Zurück zur Oberfläche

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Als ich aufwachte, war Kar verschwunden. Erschrocken fuhr ich hoch. Ich befand mich in der großen Höhle, in die er mich zum Schlafen gebracht hatte. Wie lange war das her? War es schon Nacht? Konnte ich allein zur Oberfläche schwimmen? Verdammt, wie konnte ich das erklären, wie sollte ich erklären, dass ich unversehrt und nicht ertrunken war und dabei unerkannt bleiben?

„Mist!“

Ich erhob mich. Eine viel näher liegende Frage war: Wie kam ich aus den Höhlen der Neskevou heraus? Ich schaute mich um. Das einzige Licht kam von meinen Drachenschuppen. Mir standen mindestens 20 Tunnel zur Verfügung. Ein paar von ihnen waren zu eng, wir waren durch einen breiten Tunnel gekommen, aber sonst konnte es jeder sein. Ich verfluchte mich dafür, dass ich gestern nicht auf solche Details geachtet hatte. Warum war Kar bloß weg geschwommen?

Plötzlich hörte ich eine Stimme. Es war nicht die eines Neskevous, sie donnerte nicht. Erschrocken zog ich mich zurück, aber war das klug? Ein Waleen-Mädchen tauchte aus einem Höhlengang rechts über mir auf. Sie entdeckte mich sofort. Kein großes Kunststück, schließlich leuchteten meine Schuppen und die Höhle war dunkel wie die Nacht. Hektisch verwandelte ich mich in eine Waleen, zwei Sekunden später hätte ich mich am liebsten dafür geohrfeigt. Wenn es irgendeinen Zweifel an meiner Identität gegeben hatte, war er nun endgültig vernichtet.

„Ich verrate dich nicht!“, rief das Mädchen schnell. „Kar hat mir gesagt, dass ich dich nach oben bringen soll. Wir sollen sagen, der Neskevou habe mit einem Ceskellef gekämpft und er habe dich gerettet, damit der Ceskellef dich nicht fängt.“

Misstrauisch betrachtete ich das Mädchen. Ich hatte keine Lust zu fragen, was ein Ceskellef war.

„Wo ist Kar?“

„Er muss sich ein paar Tage verstecken, damit die Waleen-Jäger ihn nicht finden. Er ist tiefer in die Höhlen geschwommen. Aber zuerst hat er mir eine Nachricht zukommen lassen!“

„Und dir alles über mich erzählt.“

„Bitte, du darfst nicht glauben, dass Kar unzuverlässig wäre. Aber er hätte es nie geschafft, dich unbemerkt wieder nach oben zubringen.“

Das stimmte wohl. Trotzdem vertraute ich dem Mädchen noch nicht ganz...

„Wer bist du?“

„Lijen. Ich heiße Lijen und ich werde bestimmt keinem von dir erzählen. Ehrenwort!“

Ich vertraute ihr, was blieb mir auch anderes übrig. Vorsichtig schwamm ich weiter hoch.

„Ich bring dich hier raus, zu unserem Haus. Und von da holt die ein Waleen-Jäger ab. Er weiß nicht die ganze Geschichte, aber er vertraut Kar und wird alles regeln.“

„in Ordnung...“

„Na dann los.“, flink schwamm sie in den kleinen Tunnel, aus dem sie gekommen war und ich hatte Mühe ihr zu folgen. Es dauerte bestimmt eine Stunde, aber letztendlich befanden wir uns außerhalb der Felsenhöhlen und der Anblick war atemberaubend und das seltsamste, was ich je gesehen hatte.

Über mir, unter mir, um mich herum war überall Wasser. Es war nicht dunkel, denn Pflanzen, die vom weit entfernten Grund bis zu uns hinauf reichten, waren mit leuchtenden Punkten besetzt. Diese Punkte bildeten schwungvolle Muster die überall im trüben, grünen Wasser leuchteten. Lijen übernahm die Führung und schwamm zwischen den Lichtern hindurch, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Sie hatte sie wahrscheinlich schon oft gesehen. Ich jedoch blieb öfters ein Stück zurück, weil ich mich staunend um die eingene Achse drehte und besonders kunstvolle Muster bewunderte.

Um uns herum wurden die Pflanzen immer dichter und gleichzeitig wurden die leuchtenden Muster immer dichter und verwobener. Kleine Fische schwammen um uns herum und schillerten im Licht der Pflanzen. Es war ein atemberaubend Spektakel. Lijen hielt inne und schaute sich nach mir um.

DrachenmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt