42. Was ist passiert?

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Im Nachhinein musste ich darüber nachdenken, wie schnell ein einziges Telefonat dein ganzes Leben verändern konnte...

"Smith?", fragte ich in mein Handy, nachdem ich abgehoben habe.
Ich lag immernoch auf dem Teppich in Grace Wohnzimmer.

"Lia?", hörte ich die zitternde und brüchige Stimme meiner Mutter.
Mein Gesichtsausdruck versteinerte sich.
Noch nie hatte ich die Stimme meiner Mutter so verzweifelt und gebrochen gehört. Und das tat mir weh.

Grace hatte meine entsetzte Reaktion gesehen und sich abrupt aufgesetzt.
Gespannt beobachtete sie mich.
Ich hatte mich nun auch aufgesetzt.
"Mum, was ist los?", ich hatte Angst vor der Antwort, aber ich musste einfach wissen was los war.

"Du musst nach Hause kommen!"
"Wieso? Was ist passiert?", ich betonte jedes einzelne Wort.
"Wir haben dir per E-mail ein Flugticket nach Frankfurt geschickt, irgendwann morgen."

Im Hintergrund konnte ich meinen Bruder weinen hören. Es zerriss mir das Herz, dies zu hören.
Meine Hände hatte begonnen zu zittern und meine Stimme wurde immer dünner.
"Was ist los Mum?"

Doch die einzige Antwort die ich bekam, war: "Ich muss auflegen, wir sehen uns morgen. Ich hab dich lieb!"
"Ich dich auch!", murmelte ich, auch wenn meine Mutter es nicht mehr hören konnte, da sie schon aufgelegt hatte.

Mein Handy glitt mir aus den Fingern und fiel aus den gepolsterten Teppichboden und ich stützte meinen Kopf in die Hände.
Grace hatte sich mittlerweile neben mich gekniet und legte mir beruhigend die Hand auf den Rücken.

"Hey Lia, was ist passiert?", fragte sie mich besorgt. Ich konnte nur mit den Schultern zucken. "Ich weiß es nicht", flüsterte ich leise uns sah sie verzweifelt an.

Langsam zog Grace mich in ihre Arme.
"Kann ich mal an deinen Laptop?", fragte ich vorsichtig und zitternd und sah sie an.

Grace nickte: "Na klar, warte kurz."
Mit diesen Worten stand sie auf und lief in die Küche um ihren Computer zu holen.
Als sie zurück kam, streckte sie ihn mir entgegen.

Schnell ging ich auf meine E-mail Adresse und klickte auf die Nachricht von meiner Mutter.

Auch in der Mail hatte sie nicht geschrieben, was passiert war. Im Anhang war tatsächlich ein Flugticket nach Deutschland für morgen um 13.00 Uhr.

Stumm zeigte ich Grace die Nachricht und man konnte die Verwirrung in ihrem Blick gut erkennen.
"Ach Lia", seufzte sie und nahm mich erneut in den Arm.

"Willst du nicht Nico anrufen?", fragte sie mich nach einigen Minuten des schweigens vorsichtig, doch ich schüttelte nur den Kopf.
Ich wollte einfach nur wissen was passiert war, doch weder meine Eltern noch meine Schwester gingen an ihre Handys.

Als ich schließlich ins Bett ging um endlich zu schlafen, schaltete ich mein Handy ab.
Ich hatte bereits einen verpassten Anruf und zwei verpasste Nachrichten von Nico, doch ich konnte einfach nicht antworten.

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Immernoch müde, stand ich von meinem Sitz in dem Flugzeug auf und holte meinen Koffer von der Gepäckablage runter. Ich hatte die halbe Nacht nicht geschlafen, sondern nur wach neben Grace im Bett gelegen. Mein Handy hatte ich seit gestern abend nich nicht sie der eingeschaltet.

Da ich nicht wusste wie lange ich bleiben würde, war ich nur mit Handgepäck gereist.

Draußen rief ich mir ein Taxi.
Als dieses endlich ankam, verstaute ich meinen kleinen Koffer im Kofferraum und stieg auf der Beifahrerseite ein.

Ich nannte dem Fahrer die Adresse welche meine Mutter mir geschrieben hatte. Ich kannte diese nicht, aber der Taxifahrer, schien zu wissen wo er hin muss, denn er nickte nur und fuhr sofort los.

Die Landschaft von Frankfurt flog an uns vorbei und ich lehnte meinen Kopf ans Fenster des gelben Autos...

"Wir sind da!", die Stimme des Fahrers riss mich aus meinen Gedanken. Schnell bezahlte ich ihn. Nachdem ich meine Koffer geholt hatte starrte ich auf das Gebäude vor mir.

Es war eine riesiges Grundstück mit einem unglaublich großen, weißen Haus. Josephs-Hospital stand in riesigen Buchstaben über dem gläsernen Eingang.

Wieso stand ich vor einem Krankenhaus? Mir wurde immer mulmiger zu mute.
Langsam und mit unsicheren Schritten ging ich durch die Glastüren in die Eingangshalle.

An der Information meldete ich mich mit meinem Namen. Die Empfangsdame sah mich kurz an und nannte mir eine Zimmernummer.
"Ach sie sind die Schwester", meinte die Frau. Also ging es um eines meiner Geschwister. Denn ich wagte zu bezweifeln, dass sie meine Eltern für meine Geschwister hielt.
"Die Zimmernummer ist 364."

Ich stellte mich in den Aufzug und fuhr in das Stockwerk mit den Zimmernummer 300 bis 450.

Als ich den Gang entlanglief, eilte mir mein Vater entgegen. Ohne ein Wort schloss er mich in seine Arme und drückte mich an sich.
"Komm mit", sagte er ohne große Erklärungen mit rauer Stimme.

Er griff nach meiner Hand und nach meinem Koffer und zog mich den Gang entlang.
Wir gingen nun bestimmt zum fünften Mal um eine Ecke und ich hatte schon längst die Übersicht verloren, als über einem Eingang Intensivstation stand.

Als ich dieses Wort las, bleib mir kurz die Luft weg, doch ich folgte meinem Vater.
Schließlich kamen wir durch eine Holztür in einen kleinen Raum. Er war gelb gestrichen und an der einen Wand standen mehrere Stühle.

An der kurzen Seite stand ebenfalls ein Sessel. Zu meiner Überraschung konnte ich Marc darin erkennen.
Seine Arme ruhten auf den Lehnen.

Sein Kopf war nach hinten an die Wand gelehnt und er schien zu schlafen, denn seine Augen waren geschlossen. Seine blonden Haare waren nicht gestylt und sahen aus, als ob sie lange nicht mehr gekämmt worden waren.

Als nächstes fiel mein Blick auf meine Mutter. Mein kleiner Bruder schlief auf ihrem Arm und sie saß auf einem der Stühlen, welche dort bereitstanden.
Ihre schwarzen Haare hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden. Auf ihren Wangen konnte man getrocknete Tränenspuren erkennen.

Sie war innerhalb der letzten Tage um Jahre gealtert und wirkte schwach und gebrochen.
Vorsichtig nahm mein Vater ihr Ryan und auf seinen Arm.
Meine Mutter kam wankend auf mich zu.
"Mum!", brachte ich hervor und vergrub mein Gesicht an ihrer Schulter.

Sie schluchzte auf und auch ich drohte in Tränen aus zubrechen.
Als wir uns wieder voneinander lösten, deutete sie stumm auf die Wand uns gegenüber.

Als ich mich umdrehte, sah ich eine Glasscheibe in der Wand.
Eine Art Febster.
Jedoch konnte ich dadurch nicht nach draußen sehen, sondern in einen anderen Raum.

Dieser sah schon mehr nach Krankenhaus aus und was ich darin sah, verschlug mir die Sprachen und sorgte dafür, dass mir die Tränen in strömen über die Wangen liefen.

"Was ist passiert?", fragte ich nochmal mit Tränen erstickter Stimme.

The Flashlight in your EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt