Sovine II

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Sovine II

„Komm schon, Fuoco, nicht so langsam! Du warst auch schon mal schneller, du kleine Floschleuder!" Sovine drehte sich um und schaute dem Wolf in die glänzenden Augen. „Komm schon, nicht einschlafen!" Sie lachte und rannte ihrem kleinen grauen Freund voraus. Nun gut, klein war er nun wirklich nicht mehr, Sovine aber auch nicht mehr. Drei Jahre waren seit dem Feuer im Wald vergangen. Drei Jahre, die sie mit ihrem Wolfsfreund Fuoco in den Wäldern verbracht hatte. Wo genau sie war, wusste Sovine schon lange nicht mehr. Das Haus ihrer Kindheit hatte sie seit der Nacht nach dem Feuer nicht mehr wieder gesehen. Nach der Wassersuche hatte sie schlicht und einfach den Weg zurück nicht wiedergefunden. Aber mit der Hilfe von Fuoco kam sie trotzdem zurecht. Sie waren ein kleines Rudel. Der Wald gab ihnen alles, was man zum Überleben brauchte. 

Fuoco, durch ihre lauten Rufe angespornt, setzte ihr mit riesigen Sätzen nach und überholte sie mit Leichtigkeit. Sovine lachte und stolperte kichernd den Abhang hinunter. Sie verlor den Halt, fiel vornüber und kam völlig verdreckt unten an. Nicht, dass das bei ihr noch groß etwas ausgemacht hätte. Sie hatte seit drei Jahren nur die paar Sachen gehabt, die sie aus dem Herrenhaus geholt hatte. Und die waren mittlerweile nicht nur sehr zerschlissen und etwas zu klein, sondern auch, trotz der ein oder anderen Wäsche im Fluss, sehr dreckig. Sofort kam Fuoco angelaufen und winselte besorgt. Sie grinste und wuschelte ihm durchs stahlgraue Fell. „Mach dir doch nicht immer Sorgen um mich, du Dummkopf!" Er legte seine Pfoten auf ihren Brustkorb und starrte sie von oben herab an.

Und genau so sehen es auch die beiden Wildermenschen, die gerade durchs Dickicht streifen. Sofort liefen sie vor und Sovine sprang erschrocken auf. Winselt rollte Fuoco zur Seite und stellte sich dann drohend vor sein einziges Rudelmitglied. Die beiden Männer konnten nur die Stirn runzeln. Ein ausgewachsener Wolf und ein hochgewachsenes Mädchen, mit abgenutzten Kleidern und kahlem Kopf. Sovine legte eine Hand in das drohend aufgestellte Fell ihres Freundes. „Beruhig' dich, Fuoco." Sie warf den Männern einen unsicheren Blick zu. 

„Wer bist du?", fragte der größere der beiden mit tiefer, einer ein wenig rasselnden Stimme. „Und was machst du hier draußen im Wald?"

Sie wich vorsichtig ein Stück zurück und der Wolf, der ihre Angst spürte, funkelte die beiden Männer nur umso drohender an. 

„Ich heiße Sovine und das ist Fuoco!", antworte sie zaghaft und trat noch einen Schritt zurück, wobei sie Fuoco und die Männer nicht aus den Augen ließ.

„Ein seltsamer Name!", stellte der etwas kleinere der beiden fest. „Bist du wirklich eine Uklenry?"

Überrascht schaute sie auf. „Sollte ich?"

„Nun ja, du streifst durch unsere Wälder und lebst mit einem wilden Tier zusammen. Wir dachten nur ..."

„Durch eure Wälder? Bin ich denn schon so weit im Osten?"

„Nun ja, streng genommen bist du im Westen der Wilderlande. Wo dachtest du denn dass du bist?"

Überrascht fuhr sie sich übers Gesicht.Von ihrem alten Zuhause war es noch ein ordentlicher Weg bis in die Wilderlande gewesen. Wenn ihr Vater dorthin gereist war, hatte er immer einige Wochen gebraucht. „Ich komme aus dem Peor-Gebirge“, erklärte sie zaghaft. „Vom Gut Norderfels.“

Nun schauten die beiden Männer überrascht drein. „Du bist vom Peor zu Fuß hier her gewandert? Wie kommt man auf so eine seltsame Idee?“ Sie verdrehte die Augen. „Das habe ich ja auch ganz bestimmt mit Absicht gemacht. Fuoco und ich sind einfach durch die Wälder gezogen und wir haben nie ein Dorf oder sowas gefunden. Wir wussten ja nicht, dass wir in einem anderen Reich sind.“

DrachenmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt