Mina - Drachenmädchen

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Mina - Drachenmädchen

Eramon:

Ein junger Drache, selbst aus menschlicher Perspektive jung, fand viele Jahre später den Weg hinab ins Tairasy. Nicht allein, denn keiner fand den Weg ohne Anleitung. Ein alter Elf mit vom Kampf gezeichneten Gesicht hatte sich seiner angenommen.

Und wie jeder, der das Reich der Unsterblichen betreten wollte, musste er an einem Wächter vorbei. Hochgewachsen und bleich stand er dort inmitten von Weiß. Neugierig betrachtete der Drache die Gestalt, die auf den ersten Blick aussah, wie ein normaler Mensch. Zwei Beine, zwei Arme, ein Kopf. Alles in für Menschen typischen Proportionen aufeinander abgestimmt. Trotzdem merkte man ihm an, dass er in Wahrheit kein Mensch war … zumindest nicht mehr. Eine Aura des Übernatürlichen umgab ihn. Ein Schein von Perfektionismus und Emotionslosigkeit.

Der Blick des Wächters war ausdruckslos, aber nicht leer. Die Haltung zu gerade, um als locker bezeichnet zu werden.

Als er jedoch den jungen Drachen erblickte, stahl sich ein Lächeln auf die Lippen des Fremden.

„ICH HABE BESUCH, WIE WUNDERBAR.“ Seine Stimme klang in seinen Ohren seltsam, allerdings konnte er selbst nur schlecht einschätzen, wie sich etwas in dieser seltsamen Welt normal anhörte. „OHNE ZWEIFEL WUSSTE ICH SCHON IMMER, DASS DU EINES TAGES HIER VOR MIR STEHEN WÜRDEST. ALLERDINGS MUSS ICH ZUGEBEN, DASS ICH NICHT SO FRÜH MIT DIR GERECHNET HABE. DU ÜBERRASCHST MICH, KLEINER DRACHE!“

Verwirrt folgte er den Worten des Wächters. „Woher wusstest du, dass ich kommen würde?“

„OH, IN DER TAT BLEIBEN WENIGE DINGE VOR MIR VERBORGEN“, erklärte der Wächter abschätzig, doch seine Augen funkelten. „ICH BIN ÜBERALL, WO ZWEIFEL IST. UND – ZU MEINEM GROẞEN GLÜCK – IST ZWEIFEL BEINAHE ÜBERALL.“

Du kennst also das Leben jeder einzelnen Person, die schon einmal gezweifelt hat?“, fragte der Drache neugierig und voller Staunen.

Der Wächter lachte und es klang weniger kühl, als man es vielleicht von einem der seinen erwartet hätte. „SICHERLICH KÖNNTE ICH DAS LEBEN JEDES EINZELNEN KENNEN … WENN ICH ES WOLLTE. DOCH DIE MEISTEN WESEN, EGAL OB DRACHEN ODER MENSCHEN, ELFEN, WALEEN ODER UKLEENRY, FÜHREN DOCH EIN RECHT EINTÖNIGES UND UNINTERESSANTES LEBEN.“ Ein kurzes Zögern … Zweifeln … dann: „DU ABER BIST EINE AUSNAHME. ICH GEBE ZU, DASS ICH MICH FÜR DEIN LEBEN IM BESONDEREN INTERESSIERE.“

Die Neugier des Drachens war nun entgültig geweckt. Es war eine Eigenschaft, die bereits seine Eltern gehabt hatten. Die Begierde zu wissen. Vergessen war das Bestreben, ins Tairasy zu kommen. Stattdessen legte er den Kopf schief und ein schiefes Drachenlächeln schlich sich auf die Züge des jungen Traumwanderers. „Wieso interessiert sich jemand wie du für mein Leben?“

„NUN ...“, begann der Wächter geheimnisvoll. „DAS IST EINE GUTE FRAGE, DIE NACH EINER LANGEN GESCHICHTE VERLANGT. ICH BIN MIR NICHT SICHER, OB DIES DER RICHTIGE ORT UND DIE RICHTIGE ZEIT IST, UM DERMAẞEN AUSZUSCHWEIFEN.

Nun schlich sich ein geradezu listiger Ausdruck auf die Züge des Drachens. Er war nicht dumm. Ganz im Gegenteil. „Ich bezweifle, dass es je einen besseren Zeitpunkt geben könnte.“

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