"Und? Was meinst du? Wie wird er diesmal sein?", fragte meine beste Freundin Alice, als wir von der Schule nach Hause liefen.
"Ach, ich weiß nicht. Ich will gar nicht erst daran denken. Ich habe langsam die Schnauze echt voll von Melanie und ihren ständig wechselnden Freunden.", antwortete ich.
"Du weißt ja, falls es dir zu viel wird, kannst du bei mir übernachten."
"Danke. Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde. Du rettest mich immer wieder."
Alice lächelte und drückte mich enger an sich.Wir waren seit dem Kindergarten beste Freundinnen und unzertrennlich seit dem ersten Tag, an dem wir uns begegnet waren. Seitdem waren wir das längste Mal für vier Wochen getrennt, als meine Familie einen Sommer Urlaub in Europa gemacht hatte. Wir liefen jeden Morgen zusammen zur Schule und nach der Schule wieder nach Hause. Viele in unserer Schule dachten, wir seien lesbisch, weil wir immer zusammen waren und auch sehr viel Körperkontakt hatten. Wir wussten selber nicht, warum. Es hat irgendwann angefangen und seitdem war es so. Wir hielten oft Händchen, kuschelten, teilten unser Essen, unser Trinken, unsere Klamotten. Wir schliefen immer zusammen in einem Bett, wenn wir bei der jeweils anderen übernachteten und kuschelten auch dabei. Wäre ich eine Außenstehende, würde ich wahrscheinlich auch denken, die beiden verrückten Mädchen mit den bunten Haaren seien ein lesbisches Pärchen. Aber nein, wir beide waren hetero. Wir waren einfach nur unzertrennlich und verbrachten am liebsten jede freie Minute miteinander.
Naja, Alice war bisexuell, zumindest halb, wie sie es immer nannte, was so viel bedeutete wie, dass sie Jungs bevorzugte, aber auch eine Schwäche für manche Mädels hatte. Sie hatte bisher sowohl mit Jungen als auch mit Mädchen Erfahrungen gesammelt. Es reichte von Rumknutschen bis zu Sex. Ich hingegen hatte null Erfahrung. Die einzige Erfahrung, die ich gesammelt hatte, war mein erster Kuss vor circa einem halben Jahr auf einer Party. Und das war's dann auch schon.
Wir kamen an Alice Haus vorbei. Normalerweise ging ich immer noch für eine Stunde mit hinein, aber heute musste ich direkt nach Hause. Es war Freitag und meine vier Jahre ältere Schwester Melanie kam heute vom College nach Hause, um uns ihren neuen Freund vorzustellen. Die beiden waren seit zwei Monaten zusammen, was wirklich lange für Melanie war. Ich glaube, ihre längste Beziehung hielt ein Jahr und das war auch ihre erste. Danach hatte sie immer nur für wenige Monate einen Freund. Ich verabschiedete mich von Alice und ging die zehn Häuser bis zu unserem Haus weiter. Wir wohnten auf derselben Straße einige Häuser voneinander entfernt, was es umso einfacher machte, so viel Zeit miteinander zu verbringen.
Zu Hause angekommen, schloss ich die Tür auf und ging ins Haus. Ich wurde vom Geruch frisch gebackener Brownies und Schokokuchen erschlagen. Meine Mutter war immer super aufgeregt, wenn Melanies Freunde kamen und alles musste perfekt sein. Das Haus strahlte und jede Ecke glänzte. Das Haus war immer tip top aufgeräumt, da meine Mutter einen sehr nervigen Putzfimmel hatte, aber so gut sah es nicht einmal heute Morgen aus.
Ich ging in die Küche, wo ich meine Mutter vorfand.
"Hey Mom."
"Oh, hallo Anabelle. Würdest du bitte duschen gehen und die Klamotten anziehen, die ich dir in deinem Zimmer zurecht gelegt habe? Melanie und Samuel sind in drei Stunden da und ich will, dass alles perfekt ist."
"Natürlich Mom."
Damit ging ich die Treppen zu meinem Zimmer hoch und schloss die Tür hinter mir. Ich wollte mich auf mein Bett fallen lassen, sah dann aber die Klamotten. Weit ausgebreitet auf meinem Bett. Es war ein schwarzes Kleid aus weichem Samtstoff, das vermutlich bis über die Knie reichte, dazu eine schwarze Strumpfhose und einen schwarzen Blazer mit schwarzen Pumps, die vor meinem Bett auf dem Boden lagen. Wenigstens waren die Sachen schwarz.Meine Mutter würde es nie aufgeben, meinen Stil zu verändern. Ich teilte nicht denselben Geschmack wie sie und Melanie. Deswegen ging ich seit zwei Jahren auch immer alleine oder mit Alice shoppen. Meine Mutter und Melanie hatten früher immer versucht, mich in irgendwelche Sachen zu quetschen, die ich nicht mochte. Eigentlich interessierte ich mich nie besonders für Mode, bis ich 14 wurde und langsam meinen eigenen Stil entwickelte. Schwarz. Ich trug sehr viel schwarz. Ich fühlte mich am wohlsten, wenn ich ein Band Shirt, schwarze Skinny Jeans und schwarze Converse trug. Das war das komplette Gegenteil von Melanies und Moms Geschmack. Sie trugen nur bunte Kleidung mit vielen Mustern und Glitzer, kitschige Sachen halt. Es musste immer elegant und girly aussehen. Nach vielen Streits habe ich ab und zu heimlich ohne die beiden Klamotten gekauft und irgendwann als ich 15 war und einen Job fand und eigenes Geld verdiente, kaufte ich damit meine Kleidung. Die beiden konnten nichts mehr dagegen unternehmen. Mit 16 habe ich dann angefangen, meine Haare bunt zu färben und Alice und ich ließen uns beide ein Nasenpiercing stechen. Das Gesicht meiner Mutter werde ich niemals vergessen, als ich nach Hause kam.
Mein Dad mischte sich nie besonders ein. Er mochte meinen Stil zwar auch nicht besonders, aber er akzeptierte ihn. Ich war das unerwünschte Kind. Besonders was meine Mutter anging. Melanie war ihr Lieblingskind. Ich hatte mich damit abgefunden. Ich passte einfach nicht in ihr Schicki-Micki-Leben, aber das wollte ich auch nicht. Ich wollte einfach akzeptiert werden, so wie ich bin.
Ich nahm die Sachen und schmiss sie auf meinen Schreibtischstuhl. Dann sprang ich in mein Bett und stellte schnell den Wecker für 18 Uhr bevor ich einschlief. Ich konnte ein Nickerchen wirklich gut gebrauchen.
Zwei Stunden später weckte mich mein Wecker. Ich stand auf und ging duschen, was ich nach meiner Mutter schon vor zwei Stunden hätte tun sollen. Vor allem, wenn es um so wichtigen Besuch wie Melanies neuen Freund ging. Ich war jedoch der Meinung, er würde es nicht wert sein, da sie sich eh wieder in kürzester Zeit trennen würden.
Ich steckte meinen iPod an meine Boxen und jammte zu Panic! at the Disco. Ich sprang schnell unter die Dusche und ließ das lauwarme Wasser über meinen Körper fließen, danach schminkte ich mich etwas dezent. Meine Haare steckte ich in einen hohen Dutt. Ich mochte meinen Look nicht, aber meiner Mutter, Melanie und ihrem Freund würde es gefallen. Schließlich zwängte ich mich in dieses hässliche Kleid. Ich zog noch die Pumps an, aber auf die Strumpfhose und den Blazer verzichtete ich. Ich musste mich nicht komplett verstellen für irgendein Arschloch, das ich in zwei Monaten wahrscheinlich eh nie wieder sehen würde.
Ich schaute auf die Uhr. Ich hatte noch sieben Minuten. Ich schrieb Alice eine SMS und machte mich dann auf den Weg nach unten. Meine Mutter sah, dass ich den Blazer und die Strumpfhose weggelassen hatte und natürlich passte ihr das nicht. Man konnte nämlich mein Tattoo sehen, das ich mir vor zwei Monaten stechen lassen hatte. Ich war erst 17 und hatte es ohne die Erlaubnis meiner Eltern gemacht. Eigentlich wollte ich es vor ihnen verstecken, aber letzte Woche war meine Mutter einfach ins Bad hineingeplatzt, als ich duschte und hatte es gesehen. Sie war stocksauer und hatte mir mindestens drei Stunden einen Vortrag gehalten. Mein Dad war nicht besonders begeistert, aber sagte nicht viel dazu. Er zuckte mit den Schultern und versuchte, sie zu beruhigen. Er war wirklich cool und ich war froh, dass ich ihn hatte, denn meine Mutter machte mich verrückt. Meine Mutter und ich waren gerade mitten im Streit darüber, dass ich mein Tattoo verdecken solle, als die Tür aufging und Melanie hereinplatzte.
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Love Triangle-Verliebt in den Freund meiner Schwester
Teen FictionMelanie hat seit kurzer Zeit einen neuen Freund. Sie schwärmt total von ihm. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er besser ist als die Arschlöcher, die sie davor gedatet hat. Als sie ihn uns vorstellt bin ich noch immer negativ eingestellt, aber Sam...