Freund

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sooo, nach langer Urlaubspause kommt nun endlich das nächste Kapitel. Ich hoffe, es gefällt euch :)

LG. magicstarlight

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Freund

Ich könnte nicht erklären, was es braucht, damit eine Freundschaft entsteht. Noch weniger könnte ich erklären, wie eine Freundschaft zwischen verfeindeten Völkern entsteht. 'Eine Freundschaft zwischen Magiern und Drachen ist etwas völlig unnatürliches!', das würde mir jedes kleine Drachenkind erzählen - und doch. Vielleicht liegt es bei mir daran, dass ich nie ein kleines Drachenkind gewesen bin, aber es gibt Drachen wie Avredon, die sich trotz ihrer Erziehung mit Magiern eingelassen haben. Wie gesagt, ich weiß nicht, wie so eine Freundschaft entstehen kann, ich weiß nur, dass ich und Ti-Lien von dieser Nacht an befreundet waren und das kein Drache auf der ganzen Welt das hätte ändern können.
In den nächsten Tagen war der Tagesablauf eigentlich immer gleich. Tagsüber saß ich bei unzähligen Versammlungen und lauschte lauten Diskussionen über größere und kleinere Sachverhalte. Abends rollte ich mich in der Nähe der Tür zusammen und wartete, bis die anderen eingeschlafen waren. Dann zog ich meinen Mantel über und huschte, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, auf den Marktplatz, wo sich die Magier im Licht der blauen Flammen in der Bändigung von Feuer maßen und wo Ti-Lien und ein paar seiner Freunde mich bereits erwarteten.

Auch diesen Abend rollte ich mich neben der Tür zusammen, starrte auf die dunklen Wänden und lauschte auf den Atem meiner Begleiter. Als ich mir sicher war, dass die drei Schliefen, verwandelte ich mich und stand auf. Alles war ruhig, als ich meinen Umhang überzog und die Kapuze tief ins Gesicht zog. Ich öffnete langsam die Tür und schob mich durch den schmalem Spalt hinaus auf den Korridor.
Draußen auf dem Marktplatz hob gerade ein Magier die Arme und formte einen Baum aus Feuer mehrere Meter über uns in der Luft. Ich starrte hinauf. Ich wusste nicht, was ich über die Wettkämpfe denken sollte. Ich verstand nicht, warum man sich gegenseitig übertreffen musste, um glücklich zu sein. Ti-Lien war glücklich gewesen, als er sich selbst übertroffen hatte. Die Wettkämpfe kamen mir vor wie das Wett-Klettern, welches wir in Septim veranstaltet hatten, wenn wir uns aus der Stadt geschlichen hatten. Aber das waren erwachsene, reife Magiermeister und je länger ich an das Wett-Klettern dachte, desto kindischer kam es mir vor.
Ich löste meinen Blick von der Bühne und versuchte im blauen Licht der Flammen Ti-Lien auszumachen. Ich entdeckte ihn einige Meter weiter vorne, wie er gebannt zur Bühne hinauf starrte. Scheinbar dachte er anders über diese Kämpfe, als ich. Ich trat zu ihm und stellte mich neben ihn. Er wandte kurz den Kopf zu mir und starrte dann wieder hinauf.
„Ich will da morgen auch mitmachen.“, flüsterte er leise. Er hatte die Hände ineinander verschränkt und ich sah, wie Flammen zwischen seinen Fingern züngelten. „Warum? Was ist so toll daran? Das ist doch ... Unsinn.“
Er zögerte und dann, ganz langsam den Blick unbeirrt auf die Kämpfenden gerichtet: „So kann man sich bei den Magiern beweisen. Wer so einen Kampf einmal gewinnt, der gewinnt Anerkennung in der Welt der Magier.“
„Was bringt dir Anerkennung, wenn dein Gegner die Kontrolle über die Flammen verliert und alles in Brand setzt?“ Doch er schüttelte nur den Kopf. Ich startete noch einen letzten Versuch ihn umzustimmen. „Was würde dein Meister darüber denken?“ Die Flammen zwischen seinen Fingern erloschen und er wandte endlich den Blick von der Bühne ab. „Er denkt, das ist alles nur Unsinn. Er denkt genau wie du, aber ich bin kein kleines Kind mehr. Ich weiß, was ich mir zutrauen kann.“
„Ich zweifle auch nicht an deinen Fähigkeiten sondern an denen deiner Gegner. Du hast in den letzten Tagen so viel gelernt, lass es nicht das letzte sein, das du erlernt hast.“, ein flehender Unterton hatte sich in meine Stimme geschlichen. ich machte mir Sorgen um ihn, aber das war verständlich. Schließlich war er mein Freund.
„Ich kann verstehen, wenn du nein sagst, aber - würdest du noch einmal mit mir zusammen üben? Ich will mir morgen ganz sicher sein...“
ich wünschte, ich könnte nein sagen. Ich wünschte, ich könnte ihm sagen, dass ich nur weiter mit ihm üben würde, wenn er diesen Unsinn seien ließ. Doch ich konnte nicht nein sagen und ich konnte ihn nicht enttäuschen. Also sagte ich, mich innerlich dabei verfluchend: „Also gut. Kommst du?“
Und wir verließen Seite an Seite den Marktplatz und schlängelten uns durch das Gewirr von verzweigten Straßen in den Garten von Ti-Liens Meister. Wir stellten einige Feuerfiguren zusammen, die besonders eindrucksvoll waren. Die Feuerlilie, die ich ihm bei unserer ersten Begegnung gezeigt hatte. Ein Pferd aus Flammen, das um Ti-Lien herum galoppierte. Ein Feuerball, in dessen Innerem er sich aufhalten konnte, ohne verletzt zu werden und Flammen, die wie Ranken einer exotischen Pflanze an ihm hinauf krochen und ihn einsponnen. Hin und wieder kamen von den anderen Magierkindern zustimmendes Murmeln oder ablehnendes Kopfschütteln. Mir fiel auf, dass ich keines der Kinder beim Namen kannte. Es war nie nötig gewesen, dass ich ihre Namen erfuhr.
Nach mehreren Stunden harter Arbeit verabschiedete ich mich von ihm. Den Weg zurück auf den Marktplatz kannte ich mittlerweile im Schlaf. Ich eilte durch die Straßen, bis ich den Rand des Marktplatzes erreichte. Noch immer standen dort Magier, die sich gegenseitig mit Feuerfiguren übertrumpften. Es war unsinnig und gefährlich und ich konnte den Gedanken kaum ertragen, dass Ti-Lien dort morgen mitmachen würde.
Ich schlich zu den Gesandten-Unterkünften und öffnete die Tür einen Spalt breit, um hinein zu huschen. Hinter mir schloss ich die Tür wieder und atmete tief durch - als ich den heißen Atem eines Drachens in meinem Nacken spürte.
Langsam, ganz langsam wandte ich mich um und entdeckte Karthek, der auf mich hinab starrte. Ich schloss die Augen. Genau das konnte ich jetzt am wenigsten gebrauchen. Er starrte mich unverwandt an und ich fühlte mich plötzlich schuldig, weil ich ihm nichts von meinen nächtlichen Streifzügen erzählt hatte. Ihm konnte ich doch vertrauen, er war doch immer für mich da gewesen und er würde auch für mich gegen seine Überzeugungen stellen...
