Das Herz der Waleen

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Das Herz der Waleen

Dunkler, beinahe schwarzer Fels, durchzogen von Rissen und bröckeligen Spalten, in denen, wie scheinbar überall am Grunde des Sees in allen Farben leuchtende Blumen und Gräser wuchsen. Wir befanden uns unterhalb eines steinernen Plateaus, auf dem zu normalen Zeiten sicherlich reges Treiben herrschte.

Nial, die größte Stadt des Sees und zweitgrößte Stadt im gesamten Wasserreich hätte man vom Grundaufbau her tatsächlich mit einer traditionellen Drachenstadt vergleichen können. Durch die höher gelegenen Teile der Stadt zogen sich tiefe Höhlensysteme aus beinahe unzerstörbarem Stein. Nur das die Stadt mit der Zeit so sehr gewachsen war, dass die Höhlen nicht mehr genug Platz für alle Einwohner boten. Und so waren über das gesamte Plateau hinweg neue Behausung erbaut worden. Diese Unterkünfte, man konnte sie nicht Häuser nennen, denn mit den einfachen ein- oder zweistöckigen Gebäuden von Menschen hatten diese Behausungen keinerlei Ähnlichkeit, waren mit der Zeit immer mehr in die Höhe gewachsen und gaben der Stadt aus der Ferne betrachtete das Aussehen einer großen Menschenstadt wie Juneii. Aus dem Nähe erst erkannte man die elegante Struktur der glitzernden Gebilde aus Stein und Kristall, die sich Schneckenhäusern gleich aus dem Boden emporzogen und auf Grund der hier wie auch überall sonst wachsenden leuchtenden Ranken leuchtete die Stadt auch in tiefster Nacht noch wie hell und strahlend.

Unser Ziel war allerdings nicht dieser Teil der Stadt sondern das, was Kar treffenderweise Oziim-Dwa, Alt-Nial nannte. Die ältesten Tunnel der Stadt lagen nicht etwa oberhalb des Felsplateaus sondern unterhalb. Allerdings waren große Teile dieser Stadt während einer Reihe schwerer Seebeben in der Vergangenheit so sehr zerstört worden, dass die damaligen Herrscher der Stadt von einem Wiederaufbau absahen und ihre Stadt über den alten Tunneln neu errichteten. Die größten Eingänge nach Alt-Nial hatte man verschlossen und danach auf den Schleier des Vergessens gewartet, der die alte Stadt bald wie ein Vorhang aus dichten Ranken vor Neugierigen und Abenteuerlustigen verbarg.

Nicht natürlich vor den Neskevou, die die Stadt schon von Anfang an gekannt und beobachtet hatten. Einige von ihnen hausten sogar in den alten Gängen, wenn auch nicht viele, da sich die Zahl der noch intakten Gänge, die breit genug für die Drachenschlangen waren, in Grenzen hielt.

Aber die meisten kannten sich gut genug darin aus, um den Weg zur Haupthöhle zum Palast von Oziim-Dwa zu finden, dem Herz der alten Stadt und dem Juwel unter den von sterblichen Wesen errichteten Bauten, wie die Neskevou es nannten.

Und das war unser Ziel. Zuerst einmal galt es aber in die alte Stadt zu kommen. In Drachengestalt und mit riesigen Drachenschlangen als Begleitern war dies gar kein so einfaches Unterfangen. Wir waren durch breite Tunnel knapp unterhalb des Seebodens unbemerkt zum Plateau gelangt und schwammen nun unter diesem hinweg.

Ein Schacht, von leicht beschädigten steinernen Bodenplatten verdeckt, war unser Eingang in die alten Gänge. Ohne die Steinplatten wirkte er wie ein Krater im Boden, wie ein weitgeöffnetes Maul, an dessen Rändern spitze Steine wie abgebrochene Zähne hervorlugten. Karthek schaute nervös zu mir herüber, als sich ein Neskevou nach dem anderen in diesen bedrohlichen Schlund stürzten und auch ich zögerte kurz, ehe ich, mit einem letzten Blick in richtung der ruhigen dunklen Wasseroberfläche die Reise in den Untergrund antrat. Karthek folgte mir wenige Augenblicke später.
Die Dunkelheit, von der wir empfangen wurden, bereitete unseren Drachenaugen keine Probleme, auch die eisige Kälte war aufgrund drachentypischer Eigenschaften wie dem inneren Feuer auszuhalten, was uns beunruhigte war die Enge des Schachtes und zum ersten Mal verfluchte ich es, eine so gute Sicht auf die rauen, um uns herum aufragenden Schachtwände zu haben. Die Schlangen hingegen schienen an die Enge gewöhnt zu sein, obwohl für einige von ihnen der Platz sogar noch knapper war. Trotzdem ließen sie sich ohne zu zögern in die Tiefe hinabsinken und wir folgten ihnen in einigem Abstand.

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