Geschichten

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25. Tag der Vizia,  2347. Jahr der Vereinigung

Der nächste Tag begann stürmisch. Kein gutes Wetter für ein Überfahrt, aber die Kapitän der Fähre war zuversichtlich. Sie reisten gemeinsam mit etwa 20 Menschen auf einem großen Schiff. Es hatte weder Segel noch Ruder, den der Kapitän war ein Halbwaleen, halb Mensch halb Wassermensch. Er leitete die Strömungen und Wellen nur mit seinen Gedanken.

Ihnen wurden zwei kleine Kabinen mit je zwei Betten zugeteilt. Rubeen und Tukiyan zogen sich sofort in eine der Kabinen zurück. Planung!

Mina seufzte. Komisch, dass niemand daran dachte, sie nach ihrer Meinung zu fragen. Karthek und sie standen unschlüssig in der zweiten Kabine. Sie hatte ihm von ihrer Verwandlung in einen Wassermenschen erzählt und er war begeistert.

„Irgendwann musst du das mit den Strömungen auch mal probieren. So wie der Kapitän es macht, dann brauchen wir bald keine Fähre mehr.“, Karthek lachte.

Mina verzog das Gesicht. „Noch mehr lernen? Ist das dein Ernst?“

Diese Antwort brachte ihn noch mehr zum lachen.

„Denkst du, er wird mich während der ganzen Fahrt überhaupt einmal an die frische Luft lassen?“

Er hörte auf zu lachen und sie sah ihm an, dass er mit den anderen beiden Drachen schon oft darüber geredet hatte.

„Vielleicht. Es wäre ja auch auffällig, wenn du die ganze Zeit lang hier unten wärst... Aber erst müssen wir dein Mal irgendwie verstecken.“, er strich gedankenverloren über die rosa Linien auf ihrer Wange. „Die Waleen haben große Ahnung von den Trägern der Oldiin, schließlich hören sie in ihren Orakeln und Tempeln viele geheime Prophezeiungen über euch Träger und unsere Geheimhaltung wäre umsonst, wenn einer von ihnen dein Mal erkennen würde.“

„Warum müssen wir mich eigentlich geheim halten?“ - „Oh, Meladon hatte Angst vor Angriffen durch Magier und vor Gaffern, die unsere Reise gefährden oder verzögern könnten.“

Sie schwiegen beide und Mina warf einen Blick auf Kartheks Menschengestalt. Er sah müde und geschafft aus, wahrscheinlich hatte er Heimweh und war mit seinem kleinen schwachen Menschenkörper mehr als unzufrieden. Dabei war er hübsch für einen Menschen. Groß und schön wie ein junger Herrscher sah er aus und seine grauen Augen könnten wahrscheinlich viele Frauen verführen. Er müsste bloß diese Trauermiene verschwinden lassen. Also versuchte sie ihn abzulenken.

„Erzähl mir von den Göttern.“, bat sie ihn kurz heraus. „Erzähl mir alles was du darüber weißt, damit ich in Weyena nicht wie ein nichts wissender Dummkopf dastehe.“

Er lächelte wieder, aber seine Augen blieben traurig.

„Einverstanden, dann werde ich jetzt den Lehrer spielen.“, er überlegte kurz und lehnte sich gegen eine Wand, dann begann er mit gekünstelter Erzählerstimme: „Die Welt, in der wir uns befinden, ist nur ein Teil eines unendlichen Gebildes das die Drachen erkasym mortaei nennen. Man sagt, das erkasym mortaei ist eine Welt wie unsere, bloß um ein vielfaches größer. Und jene, die noch größer denken, sagen das erkasym mortaei sei ebenfalls nur Teil einer noch größeren Welt. Fakt ist jedoch, dass das erkasym der Ort ist, an dem die Götter entstanden sind. Man erzählt sich von einem Urvater, der die Götterväter Linuir und Sojef, sowie die Göttermutter Fezia schuf. Das erkasym mortaei soll so unendlich gewesen sein, dass diese Götter keine Partner oder Gleichgesinnte fanden. Also schuf Linuir aus sich selbst 3 Söhne und Fezia aus sich 3 Töchter. Linuirs Kinder wurden Beorel, Gott der Magier, Jeorelan, Gott der Drachen und Utrias, der Gott der Menschen. Fezia schuf Kavanirizia und Lavirzinia, und die eigenartige Vizia. Später wurde Kavanirizia die Göttin der Feuerelfen und Lavirzinia die Göttin der Waldelfen. Vizia, die Wassergöttin schrieb jedoch ein weit tragischere Geschichte, doch um diese von Anfang an zu erzählen, muss man zuerst vom Göttervater Sojef erzählen. Dieser war ungestümer als seine Geschwister und erfinderisch. Er sah die Kinder seiner Geschwister und sah die Liebe, die sie füreinander entwickelten. Er wollte selbst Liebe erleben und seine Kinder wachsen sehen, also schuf er sie nicht aus seinem eigen Körper sondern suchte nach einer anderen Möglichkeit. Und er fand sie: Er schaffte es, aus einem Teil des erkasym mortaei ein Mädchen zu formen, Lesyl. Er lernte die Liebe kennen, denn er liebte sie und sie schenkte ihm einen Sohn, Kosk. Doch Lesyl war nicht stark genug, ihre Schöpfung war fehlerhaft gewesen und sie starb viel zu früh. Sojef, der die Liebe zuerst so begehrt hatte, verabscheute sie nun von ganzem Herzen. Und er nahm seinem Sohn die Liebe, damit er diesen Schmerz niemals fühlen muss. Dann verschwand er und die großen Denker sagen, er verschwand aus erkasym in die noch größere Welt dahinter. Kosk jedoch blieb zurück, unfähig Liebe zu empfinden, aber durchaus fähig, Trauer darüber zu fühlen. Er stieß zu den anderen Göttern und gemeinsam schufen sie unsere Welt und jeder Gott sein eigenes Volk. Lavirzinia und Kavanirizia schufen gemeinsam ein Elfenvolk, waren sich jedoch in einem Punkt uneinig. Jeder Gott durfte, so hatten die großen 7 es festgelegt, seinem Volk eine bestimmte Menge Macht zuteil werden lassen. Kavanirizia wollte dem Elfenvolk die Macht über das Feuer schenken, während Lavirzinia auf die Macht der Natur bestand. So trennten sie sich und aus einem Volk wurden zwei, die einander sehr ähnlich waren.

Beorel schuf ein Volk, das die Macht, mit der auch die Götter hantierten, bis zu einem gewissen Maß kontrollieren und lenken konnte. Er schu die Magier. Um sich an die Regel zu halten, schuf er nur sehr wenige, diesen schenkte er jedoch die Fähigkeit, diese Machtkontrolle einem anderen Wesen zu schenken. Er wusste, dass sein Volk so zu großem Ansehen kommen würde.

Jeorelan wollte Beorel übertrumpfen und schuf Wesen, die beinahe unbesiegbar waren und die Jahrtausende überdauern konnten. Er schuf noch weniger Drachen, als Beorel Magier schuf, doch ihm ging es nie groß um die Völker der anderen. Was für ihn zählte, war das Wesen seiner Drachen. Utrias jedoch wird von vielen Unwissenden der dümmste Gott und von einigen Weisen der genialste Gott genannt. Er erschuf ein Volk, dass weder irgendeine absonderliche Fähigkeit, noch besondere Größe oder Stärke besaß. Er schuf Menschen und davon viele. In Weyena, der Menschenhauptstadt staeht ihm zu Ehren ein Denkmal und dort steht in Stein gemeißelt: Wer als Mensch alle Pfade gegangen ist, der sieht die große Macht der Menschheit. Die Bedeutung dieser Worte erfassen nur sehr wenige.

Doch nun zu der tragischen Geschichte um die Vizia und Kosk, den lieblosen. Man sagt Vizia soll neben den Waleen, den Wassermenschen auch Fische und andere Wasserwesen geschaffen haben, jedoch diente sie ihrem Volk nicht lange. Sie war fasziniert von Kosk und begann ihn zu lieben. Doch durch den Willen seines Vaters blieb es Kosk verwehrt Vizia zu lieben, auch wenn er sie schätzte und ihr vertraute. Und so offenbarte er den anderen Göttern seine fehlende Liebe und Vizia bat er um Verzeihung, denn er wollte sie so gerne lieben, aber es würde nie möglich sein. Vizia jedoch zerbrachen diese Worte das Herz und sie sank nieder in unsere Welt. Sie wurde von ihrem Volk, den Waleen gefunden und erzählten ihnen über die Götterwelt und über Kosk. Die Waleen waren wütend auf Kosk und wollten Rache auf welche Weise auch immer, aber Vizia hielt sie zurück. Ihre letzten Worte sollen gewesen sein: Verzeiht ihm, denn ihn trifft keine Schuld, denn er ist reinen Herzens und er würde mich lieben, wenn er denn könnte. Damit verschwamm ihr Körper und verschwand im Nordmeer, nur ein Schemen, ein beinahe durchsichtiger Geist schwebte zurück zu den anderen Göttern.

Kosk schuf kurz danach sein Volk, die Uklenry, die Wildermenschen. Er schenkte jedem von ihnen einen Tierboten und unendlich große Liebe und Freundlichkeit.

Durch Vizias Erzählungen hatten die Waleen, die Wassermenschen ein großes Wissen über die Götter erlangt und bald errichteten sie Orakel in ihren Unterwasser-Städten. Man sagt, dies sind die einzigen Stätten, an denen man wirklich Kontakt mit den Göttern hat, denn der Geist der Vizia trägt die Worte der Götter zu den Orakeln und Tempeln und die Worte, die in diesen Einrichtungen gesprochen werden, zu den Göttern.“, er verstummte. „Reicht das für den Anfang?“

„Weißt du noch was über die Oldiin?“ - „Welcher interessiert dich denn?“

Mina überlegte. „Vielleicht Eramon, wenn ich mich nicht irre, ist er der älteste Oldiin.“

„Also Eramon, der 1. Oldiin. Im Jahr 1731 nein 1732 der Vereinigung verkündete das große Orakel in Nial die Geburt von Gotteskindern, die als Boten zwischen den Völkern funktionieren und als Vertreter ihres Volkes gelten sollten. Man wartete Jahre lang auf die Oldiin, doch als selbst 60 Jahre später kein Oldiin gekommen war, geriet die Prophezeiung in Vergessenheit und nur noch in den großen Tempeln der Waleen wartete man geduldig auf die Gotteskinder. Im Jahr 1800 der Vereinigung wurde ein Waldelf geboren. Er lebte in einem kleinen Dorf in der Nähe von Jantree mitten im alten Wald. Er war sehr ehrgeizig und so kam es, dass er mit 14 Jahren dort stand, wo andere erst nach mehreren Jahrzehnten standen. Er reiste mit dem Stadtherren von Jantree nach Weyena zum großen Ratstreffen. Dieser junge Elf hieß Eramon Silberblatt. Als er in Weyena jedoch am Denkmal des Gottes Utrias vorbei ging, geschah etwas seltsames. Die Elfengemeinschaft kniete vor dem Denkmal nieder und da verlor Eramon plötzlich das Bewusstsein. Als er kurze Zeit später wieder zu sich kam, befand sich ein Mal an seiner linken Schläfe. Es stellte einen Adler dar und genau dieser Adler ziert auch jede Menschenflagge, denn er war schon immer das Zeichen von Utrias. Keiner wusste ein Erkärung für dieses Phänomen Da drängte sich ein alter Waleen durch die Menge, die den Jungen Elfen mittlerweile umgab, packte ihn beim Kinn und besah sich das seltsame Mal. Dann wiederholte er die Prophezeiung, die vor mehr als 80 Jahren ausgesprochen worden war und offenbarte so Eramon Silberblatt seine wahre Identität als Sohn des Gottes Utrias. Von diesem Tag an lebte Eramon als Mensch in Weyena, liebte Frauen, bekam Kinder und überdauerte diese.

In den folgenden Jahrzehnten fand er viel über die Kräfte der Oldiin heraus.“, er stoppte, als die Tür auf ging und Rubeen den Raum betrat.

„Das solltest du dir ansehen!“

DrachenmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt