Weyena, die Quelle der Macht

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Als ich am nächsten Morgen erwachte, stand die Sonne schon hoch am Himmel. Ich ging verschlafen zum Fenster und zog die dunkelgrünen Vorhänge auf.

Der Ausblick war atemberaubend. Man konnte unglaublich weit schauen, die flache Ebene zierten Kornfelder und wilde Wiesen und zwischen ihnen schlängelte sich die breite Straße. Schon jetzt tummelten sich auf der Straße die Menschenmassen. Händler, Bauern und Edelmänner. Ich beobachtete den Straßenverlauf bis zum Horizont... wo die Straße in einer Berggruppe verschwand. Das Kesselgebirge indessen Mitte Weyena lag. Unsere Reise würde nur noch ein, zwei Tage dauern. Aufgeregt griff ich nach meinem Kleid und zog es mir eilig über den Kopf. Nur noch zwei Tage...

Unten im Gastraum warteten Tukiyan, Karthek und Rubeen bereits auf mich. Auch Mila und Resa saßen schon an einem der Tische und aßen. Grinsend beobachtete ich die Schwestern, wie sie verschlafen dasaßen. Dann setzte ich mich zu meinen Freunden an den Nachbartisch. Karthek schob mir Brot und Käse zu.

Gesan trat zu uns an den Tisch. „Werdet ihr heute abreisen?“, fragte er. Er lächelte, aber ich wusste, dass hinter diesem Lächeln keine Freude steckte. Ich nickte betreten. „Ja, wir müssen erst einmal sehen, wo wir in Weyena bleiben... aber wer weiß, vielleicht finden wir auf dem Rückweg noch einmal die Zeit euch zu besuchen.“

Tukiyan warf mir einen skeptischen Blick zu, doch ich ignorierte ihn. Gesan nickte, dann wandte er sich seinen Töchtern zu. Er glaubte mir nicht. Aber ich würde es ihm schon beweisen...

Nach dem Essen verabschiedeten wir uns von unseren Gastgebern und die Aufregung gewann mich zurück. Noch zwei Tage bis Weyena.

Als ich an diesem Morgen aufgewacht war, war das erste, was ich sah, die riesige Berggruppe die wenige Meter von uns entfernt in den Himmel aufragte. Das Kesselgebirge. Die Berge waren von dichtem Wald bedeckt und in der Nacht hat man hin und wieder seltsame Laute gehört. Wahrscheinlich lebten zwischen den hohen, dunklen Bäumen etliche Tiere, von denen ich noch nie gehört hatte.

Jetzt war es schon beinahe mittags. Wir waren der Straße weiter nach Westen gefolgt. Sie führte direkt am Fuß des Gebirges entlang bis zu den vier Toren. Unser Ziel war das Kena-Tor, dass im Süd-Osten der Stadt lag. Aufgeregt beschleunigte ich meine Schritte. Ich spürte die Macht Weyenas förmlich, auch wenn ich die Stadt noch nicht einmal sah.

Wir liefen an zwei Häusern aus hellem Stein vorbei. In ihnen saßen bewaffnete Männer und beobachteten das Geschehen. Sie trugen Rüstungen aus hellem Metall, auf deren Brustplatten ein Wappen prangte. Ein Gebäude mit hohen Türmen und einem Kuppeldach über dem die sieben Gestirne standen. Die zwei Monde für Vizia und Jeorelan, die vier Sonnen für Utrias, Kavanirizia, Lavirzinia und Kosk. Das Wappen von Weyena.

Kurz hinter dem zweiten Wachhaus bog die Straße überraschend nach links ab und führte in einen Durchgang zwischen den Felsen. Zu beiden Seiten ragten riesige Steinwände in die Höhe. In den Fels waren hin und wieder Fenster gehauen, aus denen bewaffnete Wachen spähten. Wahrscheinlich war das ganze Gebirge von geheimen Wehrgängen durchzogen. Ich trat ein Stück näher zu Karthek, dieser legte den Arm um mich.

Der Weg wurde immer voller. Vor uns beruhigte ein Bauer das Pferd, das seinen Karren zog. Neben uns standen ein paar kleine Kinder in dreckiger Kleidung. Zeitweise kamen wir gar nicht vorwärts. Doch der nächste Anblick war das lange Warten Wert gewesen. Ein Tor aus weißem Stein überspannte die Straße. Es war riesig, so riesig, dass selbst ein Drache mühelos hindurch gehen könnte. Oben auf dem Tor patrouillierten ebenfalls Wachen. Die Torflügel standen weit offen. Sie waren ebenfalls aus hellem Stein gefertigt und mit silbernen Ornamenten verziert.

Hinter dem Tor begann ein Weg aus hellgrauem Stein. Alle zehn Meter war ein silbernes Wappen in den Weg eingelassen. Das erste zeigte einen Speer, der mit flatternden Bändern geschmückt war; das Zeichen der Menschen. Es folgten ein majestätischer Adler für die Uklenry, ein schlichter Wassertropfen für die Waleen, eine grazile Blüte für die Waldelfen, eine lodernde Flamme für die Feuerelfen und ein verzierter Kreis, der das Zeichen der Magier war. Nun war Weyena schon zu erahnen und wir erreichten das letzte Wappen. Ich erkannte das Zeichen sofort. Ein zierlicher Baum mit einigen wenigen Blättern. Der heilige Baum in Inur-Entora. Ein warmes Kribbeln erfüllte mich, als ich auf das Wappen trat. Karthek hielt kurz inne, dann lächelte er. Auch er spürte die Anwesenheit der Götter in dieser Stadt. Dann traten wir durch ein Tor aus silbernem Metall in die Stadt. Und zum zweiten mal blieb mir die Luft vor Staunen weg. Wir standen am Rande einer Stadt, die auf ihre ganz eigene Art überirdisch aussah. Alles, die Häuser, die Straßen und Brücken waren aus weißem, hellgrauem oder hellbraunem Stein. Viele der Häuser waren so hoch wie die Häuser in Juneii und viele Dächer glänzten und glitzerten im Sonnenlicht silbern. Mitten im Häusermeer ragte ein Gebäude auf. Es schien auf einer kleinen Anhöhe zu stehen und überragte alles. Es war aus grauem Stein gebaut, mehrere Türme ragten um das Gebäude herum auf und ein riesiges Kuppeldach spannte sich über den Hauptbau. Es war das Gebäude, das das Wappen von Weyena zierte.

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