Ich verwandelte mich zurück in einen Drachen und starrte ihn weiterhin unverwandt an. Dann spürte ich seinen Geist und öffnete mich.
„Wo warst du?“ Seine Frage hallte in meinem Kopf herum, wie das Echo eines lauten Ausrufes. Wie viel durfte ich ihm erzählen? „Ich war auf dem Marktplatz.“
„Warum?“, fragte er völlig emotionslos. Ich schloss die Augen und sortierte meine Erinnerungen. Dann, ganz langsam offenbarte ich ihm die Erinnerungen. Nicht alle, aber die meisten. Er sagte nichts. Er starrte nur mit abwesendem Blick durch mich hindurch, während er sah, wie ich Ti-Lien kennen gelernt hatte und wie ich mit ihm zusammen übte.
„Er ist ein Magier.“, stellte er fest.
„Ich weiß.“ Ich versuchte herauszufinden, was Karthek darüber dachte, doch er war unergründlich. „Er ist keiner von diesen arroganten Adels-Magiern. Er... Er ist gut.“
Ich spürte Kartheks Blick auf mir. „Du magst ihn.“ Ich schaute erstaunt zu ihm auf. „Ja, ich mag ihn. Ich mag auch Berion und Timon habe ich auch gemocht. Und ich mag dich und Tukiyan und Rubeen.“
Und er mag dich.“, stellte er kühl fest. Ich legte den Kopf schief. „Ist daran irgendwas auszusetzen?“ Dann wurde es mir schlagartig klar. „Du bist eifersüchtig!
Nein.“ Karthek schüttelte ärgerlich den Kopf. „Ich mach mir Sorgen um dich! Was, wenn er dich nur benutzt. Du offenbarst im Drachengeheimnisse.
Drachengeheimnisse? Das ist Magie, Karthek. Und genau zwei Drachen in ganz Area können mit Magie umgehen. Ich und Avredon. Ohne die Magier würde Avredon seine Kräfte nicht besitzen und er hätte sein Wissen nicht an mich weitergeben können. Es gibt nichts, was weniger den Drachen gehört!
Er starrte mich ein Weile lang an, dann gab er nach. „Vielleicht hast du recht, aber trotzdem ist das, was du machst gefährlich.“
Ich kann mit den Gefahren umgehen. Bitte“, ich suchte seinen Blick. „Bitte vertrau mir!
Er starrte mich weiterhin an. „Du weißt, was die anderen darüber denken würden.
Ich schloss die Augen. „Ja, ich weiß. Aber sie müssen nichts davon erfahren.“ Er senkte den Blick und ich spürte, wie Angst in mir herauf kroch. „Du wirst es ihnen nicht sagen. Nicht du.“ Noch immer erwiderte er nichts. „Vertraust du mir?“, fragte ich ihn eindringlich.
Ja, aber-“, er stockte und es war als würde sich etwas kaltes über mein Herz legen. „Bitte, kein aber. Dieses eine Mal musst du mir vertrauen. Das hier muss geheim bleiben.
Er senkte den Blick. „Ich werde nichts sagen, ich vertraue dir. Aber bitte zwing mich nicht, mich von noch mehr abzuwenden. Zwing mich nicht, die Magier zu achten oder zu mögen. Zwing mich nicht, gegen Meladon zu arbeiten.
Und wieder ergriff Kälte mein Herz. Meladon. Ich könnte nicht beschreiben, was ich bei seinem Namen denke, doch es ist ein negatives Gefühl und Karthek spürte es. „Was ist los?
Meladon behandelt mich wie einen Gegenstand, er will nicht, dass ich meiner Bestimmung nachgehe. Irgendwann musst du dich zwischen ihm und mir entscheiden, Karthek. Und ich will nicht, dass du dich wegen mir gegen ihn stellen musst. Es ist besser, wenn wir... Wenn wir wieder ganz normale Freunde sind. Denn es ist nicht Meladon, der sich verändert hat. ICH habe mich verändert, ich weiß zu viel.
Er starrte mich an, dann ganz langsam senkte er den Kopf und berührte mit seiner Stirn die meine. Ich weiß nicht wie lange wir so da standen, aber dann löste ich mich von ihm, es war wie ein Abschied.
„Freunde!“, flüsterte ich leise. Es war keine Frage, es war eine Feststellung.
Ich trat ein Stück zurück und rollte mich auf dem Boden zusammen. Und zum ersten Mal fragte ich mich, ob Drachen weinen können.
Am nächsten Tag konnte ich Karthek nicht einmal ansehen. Ich hatte unsere Beziehung beendet, bevor sie richtig angefangen hatte. Und es war das schlimmste, was ich je gefühlt hatte.
Ich versuchte mich auf heute Nacht zu konzentrieren. Ti-Liens Wettbewerb. Während ich noch müder als sonst oben in der Loge der Oldiin saß, malte ich mir unzählige Szenarien, die alle damit endeten, dass mein kleiner Magierfreund in ungebändigten Flammen den Tod fand. Alle endeten damit, dass ich einen weiteren Freund verlor.
Eben dieser Freund saß unten neben seinem Meister in der Magierfraktion. Manchmal sah ich es aus seiner Richtung flackern, doch immer, wenn ich dann den Blick wandte, war da nichts. Wahrscheinlich übte er heimlich.
Die heutige Versammlung ging bis in den späten Nachmittag hinein. Es ging um belanglose Themen. Zumindest waren sie belanglos für mich.
Bevor er heute schlafen ging, beobachtete Karthek mich mehrere Minuten lang, ohne auch nur einen Augenblick lang den Blick abzuwenden. Ich konnte seinem Blick nicht standhalten. Ich rollte mich zusammen und wartete bis ich den regelmäßigen Atem von Rubeen und Karthek. Dann wandte ich mich zu Karthek herum.

DrachenmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt