Gefühlschaos

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72:

Langsam aber sicher ging ich den Flur entlang und versuchte mich nicht nach Harry umzudrehen. Er sollte glauben, dass es mir wirklich egal war. Das was er doch so gut konnte, konnte ich schon lange.

Den Kopf hoch erhoben ging ich mit entschlossenen Schritten weiter ohne zurückzuschauen - und tatsächlich, ich schaffte es. Kaum war ich hinter der nächsten Ecke verschwunden, schien alle Kraft aus mir zu sickern und ich musste mich gegen die Wand lehnen, so weich fühlten sich meine Knie an.

Ich konnte es nicht glauben, was gerade passiert war. Hatte Harry wirklich diese Worte in den Mund genommen? Hatte er mir wirklich vorgeworfen, ich würde unsere Beziehung nicht ernst genug nehmen? Hatte er gerade wahrhaftig mit mir Schluss gemacht?

Das konnte er doch nicht machen! Und er hatte nicht einmal traurig ausgesehen; er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, mir etwas vorzuspielen, von wegen er würde mich immer lieben, aber es würde nichts werden zwischen uns. Nein, er hatte mir einfach eiskalt ins Gesicht gesagt, dass er es besser fand, wenn wir uns nicht mehr sehen würden. Und dann hatte er noch die Frechheit besessen, mich an zu schuldigen, diese Beziehung durch meine "Unfähigkeit Gefühle zu zeigen" zerstört zu haben.

Was bildete er sich überhaupt ein?

Okay, vielleicht hatte ich auch etwas überreagiert. Möglicherweise war er auch nicht eiskalt gewesen, sondern hatte tatsächlich versucht, mir nicht weh zu tun, aber ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Harry war mein Ein und Alles und auch wenn es mir schwer viel, meine Gefühle öffentlich zu zeigen, war ich nicht der Meinung, dass er das Recht hatte, mir das so vorzuwerfen.

Ich hatte doch gar nichts getan, um das zu verdienen, oder?

Naja, vielleicht hatte ich in letzter Zeit öfter mal den Macho raushängen lassen und möglicherweise war ich auch nicht der netteste gegenüber meinen Mitschülern gewesen, aber das war doch nicht Grund genug, um Schluss zu machen! Verzweifelt sank ich an der Wand entlang zu Boden.

Ich war einfach unglaublich froh, dass es schon zur ersten Stunde geläutet hatte und deswegen niemand mehr auf den Gängen war. Auf keinen Fall sollte mich jemand so sehen. Innerlich aufschluchzend vergrub ich meinen Kopf in meinen Armen und verkrampfte meine Finger fest in den Haaren.

Was sollte ich denn ohne Harry machen? Er war doch bis jetzt immer an meiner Seite gewesen. Wir waren zusammen aufgwachsen und nichts hatte uns voneinander trennen können - es hatte niemanden gewundert, als wir vor knapp einem Jahr verkündet hatten in einer Beziehung zu sein.

Und jetzt war es aus.

Endgültig Schluss.

Schritte, die schnell näher kamen, ließen mich aufschrecken und ich zog mich eilig hoch. Es sollte mich niemand so sehen. Ich setzte eine undurchdringliche Maske auf und lehnte mich Halt suchend an die Wand.

Ein Mädchen kam um die Ecke und als ihr Blick auf mich fiel, stockten ihre Schritte kurz, doch als ich sie böse anstarrte, eilte sie schnell weiter. Ich sah ihr nach als sie verschwand und meine Gedanken kreisten wieder weiter um Harry.

Da war nur Harry und noch mehr Harryharryharry. Doch es war nicht mit dem wunderschönen Gefühl verbunden, dass es normalerweise mit sich brachte. Stattdessen zog es eine Welle von Trauer und Unsicherheit mit sich.

Was hatte ich denn getan?

Unsicher ließ ich mich an der Wand wieder hinunter rutschen. Wenn ich etwa hasste, dann war das meine Unsicherheit bei allem was Harry betraf. Der Lockenkopf war so einzigartig und unglaublich, ich hatte mich immer gefragt, wie ich da mithalten konnte, doch diese Frage hatte sich jetzt anscheinend geklärt.

Larry <3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt