Ein Fest der Lieder

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Mina:

Mir war langweilig. Seit dem Vorfall mit dem Neskevou lies Tukiyan mich nicht mehr aus der kleinen, stickigen Kabine heraus. Ich hatte ihm noch sooft erklären können, dass der Neskevou uns ja gar nicht angegriffen hatte, Tukiyan blieb standhaft.
Also saß ich Stunde um Stunde auf meinem Lager und hing meinen Gedanken nach. Gedanken an Weyena und das Ratstreffen dort, Gedanken an die vor uns stehende Wanderung durch die Sumpfgebiete nördlich des großen Sees, Gedanken an die anderen Oldiin. Oldiin, schoss es mir durch den Kopf, Gotteskinder. So hatte uns der Neskevou genannt. Er gehorchte nur zwei Gotteskindern, mir und Volkum, dem Sohn der Vizia. Vizia, sie war die tote Meeresgöttin. Ich versuchte all diese Daten in meinem Kopf zusammen zu fassen, doch es gelang mir nicht. Dazu waren es zu viele Gedanken.

Es klopfte an die Tür und Karthek steckte den Kopf herein.

„Mina, komm. Die gesamte Mannschaft isst mit allen Gästen zu Abend.“

Überrascht schaute ich auf. Tukiyan erlaubte mir, bei einem Essen mit so vielen potenziellen „Attentätern“ dabei zu sein. Scheinbar konnte Karthek an meinem Gesicht genau ablesen, was ich dachte.

„Komm schon. Tukiyan und Rubeen sind schon oben und warten. Gib ihnen was zu tun. Schließlich sind wir deine Beschützer.“

„Hauptsächlich Berater.“, korrigierte ich ihn, aber ich lächelte. „Ich such nur noch schnell ein anderes Kleid.“

Er seufzte und nickte. Dann zog er sich auf den Flur zurück, während ich die wenigen Kleider aus meinem Gepäck auf meinem Lager ausbreitete. Welches war am unauffälligsten? Unauffällig musste ich sein, um jeden Preis, erst recht nach meinem kurzen Abstecher zu Meeresgrund.

Ich entschied mich für ein blaues mit schlichten weißen Säumen und flocht mein Haar zu einem langen Zopf. Überrascht stellte ich fest, wie lang meine Haare mittlerweile geworden waren. Seid ich bei den Drachen war, legte ich auf solche Details überhaupt keinen Wert mehr. Doch jetzt fragte ich mich, wie es gewesen wäre, wenn ich in Septim bei meinen Menschenfreunden geblieben wäre. Und wieder einmal fiel mir auf, wie selten ich noch an Septim und den Überfall der Ausgestoßenen dachte. Das letzte mal hatte ich in diesem Gasthaus an meine alten Freunde gedacht. Besser gesagt, nur an Berion. Ich hatte kaum einen Gedanken an Timon, Lana, Kelifa oder Foron verschwendet. Dabei war ich mit diesen jahrelang befreundet und mit Berion hatte ich mich erst am Tag des Überfalls richtig befreundet, aber trotzdem...

Es klopfte an die Tür und Karthek streckte den Kopf zur Tür hinein. „Bist du fertig.“

Das Essen war laut und ausgelassen. Es gab selbstverständlich kein Festmahl. Das Angebot an Gerichten war bescheiden und einfach gehalten, allerdings waren die Leute umso ausgelassener. Ein paar Musiker, die auf dem Weg nach Tenorley waren, spielten schnelle Melodien, von denen einige leise Sehnsüchte nach meinem alten Leben in Septim weckten. Einige der Lieder waren bei Festen gespielt worden, viele von Galeon und das Lied „An alle sieben Göttern“ konnte ich sogar problemlos mitsingen. Allerdings verstand ich zum ersten mal auch den Text den ich da sang richtig. Das Fest war ausgelassen. Bald begann man zu tanzen und bestimmte Lieder wurden gewünscht. Nach vielen vielen weiteren Liedern sollte jeder ein Lied aus seiner Heimat vorsingen. Alarmiert schaute ich zu Tukiyan hinüber, aber auch ihn schien die fröhliche Stimmung gelockert haben, er zwinkerte mir zu. Während die Menge noch fröhlich über das Lied eines alten Händlers aus den Küstenstädten lachten, beugte sich Tukiyan zu den Rubeen und Karthek hinüber und flüsterte ihnen etwas zu. Karthek hob amüsiert eine Augenbraue und Rubeen nickte begeistert.

„Nun.“, einer der Musiker erhob die Stimme. „Möchten nun vielleicht unsere mysteriösen Händler auch ein Liedchen singen? Ich denke, so wie Ihr schon herum gekommen seid, kennt ihr bestimmt einige Lieder, die uns noch gänzlich unbekannt sind.“

DrachenmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt