4 | Ignoranz & Aroganz

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Ten Thousand Hours - Macklemore & Ryan Lewis

Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, als ich mich zu der Stimme umdrehte. Das konnte doch nicht wahr sein. Er – der Bandana Boy – stand vor mir und musterte mich.

»Du weißt schon, dass man so etwas auch stalken nennt?«, meinte er und schaute mich kühl an.

Was war denn sein Problem? Wieso ließ er mich nicht wegfahren? Ich zuckte mit den Schultern und erwiderte:

»Du weißt schon, dass man so etwas Belästigung nennt?«

Was er konnte, konnte ich schon lange.

Sein Gesichtsausdruck verändert sich im Bruchteil einer Sekunde, was mich innerlich triumphieren ließ. Er schaute mich ausdrucklos an, kniff die Augen zusammen und sagte etwas, was mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Oder mich beinahe zum Lachen brachte. Ich wusste es noch nicht so recht.
Aber das, was ich wusste, war, dass die Situation absurd war.

»Du und deine Freundin solltet euch von mir fernhalten«, sagte er mit leicht gesenkter Stimme

Hatte ich das richtig gehört?
Dieser Typ hatte mich gebeten, stehen zu bleiben, um mir zu sagen, dass ich mich von ihm fernhalten sollte!? Ich glaubte, er spinnte. Ohne etwas zu sagen, trat ich kräftig in die Pedale, um so viel Distanz wie möglich zu erschaffen. Doch eines konnte ich mir nicht verkneifen:

»Arschloch«, zischte ich noch laut genug, damit er es hörte und fuhr kopfschüttelnd davon.

Der Typ, dessen Namen ich noch nicht kannte, konnte mir sonst wo vorbei gehen. Wutenbrannt fuhr ich nach Hause. Er war eigenartig und durch und durch umsymphatisch gewesen. Ich hatte bereits genügend Bücher gelesen, in denen Jungs wie er vorkamen. Sie benutzten die Mädchen, hatten ihren Spaß und ließen sie dann links liegen. In meinem Fall würde der Unterschied allerdings darin liege , dass ich mich tatsächlich von ihm fernhalten würde. Nicht, weil er es mir vorschlug, sondern weil ich mir selbst den Gefallen tat. Ich wollte nichts von diesem gutaussehenden Jungen, der mein Herz schneller schlagen ließ, was aber nur daran lag, dass er mich zur Weißglut brachte. Er bedeutet nämlich nur eines: Probleme.

*

»I've never seen a diamond in a flash.
I've caught my teeth on wedding rings
in the movies.
And I'm not proud of my adress. In a tu–«

»Du machst jedes Mal den gleichen Fehler! ›Adress‹ wird lang gesungen! Betonung auf das e! Legato! Alles von vorne, bitte!«, motzte unsere Musiklehrerin Mrs. Channing. Alle stöhnten genervt auf.
Das ging heute bereits den ganzen Tag so. Seit dem Mrs. Channing uns ihre mehr oder weniger grandiose Idee offenbart hatte. Sie war nämlich wie folgt:
Wir würden das Lied Royals von Lorde in ein Musical einbeziehen, in dem es um ein Mädchen ging, das sich nicht in der neuen Gegend wohl fühlte, in der sie eingezogen war und sich mit dem alltäglichen Stress einer Jugendlichen auseinanderzusetzen musste. Ja... Spannend.

Umso mehr um. Die Hauptrolle spielte Mary, ein nette Mitschülerin, die ich jedoch kaum kannte. Sie konnte gut schauspielern, allerdings nicht wirklich singen. Was jeden –wirklich jeden – gerade aufregte. Mrs. Channig hatte bereits die Story fertig und uns die Skripts in die Hand gedrückt. Ich fand die Idee an sich sogar gut, doch die Umsetzung würde nicht mit unkonzentrierten 11. Klässlern klappen.
Insgeheim tat Mrs. Channing mir leid...
Nein, eigentlich nicht. Zwar bin ich nicht sadistisch veranlagt, aber die Frau verdiente einen ordentlichen Dämpfer. Sie konnte nicht ernsthaft von uns verlangen in einer Unterrichtseinheit die erste Szene draufzuhaben, die – das wollte ich kurz anmerken – sehr lang war.

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