Alte Erinnerungen

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Alte Erinnerungen

„Du bist also wirklich die Oldiin der Drachen“, sagte Timon erstaunt. „Natürlich, Lana und die anderen haben es uns immer wieder erzählt, aber ich konnte es gar nicht glauben. Und nun stehst du plötzlich hier.“

 „Lana, diese Anessa und das andere Mädchen sind also auch schon wieder hier?“

 Timon nickte. „Sie sind vor drei Tagen wieder angereist. „Sie sagten, du und die Drachen, ihr wärt nach einem unschönen Vorfall sofort abgereist.“

 Ich bekam eine Gänsehaut, beim Gedanken an den Brand, der beinahe Timons Leben gekostet hatte. „So kann man es beschreiben, ja. Hör zu, ich habe ein wenig … Streit mit den Drachen und bin vor ein paar Tagen geflohen.“

 Er machte große Augen. „Deswegen also! Wir haben sie über dem Ödland im Süden fliegen sehen. So nahe waren sie der Grenze jahrelang nicht mehr. Einige sind sogar über Septim hinweg geflogen. Sie haben also nach dir gesucht!“

 Ich nickte. „Ja, aber in einer Menschenstadt kann ich untertauchen. Hier wird den Drachen ihre Größe zum Verhängnis.“ - „Verstehe.“ Timon warf einen Blick auf die Straße hinaus. „Ich glaube, die Luft ist rein. Als ich das Krachen in der Mauer gehört habe, wusste ich, dass das nur du oder Berion seien konntest.“ Er trat grinsend hinaus auf die Straße. „Als ich die Wachen am Tor gesehen habe, bin ich den alten Hinterhof der Waffenschmiede gegangen und dort über Neerems alte Leiter auf die Dächer geklettert.“ Er rieb sich die Handballen. „Ich hätte nicht gedacht, dass ein Sprung von Lalim's alter Scheune so schmerzhaft ist. Ich hab sie weiter nach Westen gelockt.“

 „Oh“, erwiderte ich bestürzt, während ich nach Worten suchte. „Neerems Leiter steht immer noch da?“

 Seine Miene verfinsterte sich. „Er ist gestorben, in den Kämpfen vor drei Jahren.“ Ich konnte nur bestürzt dreinschauen und er seufzte leise. „Aber das ist Vergangenheit. Danke übrigens, dass du das Loch wieder freigemacht hast, drei Jahre lang haben wir versucht, diesen Eingang irgendwie wieder aufzubekommen, aber wir werden immer erwischt, bevor wir fertig sind.“

 „Dann lass mich schnell noch irgendwas mit dem Loch machen, bevor sie es entdecken“, erwiderte ich. Er hob eine Augenbraue. „Sie könnten jeden Moment zurückkommen, Mina.“

 Ich grinste. „Genau deshalb.“ Ehe er noch etwas sagen konnte, ballte ich meine Hände zu Fäusten und die Flammen verschwanden. Auf leisen Sohlen schlich ich hinaus auf die Hauptstraße und warf einen Blick auf die nächste Straße. Noch war niemand zu sehen. Ich hastete hinüber und ging hinter dem Mervas-Busch in Deckung. Sie lehnte sich mit der Schulter gegen die Wand und hielt eine Hand vor das Loch in der Wand. Wir brauchten eine ordentlich Illusion. Ich schloss die Augen und stellte mir das mit Brettern und Lehm verbarrikadierte Loch vor. Mindestens hierbei zahlte sich die Schulung meiner Vorstellungskraft aus. Ich beschwor die Magie und öffnete die Augen. Nichts wies darauf hin, dass das Loch jemals aufgebrochen worden war. Zufrieden drehte ich mich um und hielt den Atem an.

 Wenige Meter von mir entfernt kamen die Wachen zurück. Ich hörte Timon in der Straße gegenüber leise fluchen. Hilfesuchend schaute ich mich um und schlug mich kurzerhand noch weiter ins Gestrüpp der dornigen Büsche hinein. Einer der beiden hörte das Rascheln, das ich verursachte.

 „Verdammt Tashim, irgendwas ist da drüben, da bin ich mir ganz sicher.“ Die beiden traten näher und der Wächter namens Tashim schob die Äste des ersten Strauches beiseite. „Also deine Idee mit dem Loch in der Wand, an dem die Kinder immer herum hantieren, hat sich schon als falsch erwiesen!“ Ungläubig starrte der andere die Wand an. „Ich hätte schwören können …“

 Plötzlich richtete er sich kerzengerade auf und ging direkt auf mein Versteck zu. Erschrocken zog ich mich noch weiter zurück in Dickicht. Der andere stöhnte genervt auf. „Royen, wenn wir hier beim herumlungern entdeckt werden, können wir für den Rest unseres Lebens hier durch die Gassen patrouillieren.“

DrachenmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt