2. Was damals geschah...

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//Rückblick//

Heute war es endlich soweit. Endlich war der 11. Februar 2003, der Tag meines sechsten Geburtstages. Ich freute mich riesig und konnte die Nacht davor kaum schlafen vor Aufregung. Immer wieder lauschte ich an der Tür und schaute auf die Uhr, die ich mit meinen seid heute 6 Jahren schon etwas lesen konnte. Es war 7 Uhr und noch immer war alles still im Haus. Als ich die Vorhänge in meinem Zimmer zur Seite zog, da ich sowie so nicht mehr schlafen konnte, traute ich meinen Augen kaum. Es schneite! Endlich!! Es war bereits Februar und das da draußen war der erste Schnee des Jahres und wie es aussah, hatte es die Nacht durch geschneit, denn es lag bereits eine dicke, weiße Schneedecke, was mich nur noch glücklicher machte. Ich liebte den Schnee und allgemein den Winter. Diese einzigartig, schimmerten Kristalle brachten mich jedes Jahr aufs Neue zum Staunen. Was soll ich sagen, im Winter war ich ganz einfach in meinem Element.

Meine freudigen Gedanken wurden plötzlich durch eine aufgehende Tür unterbrochen. Die Aufregung in mir stieg, da ich dachte, jetzt gibt es endlich Geschenke! Doch daraus sollte nichts werden,... denn statt ruhigen fröhlichen Stimmen, hörte ich meine Mutter im Flur schreien und weinen. Verunsichert schlich ich zur Tür und drückte mein Ohr dagegen. Das nächste was zu hören war, war das Zuknallen einer Tür, woraufhin sich schnelle Schritte vom Schlafzimmer entfernten. Kurze Zeit später hörte ich jemanden hinterher rennen. Es war mein Dad, denn er schrie durchs Haus. Ich bekam Angst, war dennoch neugierig und schaute durchs Schlüsselloch, um tatsächlich mit ansehen zu müssen, wie er meine Mama an den Haaren zu sich hin zog. Sie hielt dagegen, doch schon landete die Hand meines Vaters im Gesicht meiner Mutter. Mir schossen die Tränen in die Augen, ich bekam immer mehr Angst und kroch unter meine Bettdecke. Dann hörte ich die Haustür und kurz darauf ein Auto, welches mit quietschenden Reifen davon fuhr...

Mein Herz raste, nur um kurz darauf beinahe zum Stillstand zu kommen, als meine Tür aufgerissen wurde. Meine Atmung verlangsamte sich, als ich sah, dass es Ben war. Er war inzwischen also auch wach geworden und rannte sofort zu mir ins Bett. Verzweifelt blickte mein großer Bruder in mein verheultes Gesicht, woraufhin er mich in den Arm nahm. Ich spürte, wie er zitterte. Auch er hatte Angst! Wir hörten unseren Vater fluchen und schreien, also war uns klar, dass es Mami war, die kurz zuvor mit dem Auto davon gefahren war...
Die schützende Wärme meines Bruders half mir, wenigstens halbwegs runter zu kommen. Klar, ich hatte noch immer Angst, doch Ben meinte dann, Papa sei wieder ins Schlafzimmer gegangen, woraufhin ich mich langsam von ihm löste.

"Mami.", flüsterte ich.

Ich wollte zu ihr und das so schnell, wie nur irgendwie möglich, doch Ben versuchte mich erst einmal zu beruhigen. Er drückte meinen Kopf an seine Brust, sodass ich seinem gleichmäßigem Herzschlag lauschen konnte. Dieser ließ mich tatsächlich ruhiger werden, sodass sich meine Augenlider kurz darauf nieder legten...

Ein Klingeln durchdrang meinen Kopf. Müde setzte ich mich auf und bemerkte einen schlafenden Ben neben mir. Da fiel mir alles wieder ein...

„Mama!", schrie ich, da ich dachte sie war an der Tür, von der ich das Klingeln nun ausmachte.

Ohne nachzudenken rannte ich raus, durch den Flur, die Treppe hinunter und sah dann dort... nein nicht meine Mami, sondern meinen Vater, der geöffnet hatte und sich mit einem Polizisten unterhielt. Langsam ließ ich mich an der Wand hinutergleiten und lauschte...

Es waren nur wenige Wortfetzten, die ich wage mitbekam, doch die reichten mir vollkommen. Es ging um meine Mama und... sie war...tot! Ich war wie erstarrt und konnte einfach nicht glauben, was ich da hörte...

Mit jedem weiteren Wort des Polizisten, drehte sich mein Magen mehr und mehr um. Dieses Gefühl, es war mir komplett unbekannt. Ich hatte das Gefühl brechen zu müssen. Meine Gedanken liefen Amok, als ich Schritte hörte und dann in die großen Augen meines Bruders blickte. Als er mich sah, rannte er schleunigst auf mich zu und fragte was los sei. Ich war wie gelähmt, ich konnte es nicht aussprechen. Mit meinen inzwischen 6 Jahren sagte ich ihm, unter schluchzenden Geräuschen, was passiert ist. Er wurde ganz weiß im Gesicht. Keiner von uns sagte etwas. Es herrschte Stille. Totenstille!

...drei Wochen später:

Die Stimmung im Haus war noch immer wie gelähmt. Unser Vater hatte seit dem Unfall kein einziges Wort mit uns geredet. Stattdessen hing er am Alkohol und das inzwischen täglich. Er war nur noch betrunken und schlug uns grundlos, immer wieder... Er wusste, dass alles seine Schuld war und wir bekamen das jetzt zu spüren, da er damit anders nicht umgehen konnte. Ben versuchte mich immer zu beschützten. Doch trotz seiner bereits 18 Jahren kam er nicht gegen ihn an.

Wir wurden tatsächlich geschlagen und es hörte nicht mehr auf. Täglich bekamen wir es mit der Angst zu tun, sobald wir ihn oder den Alkohol sahen, durch den mein Vater vergaß was er tat. Doch es sollte nicht dabei bleiben. Er ließ uns nicht mehr aus dem Haus und dann passierte es.

Ich war in meinem Zimmer und er kam herein. Ich spürte die Kälte, die von ihm ausging. Er kam direkt auf mich zu. Ich war schon wieder auf Prügelei eingestellt, doch er nahm mich und trug mich nach draußen durchs Haus, bis ins Schlafzimmer. Ich konnte wieder den Alkohol riechen. Er war inzwischen zu seinem persönlichen Duft geworden... ich bekam immer mehr Angst und rief nach meinem Bruder, doch es war zu spät.. mein Vater hatte das Zimmer bereits abgeschlossen und legte mich auf das Doppelbett... Dann durchlebte ich den wohl psychisch und physisch schlimmsten Moment meines Leben.. Herzlos wurde mir das weg genommen, was mich später einmal besonders und anziehend auf das männliche Geschlecht machen sollte..

Wage bekam ich immer wieder mit, wie mein Bruder an die Tür hämmerte und meinen Namen schrie. Doch es half nichts... Während ich hilflos weinte, versuchte Ben noch immer mit aller Gewalt hereinzukommen. Er schaffte es nicht. Die Schmerzen waren unerträglich und wurden von Sekunde zu Sekunde immer schlimmer.. Dann war es vorbei.. Ich war wie gelähmt und erinnerte mich dann, nur noch an Bens Körperwärme... Was mit mir war, wusste ich nicht, nur eines war sicher, ich war ein Wrack, ein seelisch verlorenes Stück Etwas..

_________

Leichte Erschütterungen rissen mich aus meinem unruhigen Schlaf. Als ich zu mir kam, sah ich, dass ich in unserem Auto auf dem Rücksitz lag, während Ben mit angespanntem Kiefer fuhr. Ich wollte mich aufsetzte, als ich jedoch Schmerzen in meinen Armen und Beinen, dann in den Rippen und in meinem Bauch spürte.

„Wohin fahren wir?" fragte ich benommen, verstört und noch immer ängstlich.

„Ins Krankenhaus und dann einfach nur weg." hörte ich von meinem großen Bruder, wobei ich noch nie zuvor solch eine Kälte in seiner Stimme gehört hatte..

Ich sah zu, wie er telefonierte und sich nach etwas Bewohnbarem erkundigte.

//Rückblick Ende//

Now I know, I can't live without YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt