130. Save me

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Meine Sicht:

Ein seltsamer Nachgeschmack in meinem Mund zwang mich die Augen zu öffnen. Ich schluckte ein paar mal schwer, was, auf Grund meines trockenen Halses, leicht schmerzte. Verwirrt setzte ich mich auf und hielt mir den Kopf, auch der fühlte sich alles andere, als gesund an. Erst jetzt nahm ich so nebenbei auch mal langsam meine Umgebung wahr. Nun ja, ich versuchte es zumindest, was auf Grund der Dunkelheit, nicht so ganz einfach war. Ein schmaler Lichtstrahl durch ein paar Vorhänge war das einzige, was den Raum ein wenig erhellte. Naja, so konnte ich wenigstens die Umrisse einzelner Möbel und der Tür erkennen.

„Wo sind wir hier? Harry? Deliha?“, fragte ich mit brüchiger Stimme und zusammengekniffenen Augen, bekam jedoch keine Antwort.

Keuchend setzte ich mich an den Rand des Bettes, in dem ich lag und stützte mich mit meinen Hände ab, um aufzustehen, was auch anfangs gut gelang, bis auf einmal ein stechender Schmerz meinen Kopf durchdrang, der mich zwang zurück aufs Bett zu fallen. Unter meiner Schädeldecke ratterte es, mir wurde schwindelig, meine Gedanken schweiften von dem hier und jetzt ab, ich verlor die Realität aus den Augen, war für einen kurzen Moment nicht länger in der Gegenwart... Geistig schlichen sich Bilder meiner Tochter durch meinen Kopf, Bilder von Harry' s Zimmer, und dann dem Gästezimmer und... auf einmal war alles zurück, alle Erinnerungen waren wieder da! Ich wusste wieso ich nicht zu Hause war, wieso niemand bei mir war und vor allem wegen wem ich hier gelandet bin...

//Flashback//

Don't you worry, don't you worry child, See heaven's got a plan for you Don't you worry, don't...“, sang ich gerade leise auf Harry' s Bettseite sitzend, um Deliha in meinen Armen, in den Schlaf zu wiegen, als ich jedoch abrupt stoppte.

Geräusche weckten meine Aufmerksamkeit. Ich war mir sicher, etwas gehört zu haben. So schlich ich also aus Harry' s Zimmer raus und durchforstete den dunklen Flur. Ich streckte mein Ohr in die Luft und summte währenddessen weiter vor mich hin. Deliha jedoch war noch immer hellwach.. 'Ganz der Papa', dachte ich lächelnd, als ich erneut etwas hörte. Diesmal wusste ich auch woher und folgte den Geräuschen, bis ins Gästezimmer. Vorsichtig öffnete ich die Tür und spähte durch den Spalt hindurch. Es war nichts zu sehen, weshalb ich mich gerade wieder umdrehen wollte, als ein Schatten ins Zimmer geworfen wurde. Erschrocken drehte ich mich wieder zurück und sah eine dunkle Gestalt draußen am Fenster herum hantieren. Mein erster Gedanke: Deliha in Sicherheit bringen!! Hätte ich sie nicht in meinen Armen, wäre ich vermutlich vor Schreck stocksteif stehen geblieben, doch sie weckte meinen Beschützerinstinkt, der meine Gedanken und Gefühle in diesem Moment überwog. So schnell mich meine Beine tragen konnten, rannte ich also zurück in den Flur, als ich auch schon ein Knacksen hinter mir vernahm. Das Adrenalin schoss mir augenblicklich in die Beine, da mir klar wurde, das Fenster war offen! Ich flüchtete hinein in die nächste Tür, hinein in Harry' s Zimmer, da ich es bis zur Treppe vermutlich nicht mehr ungesehen geschafft hätte. Drinnen angekommen sah ich mich panisch um. Ich konnte Deliha nicht einfach in ihr Bettchen legen. Ich brauchte ein Versteck. JETZT!! Meine Augen flogen über die Schränke und Möbel hinweg und blieben an unserem Bett hängen. Reflexartig rannte ich darauf zu und schaffte es noch gerade so meine Tochter darunter zu platzieren und wieder aufzustehen, bevor die Tür mit einem lauten Knall aufsprang. Der Lichtstrahl einer Taschenlampe erblickte mein Gesicht, woraufhin schwere Schritte auf mich zu kamen. Mein Atem stockte, meine Füße wurden steif und mein Körper gefror, als die Gestalt nun auch noch das Reden begann.

Hey mein Röschen.“, kratzte diese Stimme, bevor ein widerlicher Geruch meine Nase erkundete. Dieser Gestank ließ meine Glieder erschlaffen und müde werden. Meine Augen fielen zu, ich hatte keine Kontrolle mehr. „Schlaf gut Prinzessin.“, waren die letzten Worte, die ich wahrnahm, bevor die Dunkelheit eintrat.

//Flashback Ende//

Erst jetzt bemerkte ich, dass meine Hände sich links und rechts von mir in den Stoff des Bettlakens gekrallt hatten. 'Ich wurde entführt! Und das von meinen eigenen Vater!', schoss es mir durch den Kopf, woraufhin sich meine Atmung radikal verschnellerte. Ungläubig darüber, dass gerade mein schlimmster Albtraum war geworden war, rollten die ersten Tränen über meine Wangen hinweg. Schockiert versuchte ich einen zweiten Anlauf, um aufzustehen, was diesmal auch klappte. Ich schwankte hinüber zur Tür, die jedoch wenige Meter vor meine Ankunft aufgerissen wurde. Licht erhellte den Raum und zwang mich somit zu blinzeln. Meine Augen hatte sich bereits an die Dunkelheit gewöhnt, weshalb ich einen Moment brauchte, um wieder klar sehen zu können. Doch, als ich das endlich wieder konnte, wünschte ich mir sehenstlich blind zu sein. ER stand vor mir und nicht nur das! Jetzt erkannte ich auch, wo ich war! Ich war in meinen alten Mädchenzimmer. Nichts hatte sich verändert! Alles lag und stand noch genau da, wo es damals war. Alles, so auch das Bild... Das Bild, das ich Mummi malte, bevor ER mich holte und vergewaltigte. In den letzten Jahren waren die Erinnerungen und Schmerzen kein einziges Mal, so stark wie jetzt. Alles spielte sich beinahe real vor meinen Augen ab. Von der Vergewaltigung und somit meiner letzten Begegnung mit ihm, bis hin zu dem Brief im Krankenhaus, seiner 'Ankündigung' an mich, wie er es nannte, wodurch er all meine Ängste und Albträume wahr werden ließ.

„Nein..“, flüsterte ich gebrochen und wagte es nicht, mich auch nur einen Zentimeter zu rühren, zu groß war die Angst vor ihm.

Stockseif musste ich also dieses dreckige Grinsen über mich ergehen lassen.

„Ich hab dir doch versprochen, dass ich dich da raus und wieder zu mir zurück holen werden.“, lachte er hämisch und kam einen Schritt auf mich zu, was die Panik in mir ausbrechen ließ. Mein Atmen ging in ein Schnaufen über, mein Starre verflog zum Fluchtinstinkt. Schnellen Schrittes versuchte ich also an ihm vorbeizukommen, doch ihm genügte seine große Hand, um mich am Oberarm zu packen und zurück zu ziehen. Ich stellte mich bereits auf Schläge ein, als er mit seiner Hand ausholte und kniff deshalb die Augen zusammen. Doch es geschah nichts. Vorsichtig linste ich also durch einen klitzekleinen Spalt zwischen meinen Augenlidern und stellte fest, dass er lediglich zu meinen Schreibtisch gegriffen hatte, um ein Blatt Papier und einen Stift zu holen. Fragend blickte ich zu der riesigen Gestalt vor mir auf und erntete erneut dieses widerliche Grinsen.

„W.. was s..soll ich d..d..damit?“, fragte ich kaum hörbar und sah hinunter auf den Boden.

Ich spürte, dass er sich zu mir runter beugte, da ich seinen Atem an meiner Wange spürten konnte. Er stank wie immer einfach nur nach Alkohol und Rauch.

„Schätzchen, deine Freunde sollen doch wissen, dass es dir jetzt endlich wieder gut geht. Sie sollen keinen Grund haben nach dir suchen zu müssen, sie sollen wissen, dass es dir nun besser geht, als all die Jahre zuvor, also schreib ihnen das auch genau so.“, flüsterte er und hinterließ noch einen Kuss auf meiner Wange, bevor er das Zimmer verließ und mich mit Briefpapier und Stift stehen ließ. Ich sollte also einen Abschiedsbrief verfassen... Meine Gedanken standen Kopf, würden sie tatsächlich aufhören nach mir zu suchen, wenn sie ihn lesen würden? Ich wusste es nicht, doch ich war momentan nicht in der Situation, um zu rätseln, weshalb ich mich an den Schreibtisch setzte. Einerseits hatte ich Angst, andererseits: Ich musste diesen Brief schreiben! Entweder würden sie mich dadurch vergessen und irgendwann ihr altes Leben wieder leben oder sie würden erkennen, wie viel Verzweiflung hinter jedem einzelnen Wort steckt und erst recht weiterhin nach mir suchen. Er war also durch geschickte Hinweise meinerseits entweder mein Ticket in die Freiheit oder falls sie sie nicht verstehen werden, mein Testament. So setzte ich also den Stift an und brauchte gar nicht lange zu überlegen, da die Worte nur so aus mir herauskamen. Meine Gefühle, Emotionen, Gedanken, alles steckte ich in diesen Zeilen, denn ich konnte mir ja nicht sicher sein, ob ich hier wieder raus kommen würde, weshalb es auch irgendwie ein richtiger Abschiedsbrief war, bei dem ich öfter, als nur einmal in Tränen ausbrach...

Now I know, I can't live without YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt