als ich meinen Arm gehoben habe"

Tränen liefen mir über die Wangen und ich wendete mich ab. Mit gesenktem Kopf saß ich im Schneidersitz auf meinem Bett und schaute durch das Fenster auf die Straße.

Saint setzte sich aufrecht, lehnte gegen das Kopfende des Bettes.

Er legte eine Hand neben mich, die ich jederzeit ergreifen konnte.

Das tat ich, nachdem ich die schlimmsten Tränen weggewischt hatte.

"Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll", gestand ich. "Wo du möchtest, Darling"

Und dann dauerte es noch ein paar stille Momente, bis ich anfing zu plappern. Ich begann mit unserer Schulzeit, damit Saint überhaupt nachvollziehen konnte, weshalb ich mich in jemanden wie ihn verliebt hatte.

Dann mit unsere Abschlussfeier und wie wir gemeinsam nach Barcelona gezogen sind. Von da an verschwand der alte Eric komplett...

"Er hat dich geschlagen?" Saints Stimme war ruhig, irgendwie schneidend. Ich saß immer noch mit dem Rücken zu ihm, viel es mir so leichter zu sprechen. Ich konnte mir vorstellen, dass er versuchte, sich zusammenzureißen.

"In den letzten zwei Wochen, die wir zusammen hatten, ja", gestand ich und die Flashbacks, die in meinem Kopf entstanden, fühlten sich grauenvoll an.

"Hat er dich noch zu anderen Dingen gezwungen?" Ich konnte hören, wie viel Kraft es ihn kostete, diese Frage zu stellen und sofort setzte sich der Gedanke der Schuldgefühle in meinem Kopf fest, dass es mir leid tat, dass er so etwas nun mit mir besprechen musste.

Ich schleppte so viel Ballast mit mir herum.

"Nein... was heißt gezwungen?", ich schnaubte mit einem bitteren Lachen auf. Dann erklärte ich ihm, wie es für mich war. Dass ich nicht nein gesagt hatte, weil ich das Gefühl hatte, es wäre das letzte, zu dem ich gut war. Das einzige, bei dem er nicht sauer auf mich wurde. Er hatte mir nie dabei absichtlich weh getan oder nicht auf mich geachtet, aber ich hatte mir oft währenddessen gewünscht, woanders zu sein.

"Darf ich dich in den Arm nehmen?", fragte Saint nach einer Weile. Er kommentierte nicht, was ich ihm erzählt hatte. Ich nickte und er zog mich an sich.

"Danke, dass du mir das gesagt hast", flüsterte er mir zu.

"Tut mir Leid... das ist alles so viel und so belastend, ich...", wieder stiegen mir Tränen in die Augen. Dieses Mal wischte Saint sie weg.

"Hör mir zu", begann er und lenkte mein Gesicht vorsichtig in seine Richtung. "Jeder hat sein Päckchen zu tragen, Lou. Das, was du mir erzählt hast, ist nicht deine schuld"

Ich nickte schwach.

"Ich werde dir niemals weh tun", Saint sah mich eindringlich an, "und ich werde dich niemals zu etwas zwingen. Niemals"

Wieder nickte ich schwach. Ich vertraute Saint bereits, aber dass er meine schlimmsten Geheimnisse nun wusste und so reagierte, fühlte sich befreiend an.

Ich kuschelte mich erneut in seinen Arm und wir lagen eine halbe Ewigkeit zusammen, bis ich die Stille brach.

"Ich hatte Angst es dir zu sagen", gestand ich. "Warum?", fragte er leise.

"Weil ich dachte, du könntest mich dann mit anderen Augen sehen"

Irritiert musterte Saint mich. "Wieso sollte ich dich denn plötzlich anders sehen?"

"Keine Ahnung", gestand ich erschöpft. "Irgendwie kaputt vielleicht"

Er schnaubte. "Das sind wir alle, Darling"

Secrets of Barcelona l Dark RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt