Kapitel 20

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"Du bevorzugst Tee vor Kaffee?"
"Ja.", antwortete Nils lachend.
Oh man. Was war falsch mit diesem Jungen?
"Na gut. Ich dachte immer, ich sei der bescheuertste Mensch auf Erden, aber du scheinst gerade diesen Thron eingenommen zu haben.", sagte ich.
Nils schubste mich leicht.
Ich lachte und stoß ihn mit meinem Ellbogen an: "Hey!"
Wir liefen zur Bibliothek, da wir beide eine gemeinsame Freistunde hatten und die letzten Recherchen für unser Referat machen wollten.
Wir waren so gut wie fertig, es fehlten nur noch hier und da einige Kleinigkeiten. Übermorgen mussten wir unser Referat halten. Das bedeutete, wir hatten nur noch diese Woche Schule bis zu den Sommerferien. Die Zeit ging wirklich schnell rum.

Alice und ich hatten unsere Wogen wieder geglättet. Es waren die zwei schlimmsten Wochen meines Lebens, in denen Alice und ich kaum Kontakt zueinander hatten. Es war furchtbar. Sie hatte sich bei mir entschuldigt, weil sie sich mehr auf Cody als auf mich konzentriert hatte. Und ich hatte mich bei ihr entschuldigt, dass ich mich mehr auf Familienwochenenden als auf sie konzentriert hatte.
Sie lief nun wieder mit mir zur Schule und nach Hause.

Als unsere Freistunde vorbei war, waren Nils und ich mit mehr Informationen für unser Referat ausgestattet. Wir verabredeten uns für morgen Abend, um den letzten Feinschliff für das Referat zu machen.

Ich lief zu meiner letzten Stunde heute - Mathe.
Alice saß schon auf ihrem Platz und ich setzte mich daneben.
"Hey Sweetie!", begrüßte sie mich.
"Hi Süße."
"Also, Freitag schmeißt Bane wieder eine Party, weil dann Sommerferien sind. Ich weiß, du hasst Partys, aber ich brauche meine seelische Unterstützung. Bitte, bitte, bitte.", bettelte Al mich an und verschränkte ihre Finger ineinander.
Ich verdrehte die Augen. "Ich schau mal was sich machen lässt."
Sie sprang von ihrem Platz auf und kam zu mir: "Danke du bist die Allerbeste!" Sie umarmte mich und küsste mein ganzes Gesicht.
"Ist ja gut! Ist ja gut!", lachte ich.
Sie ließ von mir ab und setzte sich wieder an ihren Tisch.
Unser Lehrer kam herein und der Unterricht begann.

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"Ok. Ich werde dir die Fotos der Outfits schicken und du musst mir sagen, was am besten aussieht!", sagte Alice als wir vor ihrer Haustür standen.
"Wird gemacht!", versicherte ich ihr.
Ich hatte mich wieder bei ihr umgezogen und lief dann schnell nach Hause.

Ich öffnete die Tür und ging ins Haus. Als ich meinen Schlüssel an einen Haken hing und mich umdrehte, sprang ich in die Luft. Meine Mutter hatte mich zu Tode erschreckt.
"Hi Mom."
Sie hatte ihre Arme vor ihrer Brust verschränkt und tappte mit einem Fuß auf dem Boden.
"Stimmt irgendwas nicht?", fragte ich vorsichtig.
"Nein, ganz und gar nicht.", sagte sie sauer, "Warum läufst du mit Alice nach Hause?"
"Äh- ich, ich, wir tun das immer."
"Hatte ich dir nicht vor einigen Wochen verboten, dich mit ihr zu treffen!?" Es war mehr eine Aussage als eine Frage.
"Hör zu Mom. Wir treffen uns gar nicht mehr. Wir laufen nur noch gemeinsam zur Schule und nach Hause. Das ist alles. Wir haben das schon immer getan und es wäre merkwürdig, es nicht mehr zu tun."
"Das ist mir egal! Ich will nicht einmal, dass du mit ihr zur Schule oder nach Hause läufst. Ist das klar?"
"Aber Mom-"
"Nein! Ich dulde das nicht mehr länger! Du machst nur noch, was du willst und widersetzt dich mir! Du wirst noch auf die schiefe Bahn geraten!"
"Du bist unglaublich Mom! Weil ich mit Alice zur Schule und nach Hause laufe, werde ich auf die schiefe Bahn geraten?!"
"Sie beeinflusst dich, Schatz. Sie macht dich zu etwas, das du nicht bist. Ich habe gesehen, wie ihr Händchen gehalten habt. Du bist nicht lesbisch, aber sie redet es dir ein. Seid ihr ei-ein P-Paar?"
"Nein! Wie kommst du darauf? Weil wir Händchen halten?!"
"Ja, genau deswegen! Ich sehe sonst keine Mädchen Hand in Hand die Straße entlang laufen."
"Weißt du was Mom? Es tut mir leid, dass ich nicht so eine perfekte Puppe bin wie Melanie! Es tut mir leid, dass ich meinen eigenen Geschmack habe und mich so anziehe und meine Haare so aussehen!", sagte ich und zeigte auf meine Haare, "Es tut mir leid, dass ich noch keinen Freund hatte! Und es tut mir leid, dass ich noch ein dummer Teenager bin und mich nicht verbiegen lassen will und mich meiner Mom widersetze!"
Damit stürmte ich nach oben bevor sie noch irgendetwas anderes sagen konnte.

Ich setzte mich auf mein Bett und weinte mir die Augen aus. Ich konnte nicht genau sagen, wie lange, aber es waren bestimmt zwei oder drei Stunden. Irgendwann gingen mir die Tränen aus und ich fühlte mich einfach nur noch leer.
So fühlte ich mich in letzter Zeit andauernd. Leer, einsam, verlassen.
Es gab nur einen Menschen auf diesem Planeten, der dieses Loch in mir füllen konnte. Ich nahm mein Handy und wählte die Nummer.
Es klingelte einige Male bevor abgehoben wurde.
"Hey."
"Hey. Mir geht es scheiße. Ich brauche jemanden zum Reden."
"Ich bin hier. Erzähl mir alles."
Und so fing ich an, zu erzählen. Einfach alles. Ich erzählte, wie leer ich mich fühlte, wie traurig ich war, wie unerwünscht ich mich fühlte, wie ich mir schon oft vorgestellt hatte, einfach meine Sachen zu packen und abzuhauen oder mich vor einen Zug zu schmeißen. Meine Mom machte mein Leben zur Hölle. Sie war schon immer streng und hatte immer versucht, Melanie und mich in dieses perfekte Schicki-Micki-Leben reinzupressen. Bei Melanie hatte es geklappt, bei mir leider nicht und das passte meiner Mutter ganz und gar nicht. Sie versuchte alles Mögliche, um mich doch noch hineinzuquetschen. Aber ich konnte nicht. Ich ließ mir so vieles von meiner Mom gefallen, aber mich endgültig diesem Lebensstil hinzugeben, konnte ich einfach nicht über mich bringen.
Nach zwei Stunden war ich fertig. Es war eigentlich kein Telefonat, sondern ein Monolog. Ich redete die ganze Zeit und Alice hörte einfach nur zu. Aber zu wissen, dass sie mir zuhörte und mich nicht verurteilte, einfach ihre Präsenz zu spüren, auch wenn es nur durch das Telefon war, tat so gut.

Love Triangle-Verliebt in den Freund meiner SchwesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt