15 | Melancholie

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Neverland – Abstract

Laute Musik. Stimmengewirr. Klirrende Gläser und das Auflachen verschiedener Personen. Ich wusste nicht, wo ich mich befand. Alles erschien so hell. So schön. Ich schaute mich nach Gesichtern um, die ich möglicherweise kannte, damit ich jedenfalls einen Anhaltspunkt hatte. Doch als ich ein sehr bekanntes Gesicht erkannte, und dieses mich geradewegs anschaute, wünschte ich mir, woanders zu sein – nicht hier. Denn ich bekam eine Vorahnung, die mir ganz und gar nicht gefiel.
Mein Vater stand im Smoking vor mir, lächelte mich an und sagte:

»Schön, Zara, dass du du doch noch gekommen bist. Wo ist denn deine Mutter?«

Ich zuckte mit den Schulter. Ich wusste noch nicht mal genau, wo ich mich befand. Woher sollte ich dann wissen, wo meine Mutter war?
Mein Vater zuckte achtlos mit den Schultern, nahm meine Arm, führte mich zu einem Grüppchen und sagte währenddessen:

»Zara, ich möchte dir jemanden zeigen.«

Ich schluckte hart. Bitte, lass es nicht das sein, was ich dachte.
Als wir die kleine Gruppe erreichten, wurden wir auf der Stelle bemerkt.
»David, Martha hat Mama gesagt!«, quietschte eine Frau, die auf uns zukam.
Eine Frau, die ich ab und zu mal in der Firma, in der mein Vater arbeitete, gesehen hatte.

Damals hätte ich nie gedacht, dass sie irgendwelche Auswirkungen auf unsere Familie haben könnte.
Rosella schritt auf uns zu.
Erstaunt riss ich die Augen auf.
Nicht, weil Rosella eine schreckliche Hochsteckfrisur hatte, die einem Vogelnest glich.
Nicht, weil sie ein weißes, pompöses Hochzeitkleid trug.
Sondern, weil Rosella, die neue Ehefrau meines Vaters, ein Baby im Arm hielt.
Wie in Trance steuerte ich auf Rosella und das Baby zu – obwohl ich das nicht wollte.

Ich nicht erfahren wollte, was Rosella mir gleich zu sagen hatte.
Sie lächelte mich überglücklich an.

»Darf ich vorstellen, Zara. Das ist Martha. Martha, das ist Zara – deine große Halbschwester.«

Ich saß senkrecht im Bett – schweratmend und schwitzend. Dieser Traum war äußerst gruselig gewesen. Ich hatte das Gefühl gehabt, dass ich im Traum war – all das persönlich erlebte. Doch gleichzeitig hatte ich das beunruhigende Gefühl gehabt, mich selbst auch von außen zu beobachten.
Wie konnte mir mein Unterbewusstsein sowas antun? Ich schaltete meine Nachttischlampe ein und starrte meine fliederfarbene Bettdecke an, in der sich meine Beine merkwürdig verheddert hatten.
Ich schauderte über den Gedanken, dass mein Vater möglicherweise Nachwuchs erzeugen könnte.
Kurzentschlossen nahm ich mein Handy vom Nachtisch und rief Zac an.

»Wow, Zara O'Dell meldet sich mal wieder. Applaus bitte!«

Ich hörte am anderen Ende der Leitung ein regelmäßiges Klatschen.
Ich lächelte leicht.

»Ja, Zara O'Dell ist wieder da!«, spielte ich flüsternd mit, da es kurz nach Mitternacht war.

»Wie geht es dir? Wir haben uns Sorgen gemacht«, sagte Zac und klang bereits eine Spur ernster.
Ich wusste, wen er mit »wir« meinte – Tia und Leroy.

»Mir geht es schon besser«, antwortete ich nicht ganz wahrheitsgemäß. Die Sache mit meinem Vater beschäftigte mich anscheinend doch mehr, als ich anfänglich angenommen hatte.

»Zara«, rügte mich Zac, »ich kann förmlich spüren, wie die Traurigkeit in deiner Stimme durch mein Handy sickert. Du tust zwar immer so, als wärst du stark, aber jeder Mensch hat seine Belastbarkeitsgrenze. Was ist los?«

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