Kapitel 21

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"Wir stellen euch heute den Bau und die Funktionen pflanzlicher Zellorganellen vor. Dabei werden wir so vorgehen, dass Ana und ich euch abwechselnd die wichtigsten Dinge zu den Punkten in unserer Gliederung nennen, da es ja nur ein Kurzreferat sein soll. Wenn ihr Fragen habt, wäre es nett, wenn ihr sie aufschreiben würdet, sodass ihr sie zum Schluss stellen könnt und wir sie beantworten können.", führte Nils in unser Thema ein.

Er wusste, wie nervös ich war und versuchte, mir so viel wie möglich abzunehmen.
Ich stand nicht gerne vor einer Klasse, sodass dich jeder anschauen konnte. Jeder verfolgt alle deiner Schritte und bemerkt jede Bewegung, die du machst. Und wenn du einen Fehler machst, bemerken sie das sofort und fangen an, zu lachen.
Ich mochte so etwas noch nie.

Nils stellte noch schnell etwas an seinem Laptop ein und stellte sich dann wieder zu mir.
Er begann mit dem ersten Thema. Wir hatten insgesamt neun und er hatte vorgeschlagen, zu beginnen, sodass er fünf davon vorstellte und ich nur vier. "Zuerst einmal möchten wir über die Zelle sprechen..."
Ich schaltete ab und versuchte, an etwas anderes zu denken. Ich stellte mir vor, ich sei an einem schönen Ort. Am Strand. Nicht in diesem verdunkelten Klassenzimmer. Plötzlich musste ich an Sam denken und irgendwie beruhigte mich das. Ich dachte an sein schönes Gesicht und an seine Stimme, die immer so tief und beruhigend war. Seine braunen Augen, seine Haa-
Nils stupste mich an. "Du bist dran, Ana!", flüsterte er.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen und 25 Augenpaare starrten mich an.
"Äh- i-ich äh, ja." Ich bekam nichts raus. Ich schaute auf meinen Notizzettel und war völlig weg.

Nils machte einen Schritt zur Seite, sodass er noch näher neben mir war und sein Arm berührte meinen und dann merkte ich, wie er meine Hand in seine nahm. Er drückte sie leicht und flüsterte: "Das endoplasmatische Retikulum. Dein erstes Thema."
Ich schaute auf meinen Zettel und sah die Notizen und plötzlich schoss alles in meinen Kopf, was ich dazu gelernt hatte.
"Ja, das endoplasmatische Retikulum. Es ist so, dass die Kern- und die Zellmembran miteinander verbunden sind. Und zwar durch das endoplasmatische Retikulum, welches sich durch Windungen..."
Er hatte mir den Arsch gerettet!

Während des restlichen Referats lenkte ich mich selbst nicht ab. Ich war voll konzentriert und erklärte alles so gut wie möglich. Eigentlich sogar ziemlich gut. Nils hielt die ganze Zeit über meine Hand, zumindest immer wenn ich sprach. Wenn er etwas erklärte, machte er das mit den Händen und konnte nicht so ruhig da stehen wie ich. Irgendwie sah es wirklich süß aus, wie er mit seinen Händen gestikulierte und versuchte alles anschaulicher zu machen. Er war wirklich in seinem Element.

"Okay. Das war's dann mit dem letzten Thema und auch mit unserem Referat, solange es keine Fragen gibt. Wenn ihr welche habt, könnt ihr sie jetzt stellen. Wir beantworten sie gerne.", sagte Nils am Ende des Referats.
Alle schauten uns an, aber keine Hand hob sich.
Wir warteten zwei Minuten, dann lenkte Mr. Stevens ein. "So gut wie ihr das erklärt habt, können eigentlich keine Fragen aufkommen. Das war wirklich ein perfektes Referat bis ins kleinste Detail. Ich glaube, nicht einmal ich habe es im Unterricht so gut erklärt und veranschaulicht wie ihr beiden. Das ist eine 1+"
Nils und ich schauten uns mit weit aufgerissenen Augen an.
"Danke Mr. Stevens.", sagte Nils als er sich wieder zu unserem Lehrer wendete, "Wir bedanken uns für eure Aufmerksamkeit."
Dann ging Nils zu seinem Laptop und schloss die Power Point und machte den Laptop aus.
Wir setzten uns auf unsere Plätze und hörten uns die anderen Referate an.

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Als wir aus der Klasse gingen, packte Nils mich und wirbelte uns herum.
Ich schrie lachend auf und er lachte ebenfalls.
"Ich bin so stolz auf uns! Wir haben eine 1+ ! Ist das zu fassen?!"
Ich schüttelte meinen Kopf.
"Du bist die beste Biopartnerin auf dem Planeten!"
Ich wurde rot. "Danke! Und du der beste Biopartner. Ohne dich hätte ich das Referat nie im Leben geschafft. Ich danke dir. Das hat mich wirklich beruhigt, dass du meine Hand gehalten hast. Ich war in Gedanken einfach woanders und es tut mir leid, dass ich so stotternd da vorne stand und uns beide zu den Volldeppen des Jahrhunderts gemacht habe."
"Ach Quatsch! Das war überhaupt nicht schlimm. Ich hab mich nur zuerst gewundert. Ich habe den perfekten Übergang für dich vorbereitet und du hast einfach nicht reagiert und dann stand ich da einige Sekunden und du hast ins Leere geschaut und dann wusste ich, dass du gedanklich weggetreten bist. Ich wusste, dass du nervös bist, nur wusste ich nicht, dass es so krass ist. Es tut mir leid, dass ich dir nicht vorher geholfen habe."
"Spinnst du?! Du konntest es doch nicht wissen! Ich danke dir jedenfalls und jetzt müssen wir unsere Note feiern!"
Nils lachte. "Und was schlägst du vor?"
"Hm..." Ich überlegte und legte meinen Zeigefinger auf mein Kinn. "Wie wäre es mit Frozen Yogurt?"
"Klingt super!", sagte Nils.
"Ich brauche nur noch eine gute Ausrede für meine Mom. Ich habe schließlich noch fünf Wochen Hausarrest. Sie ist Mittwochs immer schon um zwölf Uhr zu Hause."
"Wie wär's, wenn du sagst, dass du länger bleiben musstest wegen eines Projekts?", schlug Nils vor.
"Und welches Projekt soll das sein?"
"Ein Bioprojekt. Du musst es mit mir machen. Ich habe eine Idee!", sagte er und zog mich mit sich mit.
Er brachte Alice mit seinem Auto nach Hause und fuhr dann zu mir.

"Hey Mom. Ich bin zu Hause!", rief ich von der Haustür aus.
Es kam keine Antwort, also gingen wir in die Küche. Meine Mutter bereitete irgendein extravagantes Essen vor als sie uns bemerkte.
"Oh, hallo Nils. Freut mich, dich wieder zu sehen.", begrüßte sie ihn fröhlich. Wenn sie doch nur zu Alice so nett wäre.
"Hallo Mrs. Kramer."
"Du sollst mich doch Louise nennen.", tadelte sie ihn freundlich.
"Entschuldigung. Ähm, ich bin hier mit ihrer Tochter, weil wir ein Projekt machen müssen für Bio."
"Ein Projekt? Aber ihr habt doch nur noch zwei Tage Schule.", sagte meine Mom.
"Ja, das stimmt, aber darum geht es auch bei dem Projekt. Wir müssen uns einen ganzen Tag mit etwas Biologischem beschäftigen und es am nächsten Tag vorstellen. Das machen wir schon seit einigen Wochen und Ana und ich sind heute dran. Morgen ist es dann so weit. Deswegen wollte ich Sie fragen, ob ich mir Ihre Tochter bis heute Abend ausleihen darf. Ich verspreche Ihnen, sie wird pünktlich zurück sein."
Meine Mom schaute erst ungläubig, aber Nils hielt ihrem Blick stand und dann gab sie nach.
"Na gut. Um Punkt 22 Uhr bist du wieder hier Fräulein.", sagte sie zu mir.
"Vielen Dank Louise!", sagte Nils und umarmte meine Mutter, die überrascht war von der Geste.
Dann gingen wir aus dem Haus und stiegen in Nils' Auto, um uns auf den Weg zur FroYo-Station zu machen.

Love Triangle-Verliebt in den Freund meiner SchwesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt