Kapitel 39

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Tag sieben.
Tag sieben nach dem Vorfall zu Hause.
Tag sieben an dem sich Alice noch immer nicht bei mir meldete.
Ich wartete vergeblich auf einen Anruf oder eine SMS, aber sie hatte die ganzen letzten Tage nichts von sich hören lassen.
Ich konnte diese Situation nicht mehr ertragen und machte mich auf den Weg zu ihr.
Melanie wollte Mom erzählen, dass ich mich nicht an meinem Hausarrest gehalten hatte, aber Sam hatte es irgendwie geschafft, sie davon abzubringen. Die beiden waren bereits seit einigen Tagen wieder weg. Und mein Dad hatte meine Mom überzeugt, die letzte Woche Hausarrest aufzuheben, da ich mich sehr gut benommen hatte die letzten Wochen. Heute war also mein erster Tag in Freiheit nach fast drei Monaten.

An ihrem Haus angekommen, klingelte ich und wartete. Theresa, Alice Mutter, machte nach wenigen Minuten auf.
"Oh, hallo Ana! Ich habe dich ja schon so lange nicht mehr gesehen. Wie geht es dir?"
"Hallo Theresa. Mir geht es wirklich gut und dir? Es stimmt, du warst immer unterwegs in letzter Zeit und wenn ich hier war, habe ich dich nicht zu Gesicht bekommen."
"Mir geht es auch gut. Ja, die vielen Kinder, die ich betreue, du weißt ja."
Ich nickte und machte dann einen Schritt hinein.
"Ich gehe hoch zu Alice und-"
"Oh Schätzchen, Alice ist gar nicht hier. Sie ist vorhin mit Cody aus. Ich weiß nicht, wann die beiden wieder hier sind. Wenn du möchtest, kannst du gerne hier warten. Ich backe gerade einen Kuchen. Du könntest mir ja helfen."
"Oh.. ähm, ich- ich weiß nicht. Vielleicht kommt sie ja erst in einigen Stunden wieder. Ich möchte dir nicht zur Last fallen."
"Ach Quatsch, nein! Du bist doch keine Last."
"Ich- ich hab sowieso noch einiges zu erledigen. Ich komme später noch einmal, aber danke. Bis dann Theresa!"
"Ok. Bis dann. Soll ich Alice sagen, dass du hier warst?"
"Oh...ähm.. nein, nicht nötig. Ich rufe sie an. Danke. Bye!"
"Bye."

Ich drehte mich um und machte mich wieder auf den Weg nach Hause.
Cody. Sie war wieder mit Cody unterwegs. Wir hatten uns doch schon einmal wegen Cody gestritten. Ließ sie es jetzt auf ein zweites Mal ankommen? Ich verstand Alice nicht. Man kann doch nicht einfach ständig Freunde wechseln, sobald etwas schief läuft. Man muss sich austauschen und über seine Probleme reden.

Ich wählte Als Nummer und ließ es so lange klingeln bis ihre Mailbox dran ging.
"Hey ich bin's. Mal wieder. Ich war gerade bei dir, aber deine Mom hat gesagt, dass du mit Cody unterwegs bist. Bitte ruf mich zurück, sobald du Zeit hast. Ich liebe dich und ich möchte nicht nicht mit dir reden. Ich kann das nicht. Dieses Anschweigen und Ignorieren macht mich fertig, also bitte melde dich. Bis dann."

Ich war mittlerweile an meinem Haus angekommen und ging hinein. Ich ging in die Küche und schnappte mir einen Apfel als gerade Dad hereinkam.

"Hey."
"Hey Dad."
"Wie geht's?", fragte er mit einem halbherzigen Lächeln.
"Gut und dir?"
"Gut."
"Das ist schön.", erwiderte ich mit einem peinlichen Gefühl. Ich wusste momentan nicht, was für ein Gesprächsstoff ich ansprechen sollte.
"Ich muss morgen wieder arbeiten gehen. Ich habe, ehrlich gesagt, sehr wenig Lust."
Ich lachte und schüttelte den Kopf. Dad und keine Lust auf Arbeit? Das passte ja gar nicht zusammen. Er war ein Arbeitstier.
"Möchtest du eventuell etwas zusammen unternehmen? Wir könnten ein Eis essen gehen oder in den Park."
Mein Dad sagte sofort zu und wir machten uns auf den Weg. Mom war noch arbeiten und konnte somit nicht mit.

Wir fuhren zur Eisdiele in die Innenstadt und nahmen beide jeweils einen Überraschungsbecher.
Das war immer unsere Bestellung wenn wir herkamen.
Nach kurzer Zeit wurden uns die riesigen Becher serviert.
Wir fingen sofort an, reinzuhauen und ich genoss dieses Eis mit allen meinen Sinnen.
Ich war schon lange nicht mehr hier und diese Eisdiele machte definitiv weit und breit das beste Eis.

"Danke Dad, dass du eine Woche Hausarrest gekürzt hast.", bedankte ich mich bei ihm. Er gab mir ein mitfühlendes Lächeln und sagte: "Gerne doch. Das ist ja wohl das Mindeste. Du bist ein wunderbares Kind, Ana. Denk' immer daran, egal wer versucht, dir etwas anderes einzureden. Glaub' das nicht. Ich bin so stolz auf dich. Du bist ein wundervoller und großartiger Mensch. Ich hab dich lieb."

Ich drückte ihn ganz fest und sagte: "Danke Dad. Das bedeutet mir wirklich viel, das von dir zu hören. Ich hab dich auch lieb."
"Sollen wir gehen?", fragte er anschließend.
"Mhm."
Wir standen auf und gingen hinaus.
Dabei fiel mir das Schild ins Auge, auf dem stand, dass Mitarbeiter gesucht wurden.
Ich hatte seit meinem ersten und letzten Job vor einem Jahr bei McDonald's keine Arbeit mehr gefunden.
Ich hatte keine Lust mehr, in diesem hektischen Umfeld zu arbeiten und wollte mich anderweitig umsehen. Als es dann aber noch Ärger von meinem arroganten Chef gab, weil ich angeblich zu langsam arbeiten würde, kündigte ich.
Und so stand ich nun seit über einem halben Jahr ohne Arbeit da.
Mein Erspartes ging mir auch langsam aus.
Ich mochte den Laden und die Leute hier und vermutlich war die Arbeit hier viel einfacher als bei McDonald's.
Ich sagte zu meinem Dad: "Schau mal, die suchen Leute. Soll ich mich bewerben."
"Aber natürlich, wieso nicht? Du hast sehr gute Chancen, genommen zu werden."

Ich nickte und lief schnell zur Kasse, um nach einem Bewerbubgsformular zu fragen. Das nette Mädchen hinterm Thresen -vermutlich in meinem Alter- nickte freundlich und gab mir eins.
"Möchtest du es direkt hier ausfüllen? Dann gebe ich dir auch einen Kulli."
"Das wäre super.", gab ich lächelnd zurück.
Sie nickte und gab mir einen.
Ich setze mich wieder an unseren Tisch und mein Dad kam wieder hinzu.
Ich füllte alles aus und unterschrieb das Ganze. Dann lief ich wieder zur Theke und gab Stift und Papier ab.
"Ich werde das an meinen Chef weiterreichen. Er meldet sich dann.", sagte das Mädchen -Nikki, wie ich ihrem Namensschild entnehmen konnte- zu mir.
Ich nickte und verabschiedete mich.

Dad und ich fuhren noch zum Park bevor wir endgültig nach Hause fuhren. Wir fütterten die Enten und unterhielten uns über alles Mögliche. Er erzählte mir viele Geschichten aus meiner Kindheit. Wie ich einmal unbedingt im Regen draußen Schaukeln wollte. In unserem alten Haus hatten wir nur einen kleinen Garten mit einer Schaukel und einem Sandkasten. Meine Eltern hatten versucht, mir zu erklären, dass es draußen schüttete und ich klatschnass würde, aber ich bockiges und stures Kind bestand darauf, zu schaukeln.
Also ging mein Vater mit mir raus und schubste mich an. Nach dieser 20-minütigen Aktion war er für eine Woche krank und lag mit Fieber im Bett.
Er erzählte mir auch, wie Melanie weinte als sie erfuhr, dass sie eine Schwester bekommt. Wie sie dann aber hellauf begeistert war als ich endlich da war. Wie wir zusammen mit unseren Puppen spielten und wie wir unseren ersten Familienurlaub in Griechenland verbrachten.

Mein Dad erzählte und erzählte und ich hörte einfach nur zu.
Ich genoss diesen Moment und dachte an nichts anderes außer an die Erinnerungen, die mir aus meiner Kindheit blieben.
Ich dachte nicht an Melanie, ich dachte nicht an Sam, ich dachte nicht an Alice, ich dachte nicht an Nils und ich dachte nicht an meine Mutter. Es gab nur mich und meinen Dad.

Love Triangle-Verliebt in den Freund meiner SchwesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt