54 | Vakuum

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Dream - Imagine Dragons

Die nächsten fünf Minuten erlebte ich in einem Vakuum ähnlichen Zustand. 
Tia war die erste, die ins Zimmer hineinstürzte.

Hineinstürzen. Normalerweise war es eigentlich ein schneller Vorgang. Doch ich erlebte ihn in Zeitlupe. Wenn etwas Schockierendes passierte, kam das bei mir schon mal vor. Eingeschlossen in meinem Vakuum wurde ich plötzlich zur Beobachterin. Und meine Umgebung zog an mir im Schneckentempo vorbei. Langsam sank ich an eine Wand hinunter und hielt meinen Kopf fest.

Einatmen.  Ich atmete ein.

Ausatmen. Ich atmete aus.

Ich sollte mich zusammenreißen. Vorsichtig richtete ich mich wieder und erwachte aus meiner Starre. Nick eilte nun ins Zimmer - dicht gefolgt von seiner Frau Esperanza. Tia schaute mich eindringlich an. Nun kam sie auf mich zu und schüttelte meine Schultern.

»Zara, was ist passiert?« , fragte sie mich ruhig.

Wie konnte sie nur so ruhig bleiben? Hatte sie so etwas bereits erlebt? Mein Blick richtete sich auf Nick, der versuchte, Esperanza zu beruhigen. Diese schien den Tränen nahe zu sein. Ständig fuhr sie sich nervös durch das lockige Haar und murmelte irgendetwas auf Spanisch vor sich hin. Mein Blick wanderte wieder zu ihrem Mann, der jetzt abwechselnd auf seine Armbanduhr und zu Ryders immer noch zuckenden Körper schaute.

»Er... er hat sein T-Shirt ausgezogen ... und dann hat er sein Gleichgewicht aus irgendeinem Grund nicht mehr halten können. Ich w-weiß nicht, was gerade passiert ist. Könntest du mir bitte erklären, was gerade hier passiert? Was hat Ryder nur?«, zum Ende hin brach meine Stimme ab. Mir wurde nämlich bewusst, wie unsinnig sich das anhörte.

Anstatt etwas zu sagen, nickte sie nur und ging zu ihrem Vater. Kurz darauf fing sie an, sich leise mit ihm zu unterhalten. Da ich mich nun wieder halbwegs beruhigt hatte, ging ich zu Esperanza, um das Geschehen nicht nur aus nächster Nähe zu sehen, sondern zu helfen.
Ich legte meine Hände auf ihre Schulter, wie es Nick und Tia bei mir zuvor getan hatten und schaute ihr dabei in die Augen. Ich überlegte, ob ich etwas sagen sollte, doch ich entschied mich dagegen, da sie mich nun fest umarmte. Über Esperanzas Schulter hinweg sah ich Tia telefonieren. Ihre innere Ruhe wurde jetzt durch das fiebrige Glänzen in ihren Augen ersetzt. Mir wurde schlecht. Tia wurde sogar langsam panisch. Also war ihnen die Situation anscheinend doch nicht bekannt. Als sie den Namen der Straße, in der wir wohnten, erwähnte, wurde mir klar, dass sie den Notruf anrief. Ich biss mir auf die Lippe, um nicht vor Verzweiflung zu schreien. 

»Er ist doch mein kleiner Junge « , schluchzte Esperanza an meiner Schulter gepresst.

Ich schloss die Augen und drückte sie fester an mich ran. Mein Herz zerriss beinahe,  als ich die sonst so lebensfrohe Esperanza leiden sah. Das einzige, was ich tat, war sie zu umarmen. Doch ich wusste selbst, wie tröstend es sein konnte, umarmt zu werden.

Einige Minuten später kam der Krankenwagen und alles geschah ganz schnell. Wir waren plötzlich nicht mehr in Ryders Zimmer, sondern draußen auf der Straße und sahen zu, wie die Sanitäter Ryders nun bewusstlosen Körper auf die Trage beförderten. Esperanza fuhr mit und Tia, Nick und ich würden mit dem Auto hinterher fahren.

Dachte ich jedenfalls. Allerdings hielt Tia mich davon ab.

»Bleib lieber hier, Zara. Es ist besser für dich. Du bist völlig aufgelöst und wir wollen dich nicht mit unseren Familienproblemen belasten.«

Komm' mir jetzt nicht damit.

»Ich bin seine Freundin. Bitte lasst mich mitfahren!«

Tia schüttelte bestimmt den Kopf.

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