Kapitel 25

504 37 23
                                    

( L o u i s a )

Vor unserem ersten großen Ereignis in der Bar, sprach Saint das an, was mich bereits seit Tagen beschäftigte.

Ich wusste nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte, wenn andere dabei waren. Wir befanden uns in einer intensiven Kennenlernphase, die ganz anders ablief, als ich es je von anderen gehört und selbst erlebt hatte.

Er sagte mir, dass er uns nicht vor den anderen verstecken möchte, ließ mir jedoch die finale Entscheidung. Viele der in der Bar arbeitenden waren sowieso Freunde von ihm, würden sich eher freuen als mit einer gewissen Skepsis auf uns schauen.

Doch die anderen könnten ein falsches Bild von mir und von uns bekommen. Besonders weil ich doch gerade erst aus einer Beziehung kam.

Nach langem überlegen kam ich zu dem Entschluss, dass Saint recht hatte. Ich wollte kein falsches Spiel spielen, das wäre ein so unschöner Beginn einer so schönen Sache.

Ich bat ihn darum, es vor den anderen ruhig angehen zu lassen, wir mussten ja nicht direkt vor allen rummachen und er gab mir sein Versprechen, ohne meine Bitte böse aufzunehmen.

Die Feier für die Studenten, die überwiegend ihren Sommer hier verbrachten und nicht nach Hause fuhren, war ein voller Erfolg.

Javier hatte kleine aufblasbare Pools um die Terrasse herum aufstellt und die Stühle drum herum aufgebaut. Von der Dachterrasse aus spielte ein DJ und Saint und ich hatten uns die Aktion ausgedacht, dass Studenten für einen Cocktail abstimmen durften, der die Semesterferien über für sie günstiger sein würde.

Ich machte Fotos von allen, hatte zuvor lustige Brillen und andere Accessoires auf den Tischen verteilt. Danach war es bloß eine Frage der Zeit und des Alkohols gewesen, bis sie zum Einsatz kamen.

Gegen Mittag ging ich in die Bar rein, um mir etwas zu trinken zu holen. Saint stand hinter der Theke und half Polo und Javier, die alle Hände voll zu tun hatten.

Ich schlich an ihnen vorbei, wollte ihnen nicht im Weg stehen oder ihnen zusätzliche Arbeit bereiten. In dem Kühlschrank fand ich eine Cola Zero, die ich mir mit Eiswürfeln und einer Zitrone in einem Glas zubereitete, als plötzlich eine Hand von hinten um meine Taille fasste.

Saints warmer Atem kitzelte an meinem Ohr. „Achte bitte darauf, genug zu trinken"

Ich legte meine Hand auf seine, die Hitze brannte sich durch den Stoff meines grünen Kleides. „Okay", nickte ich leise.

Saint begann zu schmunzeln, seine Lippen kamen näher. „Braves Mädchen", murmelte er und ich riss meine Augen auf. Die Hitze breitete sich schlagartig in meinem ganzen Körper aus.

Bevor ich reagieren konnte, ging er seelenruhig seiner Arbeit nach, als hätten die letzten zwanzig Sekunden nicht stattgefunden.

Er sah mich an mit einem Blick, der mir vermutlich sagen sollte: Wir lassen es doch ruhig angehen, Louisa.

Das war seine Form von Rache, ich war mir sicher.

_______________________________

(S a i n t )

Verschwitzt von der Nacht und mit leichten Kopfschmerzen lief er von seinem Schlafzimmer in die Küche.

Er hatte ganz vergessen, wie lange und ausgiebig Studenten feiern konnten. Als Chef musste er bis zum bitteren Ende bleiben - also bis vor drei Stunden.

Da er gleich einen Call mit Silas und ihren Vermögensberatern hatte, konnte er leider nicht einfach im Bett liegen bleiben.

Das Geld, welches sie so dringend nach Panama transferieren wollten, war mittlerweile nichts mehr als eine Last für ihn.

Er musste sich oft selbst daran erinnern, dass er mehr als hart dafür gearbeitet hatte - und das sogar in seiner Kindheit. Es wäre falsch, das einfach so aufzugeben, aber er verdiente mit seinen neuen Geschäften so viel Geld, dass er seinen Standard auch so beibehalten könnte.

Außerdem hatte er bereits einen großen Teil an Organisationen für Waisenkinder, gegen Menschenhandel und an Frauenhäuser und Tierheime gespendet - alles anonym natürlich. Irgendwann hatte Silas ihm verboten, noch mehr zu spenden.

Es war für ihn ein schwacher Trost, das Geld für etwas zu spenden, das gegen Menschen wie Juri arbeitete.

Die Sonne strahlte bereits über Barcelona und Saint genoss seinen Kaffee auf seiner Terrasse, die früh am Morgen noch im Schatten lag. Er könnte niemals genug von diesem Ausblick bekommen.

Statt laufen zu gehen, entschied er sich heute dafür, ein paar Runden in seinem Pool zu ziehen. Er stellte die Strömung an, die elektrisch generiert wurde und gegen die er anschwimmen musste, um die Schwierigkeit zu erhöhen.

Während er sich durch das Wasser kämpfte, konnte er alles vergessen. Das waren die seltenen Momente, in denen er nicht nachdenken brauchte, in der alle Energie durch seinen Körper und nicht durch sein Gehirn floss.

Danach fühlte er sich befreiter, wie auf Wolken - es war ein ähnliches Gefühl wie das, welches er früher gehabt hatte, als er den Tag über dauerhaft gekifft hatte. Es kam nur leider nicht vollständig heran.

Nach dem Training gab es einen Proteinshake mit gefrorenen Früchten. Währenddessen schrieb er Louisa, die ihm ein Foto geschickt hatte. Auf dem Bild waren er und sie mit zwei dieser bescheuerten Brillen, die sie zuvor verteilt hatte.

Es war ihr erstes gemeinsames Bild und er schaut es sich länger an, als er es zugeben würde.

Louisa.

Er hoffte sie hatte nicht bemerkt, wie er ein kleines bisschen gegen die „wir lassen es langsam angehen" Sache verstoßen hatte, als ihre Kommilitonen inklusive Joshua die Bar betreten hatten.

Saint konnte nicht anders, als ihr extra über den Rücken zu streicheln und ihr nicht ganz so heimlich einen Kuss auf die Wange zu geben, während er sie eng an sich heranzog... und Joshua dabei vielleicht in die Augen gesehen hatte.

Auch wenn sie ihn dafür hielt, hatte er nie behauptet, ein Gentleman zu sein.

Nachdem sie ihm alles von ihrer Beziehung erzählt hatte, waren sie noch näher, noch vertrauter miteinander.

An dem Abend hatte er ihr auch einen Teil seiner Vergangenheit offenbart. Etwas, über das er bisher nur selten gesprochen hatte, war es nur die Spitze des Eisbergs: Seine Eltern waren vor ein paar Jahren in einem Autounfall gestorben. Die ganze Sache war so merkwürdig, dass er sich sicher war, es steckte jemand dahinter.

Silas hatte alles versucht, jeden Kontakt genutzt und jeden Stein umgedreht, doch selbst ein De Clare stieß manchmal an seine Grenzen.

Saint hatte sich damit abgefunden, dass er es vermutlich niemals herausfinden würde, schließlich würde es seine Eltern sowieso nicht mehr lebendig machen.

Doch auch wenn er ihr sein sensibelstes Ereignis anvertraut hatte, war es das einfachste, das menschlichste gewesen. Etwas, wodurch sie ihn nicht in Frage stellen würde.

Saint machte sich auf den Weg zu seinem Arbeitszimmer. Das Gespräch mit den Beratern war nicht das, was ihn nervös werden ließ. Das Gespräch danach, welches er mit Silas führen wollte, war viel größer für ihn.

Er würde seinen besten Freund einweihen, auch wenn er sicher war, dass er bereits von Louisa gehört hatte. Er kannte sicher nicht die ganze Geschichte und Saint könnte einen guten Rat von jemandem gebrauchen, der ein ähnliches Päckchen mit sich herumtrug, wie er.

Außerdem musste er seinen Freunden klar machen, dass sie sich Lou gegenüber ein wenig zurückhalten sollten. Keine Geschichten über Juri, nichts über Straßenkämpfe oder sonstiges...

Shit, nicht einmal die einfachsten Geschichten aus der Schulzeit... hatte er denn nicht einmal einen einzigen Tag wie ein normaler Teenager verbracht?

Und dann war da noch die Sache mit Melody...

Secrets of Barcelona l Dark RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt