32. Kapitel | Zurück in die Vergangenheit

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Pünktlich zum Abendessen bin ich wieder zuhause. Mason hat mich vor der Tür raus gelassen, mir noch einen Kuss auf die Wange gegeben und dann haben wir uns auch verabschiedet. Ich habe, wie schon vorherzusehen war, die ganze Zeit nur an seine Worte gedacht. Ich lasse meine Tasche zunächst im Gang liegen und gehe gleich ins Wohnzimmer, wo die anderen sich gerade an den Esstisch hinsetzen. Das nenne ich Timing.

"Na, du Verliebte?!", kommt es gleich von Leah. Ich schaue sie nur halbwegs an, doch ihr breites Grinsen entgeht mir nicht. Reagieren tue ich aber trotzdem nicht, sondern setze mich einfach auf den Stuhl neben Nate. Auch ihn schaue ich nicht an. Meine Laune ist irgendwie völlig im Eimer.

"Dann können wir ja jetzt anfangen. Guten Appetit.", sagt Finn und mit seinem Wort fängt auch jeder an zu essen.

Außer mir. Ich habe irgendwie gar keinen Appetit. Mir geht das was Mason gesagt hat nicht mehr aus dem Kopf. Mag er mich wirklich so sehr, dass er an ein 'Für Immer' mit mir denkt? An eine gemeinsame Familie? Liebt er mich so sehr? Aber wir sind noch beide so jung, wie er gesagt hat. Wieso denkt er überhaupt so weit in die Zukunft? Ob Nate auch so denkt? Ob er auch an ein 'Für Immer' mit mir denkt? Was wenn ich mich von Mason trenne, und wenige Wochen später bin ich für Nate auch nicht mehr genug und dann wird er sich von mir abwenden. Dann stehe ich alleine da. Aber ist das meine wirkliche Sorge? Oder erschreckt mich einfach der Gedanke mit jemandem 'für immer' zusammen zu sein? Schließlich hatte ich nie ein gutes Beispiel von einer gesunden Beziehung. Ich hatte nie Eltern, zu denen ich hochschauen konnte und mir wünschen konnte, auch irgendwann solch eine Beziehung zu haben. Scheiße, ich hatte nicht mal ein gutes Beispiel für irgendeine Art von Beziehung. Im Ende sind alle Beziehungen den Bach runter gegangen. Sei es zwischen den Eltern, unter den Geschwistern, mit der ganzen Familie überhaupt oder auch einfach nur unter Freunden. Sie haben alle nicht gehalten. Meine nicht und die meiner Mitmenschen um mich herum auch nicht. Und jetzt bin ich hier. In dieser Familie. Hier scheint jeder zueinander zu stehen. Sie unterstützen sich, verbringen Zeit zusammen, haben eine gesunde Beziehung zueinander. Aber nicht nur unter der Familie. Unter Freunden ist das auch so. Mit Reena und Leah zum Beispiel. Selbst mit Mason und Nate. Sie stehen sich bei und sind für einander da. Der einzige Haken bei Mason und Nate... bin ich. Ich stehe zwischen ihnen. Mir wird erst jetzt klar, was passieren kann wenn Mason das alles herausfindet. Ich hätte eine Freundschaft kaputt gemacht. Und wenn die Anderson's das zwischen Nate und mir herausfinden? Dann hätte ich vielleicht sogar den Frieden in dieser Familie kaputt gemacht. Diese zwei Gedanken sind so abschreckend, wie sie leider auch realistisch sind.

Eigentlich geht es mir alleine besser. Dieses ganze Drama über Jungs bin ich sowieso nicht gewöhnt und am liebsten würde ich zu meinen gefühlslosen Tagen zurückkehren. Ich wünschte ich wäre nie mit Mason auf ein Date gegangen. Ich wünschte auch, dass ich Nate nie an mich ran gelassen hätte. Ich wünschte, ich hätte Leah nie zugehört und mich einfach teilnahmslos verhalten. Ich hätte Olivia und Finn die kalte Schulter zeigen sollen, egal wie nett sie zu mir waren. Ich hätte allen die kalte Schulter zeigen sollen. Denn das alles hier; 'Liebes' und 'Schätzchen' genannt zu werden, gemeinsam zu Abend zu essen, zwischen zwei Jungs zu stehen, die in dich verliebt sind, Freundinnen zu haben, die sich für dein Wohlbefinden interessieren, das alles ist nicht etwas womit ich umgehen kann. Ich kann damit nicht umgehen. Ich bin nicht gut in dieser Art von Lebensstil. Ich kenne es nämlich nicht. Auf ein mal steigt eine so große Zweifel an meiner eigenen Person, dass ich fast schon Panik bekomme.

Und dann werde ich, so hart und schmerzhaft wie es nur geht, auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Plötzlich fühle ich mich wieder genau so wie ich mich am Anfang gefühlt habe. Fehl am Platz. Ich hab mir die letzten Wochen vorgestellt ich wäre ein Teil dieser Familie. Ich wäre ein Teil dieses Lebens. Ich habe schicke Klamotten angezogen, hab mich im Auto zur Schule fahren lassen, bin Cheerleaderin geworden. Ich hab gedacht, dass ich somit eine genau so helle Zukunft haben könnte wie sie. Aber wenn ich nur an das Wort 'Für immer' denke, in dem Zusammenhang, in dem Mason es erwähnt hat, dann verziehen sich meine Gedanken ganz schnell zurück in die Vergangenheit. Jemand mit so einer Vergangenheit wie meiner, kann niemals so eine Zukunft haben wie Mason es sich vorstellt. Nicht mal annähernd. Ich war dumm zu denken, dass sich mein Schicksal geändert hatte. Denn auch wenn ich es mir selber nie zugegeben habe, hatte ich in mir drin ein Gefühl, dass sich mein Leben seit den Anderson's geändert hatte und ab da nur noch gut verlaufen würde. Was für ein dummer und naiver Gedanke.

| Fost & Found | {abgeschlossen}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt