115. Präsenz

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Meine Sicht:

„Harry? Du weißt nicht zufällig, wo ich jetzt noch einen Blazer herbekomme, oder?", rief ich aus dem Badezimmer, als ich vergeblich versuchte die Knöpfte zu schließen.

„Nein Baby, aber du solltest dich jetzt lieber mal ein wenig beeilen, wenn wir pünktlich sein wollen.", entgegnete er, während ich sein nervöses hin und her - Dribbeln vor der Tür hörte.

So band ich also noch schnell meine Haare zu einem strengen Dutt nach oben und ließ meine Jacke einfach offen.

„Naja, nicht schön, aber selten.", murmelte ich, während ich mich noch einmal vor dem Spiegel drehte, bevor ich aus der Tür raus stolperte.

Ich freute mich wirklich, dass Harry nun doch nichts mehr dagegen hatte, dass ich heute zu Gericht gehen würde. Es war ein tausend mal besseres Gefühl zu wissen, ihn an meiner Seite zu haben und dass ich somit dort nicht alleine durch musste. Lächelnd stand ich vor ihm, als er mein 'kreatives Outfit' begutachtete.

„Wow, selbst hochschwanger und in deshalb viel zu engen Klamotten siehst du noch hammermäßig aus.", schleimte er, bevor ich augenverdrehend an ihm vorbei lief.

Zwei schwere Hürden standen mir heute noch bevor, zum einen eben der Prozess und zum andern diese verfluchte Treppe. Seufzend legte ich meine Hand ans Geländer und bereitete mich auf die Stufen vor, als ich zwei Hände an meiner Hüfte spürte, die mich mit Leichtsinn runter trugen, wo bereits alle andern warteten.

Ich spürte skeptische, doch vor allem sorgenvolle Blicke auf mir, bevor wir uns auf den Weg nach draußen zum Wagen machten. Es folgte eine wortlose Autofahrt, während ich mit jedem Kilometer nervöser wurde. Mir war klar, dass sie das nur mir zu Liebe machten und keinesfalls, da sie meiner Meinung waren, was mein mulmiges Gefühl im Magen nicht gerade verringerte.

„Hey, ich bin bei dir.", flüsterte Harry, was mir ein leichtes Lächeln entlockte, dass jedoch sogleich wieder verschwand, als Louis das Auto einparkte. Wir waren da.

Harry' s Sicht:

Von Minute zu Minute bereute ich unsere Entscheidung, sie hier her gelassen zu haben. Ich spürte ihre Nervosität und Angst vor dem Moment, wenn sie Noah gegenüber treten musste. So etwas ist doch nicht gesund für eine Hochschwanger. Sollte ich jetzt einen Rückzieher wagen? Vermutlich wäre es die richtige Entscheidung, doch ich wollte das Risiko, dass sie sich dann fürchterlich aufregen würde, nicht eingehen. Die Wartezeit, bis sie endlich aufgerufen wurde, wurde immer unerträglicher. Ich sah in die Gesichter der anderen, die genauso wie ich damit kämpften, Denise nicht sofort einzupacken und wieder mit nach Hause zu nehmen. Ihre besorgte Mimik bestätigte meine Gedanken in jeglicher Art. Noch immer zweifelnd begann ich nun auch noch auf meinen Fingernägeln zu kauen, was ich das letzte mal gemacht hatte, als ich noch im Kindergarten war. Ich wollte sie dort einfach nicht reingehen lassen.

„Harry? Ist alles in Ordnung?", fragte sie mich vorsichtig, als ich bemerkte, dass ich sie noch immer mit nachdenklichem Blick anstarrte.

„Klar, nur..", weiter kam ich nicht, da Denise gerade in diesem Moment rein gerufen wurde.

Schnell stand ich auf, um ihr hoch zu helfen, sodass wir uns jetzt also direkt gegenüber standen.

„Ich geh dann mal.", flüsterte sie mir gesenktem Kopf und wollte sich gerade umdrehen..

Meine Sicht:

„Ich geh dann mal.", flüsterte ich, wobei ich Harry nicht ins Gesicht schauen konnte. Mir war klar, ich hätte geheult bei seinem Anblick.

So entfernte ich mich also ohne ein weiteres Wort, als ich seine Hand an meiner Schulter spürte. Langsam wurde ich noch einmal umgedreht und gezwungen ihn anzusehen. Wie zu erwarten schoss mir die heiße Flüssigkeit in die Augen, als ich in sein Gesicht blickte. Seine Augen starrten besorgt in meine. Unter ihnen befanden sich dicke Tränensäcke, die ich erst jetzt bemerkte. Was soll ich noch großartig sagen, er sah einfach schrecklich aus und das vermutlich erneut wegen mir...

„Ich liebe dich, vergiss das nie!", flüsterte er und küsste mich noch einmal, bevor er mich schweren Herzens entließ.

Mit Blick auf ihn und die anderen, die nicht gerade besser aussahen, lief ich dem Mann hinter her, der mich aufgerufen hatte. Wir kamen an der großen, braunen Holztür, die mir bereits beim kommen aufgefallen war, an und schlagartig wurde mir schlecht. Als sie dann auch noch geöffnet wurde und ich Noah ganz vorne sitzen sah, musste ich mich mehr, als zusammen reißen, nicht los zu reihern. Ich ließ die Erinnerungen zu, die seine Anwesenheit in mir verursachte, da ich wusste, dass ich dadurch mutiger und entschlossener werden würde, die Wahrheit gegen ihn auszusagen.

Harry ' s Sicht:

Zwanzig Minuten waren bereits verstrichen, als Denise, den Gerichtssaal betreten hatte. Zweifelnd lief ich den Flur hoch und runter, während Vorwürfe meinen Kopf beherrschten. Niemand konnte mich beruhigen, da einfach niemand in der Lage dazu war, allen ging es wie mir. Ständig wanderten meine Hände zu meinen Locken und rauften sie. Ich wollte jetzt wissen, für was die meine Freundin so lange brauchten und gerade als ich die Tür vor Zorn aufreißen wollte, kam sie mir entgegen. Sie sah, nun ja etwas anders aus, als erwartet, nicht so sehr bedrückt, eher besser.

Meine Sicht:

Harry sah mich etwas, beinahe erschrocken, an, als ich raus kam. Wahrscheinlich lag es an meinem Auftreten. Nun ja, also ich war deutlich besser drauf, als noch vor ca. einer halben Stunde, als ich rein musste. Anfangs überwogen noch sämtliche negativen Gefühlen, doch als Noah und seine Verteidigung mich dann ständig mit Gegenanschuldigungen und Vorwürfen an mich unterbrach, wuchs der Zorn in mir. Ich spürte, wie sich mein Körper langsam aus dieser unangenehmen Anspannung löste und in diesen für mich so typischen, entschlossenen Zustand über ging, in dem ich meine Probleme und das was ich sagen wollte, nur so aus mir heraus sprudeln ließ. Ich erzählte dem Richter haargenau, was passiert war, ohne jeglichen Scham oder sonstiges. Ich ließ mich zu keiner Sekunde von der Seite beeinflussen, sondern ignorierte gekonnt die Anschuldigungen gegen mich, von wegen ich wäre ja freiwillig eingestiegen und hätte ebenso aufreizende Wäsche angehabt, was ja wohl lächerlich war, da das Gericht ja genau wusste, in welcher Kleidung ich bei dem Unfall aufgefunden wurde. So vollendete ich also meine Aussage, nach der ich mich innerlich bestens fühlte und wollte dann auch bereits gehen, blieb jedoch noch bis zum Ende, da ich doch zu neugierig war, wie das alles jetzt ausgehen würde... Nun ja Noah' s lächerlichen Schilderungen wurde glücklicherweise kein Glauben geschenkt, sodass er nun mit seiner Haftstrafe leben musste. Inzwischen hatte ich keinerlei Mitleid mehr mit ihm sodass ich guten Gewissens den Gerichtssaal verließ und dabei beinahe gegen Harry stolperte, der mich etwas perplex ansah. Nachdem ich ihm und den andern, dann aber alles erzählt hatte, spürte ich eine deutliche Erleichterung in allen, am meisten jedoch in Harry, der daraufhin auch sofort los plapperte mit einem Inhalt, auf den ich so, allerdings nicht vorbereitet war.

Now I know, I can't live without YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt