Kapitel 47

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"Du- was?", fragte ich geschockt.
Er schaute selbst sehr erschrocken aus, aber sagte dann: "Ich- oh man.. es ist mir rausgerutscht, aber ich glaube, ich liebe dich."
Ich schluckte. Was sollte ich darauf antworten?
Er liebte mich? Er konnte mich nicht lieben. Er war mit Melanie zusammen und er kannte mich nicht gut genug, um mich zu lieben.
Liebte ich ihn? Ich wusste es nicht. Ich war mir sehr wohl darüber im Klaren, dass ich etwas für ihn empfand, aber Liebe? Ich glaube, das würde zu weit gehen.

Er schaute mich hoffnungsvoll und zugleich zögernd an, als ob er darauf warten würde, dass ich es zurücksagte, aber gleichzeitig auch, als würde er damit rechnen, dass ich es nicht tat. Und genauso war es. Ich tat es nicht. Ich sagte es nicht zurück. Ich konnte nicht so etwas Großes zurücksagen, wenn es nicht stimmte.
Ich blinzelte einige Male bis ich aus meinem tranceähnlichen Zustand herauskam. Ich sah ihn an und dann auf den Boden. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.
Er realisierte, dass ich es nicht zurücksagen würde und schaute enttäuscht herunter auf den Boden.
Seine Gesichtszüge verrieten seinen Schmerz und mir zerbrach hier und jetzt das Herz. Ich spürte förmlich, wie es in tausend Stücke zersprang.
Ich legte meine Hand auf seine Wange und streichelte sie, aber er packte mich am Handgelenk und nahm meine Hand aus seinem Gesicht.
Dann schaute er mich mit einem gequälten Blick an, stand auf und ging.

Ich ließ erst einmal alles sinken und dachte über alles nach. Über all die letzten Wochen. Wie konnte ich mich nur in so etwas einlassen? Ich musste wegkommen von Sam und seinem Charme. Ich musste mich loslösen von seiner anziehenden Art.
Aber wie? Immer, wenn ich versuchte, mich von ihm fernzuhalten, kam er irgendwie auf mich zu und brachte uns wieder in Situationen wie vorhin. Ich wolle auch seine Nähe spüren, aber nicht so. Nicht heimlich und nicht, wenn er mit meiner Schwester zusammen war. Entweder blieb er weiter mit ihr zusammen und würde dafür keinen Kontakt mehr zu mir haben oder er würde sich von ihr trennen und mich nehmen.
Nur wäre die zweite Option überhaupt möglich? Könnte ich so etwas tun?
Meiner eigenen Schwester solchen Kummer bereiten? Ich verstand mich zwar ganz und gar nicht mit Melanie, aber dennoch war sie meine Schwester und das würde sie auch immer bleiben.

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Ich stand auf und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Es war zwar erst acht Uhr morgens, aber ich konnte nicht mehr schlafen. Meine Gedanken kreisten die ganze Nacht um Sam und Melanie.
Das konnte so nicht weitergehen. Ich musste etwas dagegen unternehmen, aber was nur?
Wahrscheinlich war für's Erste die einzige Option, die letzten paar Tage mit den beiden auszuhalten bis sie wieder gingen.

Ich stand auf und sprang unter die Dusche.
Ich drehte meine Boxen laut auf und sang zu Green Day mit.
Nachdem ich fertig war, föhnte ich meine Haare und zog mich an. Ich ging runter in die Küche, um nur Tante Lucy vorzufinden.
"Morgen, Sonnenschein.", begrüßte sie mich.
"Morgen, Tante Luce."
Ich ging zu ihr und drückte sie einmal ganz fest.
"Wie geht's dir so?", fragte sie.
Ich zuckte mit den Schultern. "Ganz okay, schätze ich."
Sie nickte.
"Komm, lass uns gemeinsam Frühstück machen. Wie wäre es mit Rührei?"
Ich nickte.
Also begannen wir, Frühstück vorzubereiten.
Irgendwie schafften wir es diesmal sogar, nichts anbrennen zu lassen.
Wir aßen gemeinsam und erzählten uns gegenseitig witzige Geschichten, die uns passiert sind, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten.

Nach dem Frühstück gingen wir gemeinsam spazieren. Wir liefen bis zum Park und um den großen Teich und sogar an dem kleinen See vorbei.
Tante Lucy erzählte mir, wie ihre Reise nach Italien vor einigen Wochen war. Sie hatte drei Wochen dort verbracht und es hatte ihr wirklich gefallen.
Ich beneidete sie. Ich würde auch so gerne nach Italien. Ich war bisher nur einmal in meinem Leben in Europa gewesen und da war ich gerade einmal fünf Jahre alt. Ich konnte mich also an so gut wie nichts mehr erinnern.

"Ich würde gerne einmal mit dir zusammen in den Urlaub gehen.", sagte ich.
Tante Lucy schaute mich freudig an. "Oh ja, mein Kind, das ist eine wundervolle Idee. In den nächsten Ferien fahren wir irgendwo zusammen hin, in Ordnung?"
Ich nickte und küsste ihre Wange.
"Und weißt du schon, ob du in Chicago studieren möchtest?"
"Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Ich bin noch total unentschlossen, aber es ist auf jeden Fall eine Option. Ich werde mich auf jeden Fall an der Kunsthochschule dort bewerben und mal sehen, wie es läuft."
"Es würde mich auf jeden Fall sehr freuen, wenn das klappt.", sagte Tante Luce.

Wir liefen weiter und kauften ein Eis auf dem Nachhauseweg.
Wir kamen spät nachmittags zu Hause an. