Feuer und Schnee

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Feuer und Schnee

„Wacht auf, sofort!“

Mina fuhr in ihrem Bett hoch. Galeon kam ins Zimmer gestürzt. Sie warf einen Blick aus dem Fenster und erschrak. Es war, als wären ihre Befürchtungen in die Wirklichkeit übergegangen.
Flammen loderten aus einer Häuserreihe zwei Straßen weiter empor, aus den Straßen drangen Schreie.

„Die Farakehner sind in der Stadt!“, rief Galeon und zog Berion aus dem Bett. „Ihr müsst fliehen.“
Er schob die beiden zur Tür. Erschrocken schaute Mina Berion an. Seine Gesichtszüge wirkten ungewohnt entschlossen. Galeon drängte sie die lange Holztreppe hinab. Erst im Flur hielt er inne.
Rufe erklangen vor der Haustür. Erschrocken fuhr Mina herum.

„Schnell!“, Galeon zog die beiden in ein anderes Zimmer, weg von der Tür.
Sie waren in einer geräumigen Küche angelangt. Galeon eilte zu einem Schrank und holte zwei dicke Mäntel hervor. Er gab Mina und Berion je einen. Dann drückte er den beiden ein Bündel in die Hand. Es war, als hätte er bereits alles für eine überstürzte Flucht vorbereitet.

„Ihr müsst fliehen hört ihr?“, der Lärm vor der Eingangstür wurde lauter. „Ihr müsst zur Südmauer laufen, klettert über sie drüber. Es ist wichtig, dass ihr nach Süden lauft, ja? Wenn ihr aus der Stadt seid lauft weiter. Kommt nicht zurück. Auf gar keinen Fall! Teilt euch das Essen ein.“
Die Eingangstür barst mit einem hässlichen Krachen.

„Schnell!“, Galeon rannte zum gegenüberliegenden Fenster und schlug es ein.
Die Ausgestoßenen kamen ins Zimmer gelaufen, ihre Augen richteten sich erst auf Galeon, dann auf die beiden Kinder.

„Lauft!“, rief Galeon.
Dann ergriff er eine Scherbe des Küchenfensters und griff die Ausgestoßenen an. Mina nutzte die Überraschung der Verstoßenen und zerrte Berion zum Fenster. Beim hindurch springen schnitt Mina sich an den Glassplittern doch sie rannte los, sobald sie die Straße unter sich spürte. Berion war knapp hinter ihr. Sie liefen die Hauptstraße Richtung Südmauer entlang. Einmal mussten sie einen Umweg nehmen, weil die Flammen sie schon bis zur Schneidergasse vorgearbeitet hatten.

„Die ganze Stadt wird verbrennen!“, keuchte Berion entsetzt hinter ihr. Sein Gesicht war vor Entsetzen verzehrt und unglaublich blass. Das Feuer spiegelte sich in seinen grauen Augen.

„Und wir mit ihr, wenn wir nicht schneller laufen!“ Sie packte seine Hand und zog ihn weiter.
Es schneite. Dicke Flocken fielen um sie herum vom Himmel und sie mussten sich anstrengen, um überhaupt klar sehen zu können. In kürzester Zeit waren sie bis auf die Haut durchnässt.
Die Südmauer ragte vor ihnen herauf. Erleichtert sprintete Mina auf sie zu, Berion hinter sich.

„Schnell, ich helfe dir hoch“, rief Berion.

Sie stützte sich auf seine Schulter und zog sich dann an der Mauer hoch und setzte sich auf den Mauerrand. Berion gab ihr das Bündel und sie warf es auf die andere Seite.
Plötzlich ertönten Schreie hinter ihnen, man hatte sie bemerkt. Erschrocken hielt Mina Berion ihre Hand ihn. Er umfasste sie. Ausgestoßene kamen auf sie zu gelaufen. Sie zog ihn hoch.
Die Ausgestoßenen hatten sie erreicht. Einer umfasste Berions Fußknöchel und zog ihn herunter. Ein anderer wollte gerade Mina packen, als ein ohrenbetäubender Knall hinter ihnen erschallte. Die Ausgestoßenen fuhren herum, auch Mina wandte den Kopf.

Das Feuer hatte die Waffenkammer erreicht, in der man die übrigen Ysakani aufbewahrt hatte. Der Wind verbreitete das Feuer nun noch schneller. Er wehte Schreie zu ihr hinauf.

Ein heißer, besonders starker Windstoß traf sie. Sie verlor das Gleichgewicht, fiel von der Mauer und landete unsanft neben dem Bündel in ein paar stachligen Büschen. Sie schrie nach Berion und Schreie erklangen auch jenseits der Mauer, sie hörte wie Berion ihr zurief, sie solle laufen.

„Da ist einer entwischt!“, erklang es vom Südtor.

Erschrocken rappelte sie sich auf, schnappte das Bündel und rannte los. Immer weiter in Richtung Süden. Die Schreie hinter ihr verklangen. Sie hetzte eine Anhöhe hinauf. Dann konnte sie nicht mehr. Sie blickte von einem Felsvorsprung aus nach unten. Da lag Septim lichterloh brennend. Erst jetzt wurde ihr das Ausmaß dieses Übels klar. Tränen rannen ihr übers Gesicht. Sie wandte den Kopf ab. Wären sie und Berion nur ein wenig schneller gewesen.

Da hörte sie schon wieder Rufe hinter sich. Sie blickte zum Fuß des Berges, auf dem sie stand und erschrak. Da eilten zwei Ausgestoßene auf ihr Versteck zu.

Sie drehte sich um und rannte wie von Sinnen. Sie ließ den Berg hinter sich und lief weiter nach Süden. Das waren Galeons Worte gewesen. Sie hörte ihre Verfolger nicht mehr und seufzte. Kurz überfiel sie Erleichterung. Doch dann wurde ihr klar, in welcher Lage sie war. Sie wusste nicht, wo sie war. Sie konnte nicht nach Septim zurück. Sie ging neben einem riesigen Findling in die Hocke. In dieser Nacht würde sie keinen Weg finden, das war ihr klar. Also deckte sie sich mit ihrem Mantel zu und wartete auf den Tag. Das leise Rauschen des Windes und ihre sowieso müden Glieder ließen sie bald in den Schlaf hinüber sinken und dort wurde sie von der altbekannten Unruhe empfangen.

DrachenmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt