Drachen!

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Drachen!

16.Tag der Vizia

 Mina erwachte von einem unvertrauten Vogelschrei. Erschrocken fuhr sie hoch. Sie brauchte einige Sekunden um sich zu sammeln. Sie hockte hinter einem alten, kahlen Baum. Einer der wenigen, die sie bis jetzt hier gesehen hatte. Sie setzte sich etwas bequemer hin, sobald sie wusste, dass von dem Vogel keine Gefahr ausging. Sie stöhnte leise auf. Ihre Glieder schmerzten vor Kälte und ihr Bauch rumorte unheilvoll. Sie zog Galeons Bündel hervor und biss vorsichtig von einem Stück hartem Brot ab. Sie wusste nicht, wie lang sie noch wandern würde und ob es überhaupt einen Sinn hatte, doch hatte sie sich ihre Verpflegung in den letzten zwei Tagen immer gut eingeteilt. Sie seufzte. Der Himmel war seit dem gestrigen Tag immer so wolkenbedeckt gewesen. Sie brauchte kein alter Bauer oder Viehhirte zu sein, um diese Vorzeichen zu deuten. Ein Unwetter würde heraufkommen. Und sie wusste, nicht wo sie sich dann befinden würde. Sie dachte über die vergangenen Tage nach. Über den Angriff der Verstoßenen. Timon und Berion, Foron und Kelifa, alle ihre Freunde waren wahrscheinlich noch in Septim. Lebendig ... oder tot. Ein Stich der Schuld durchzuckte sie. Vielleicht hätte sie ihr Freunde retten können. So unwahrscheinlich es auch war, vielleicht hätte sie etwas gegen die Ausgestoßenen ausrichten können. Nein, das hätte sie nicht. Entschlossen schob sie ihre Zweifel beiseite. Und selbst wenn, sie richtete sie auf, nun war es zu spät. Sie hatte längst die Orientierung verloren. Sie verschloss das Bündel wieder gewissenhaft. Dann schlang sie den Mantel enger um ihre kalten Glieder und lief weiter.

Es regnete, als würden die Götter allesamt weinen. Mina war müde und sie war durchnässt. Sie hatte ihre Kapuze über den Kopf gezogen und stolperte weiter. In den letzten Tagen hatte sie ihre Vorräte beinahe aufgebraucht. Sie hielt inne und schaute sich um. Sie war bereits zu dem Schluss gekommen, dass sie sich nun wohl endgültig in Area, dem Land der Drachen, befand. Die Landschaft hatte nichts mehr mit den sanften Hügeln Kareens gemein. Sie schluckte bei dem Gedanken an die Drachen. Man erzählt sie viel über die geschuppten Riesen. Groß wie Berge sollten sie sein. Gefährlich und grob. Ihre Stimmen sollten grollen wie das Echo von Felslawinen und ihr Feueratem sollte heißer sein als jedes Schmiedefeuer. Man erzählte sich von grausamen Kriegen, die sie mit den Magiern ausgefochten hatten. Man hörte von ihrer Streitlust und ihrer zerstörerischen Kraft. Sie wusste nicht warum Galeon sie in die Richtung geschickt hatte, doch hatte sie nun überhaupt noch eine andere Chance?

Plötzlich fiel ihr auf, dass die Landschaft sich noch in einem weiteren Punkt verändert hatte. Die Erde schien wie platt gewalzt, das Gras war an vielen Stellen zerdrückt. Namenlose Angst durchfuhr Mina wie ein Blitz. Hier waren Drachen gewesen. Sie blickte sich hektisch um. In Regen und Nebel konnte sie in der Ferne einen kleinen Hügel sehen. Und auf ihm stand jemand - oder etwas. Sie konnte gerade noch einen Schrei unterdrücken, als sie die grün schimmernden Schuppen eines Drachen ausmachen konnte. Sie stolperte rückwärts in den Nebel, sie wusste nicht wohin, bloß weg. Immer schneller stolperte sie, rutschte auf dem gefrorenen Boden aus, verlor den Halt und stieß gegen einen riesigen Stein. Nein, nicht nur einer, da war ein ganzer Haufen von Steinen. Sie wollte gerade an ihm vorbei laufen, da entdeckte sie eine breite Felsspalte zwischen den Steinbrocken. Kurz entschlossen schob sie sich hinein, bis es zu eng wurde. Hier drinnen war es angenehm trocken, auch wenn sie immer noch fror. Die Steine spiegelten und glänzten seltsam. Selbst in dem trüben Licht, das hier drinnen herrschte, konnte sie ihr eigenes, verängstigtes Gesicht erkennen. Zitternd wartete sie.

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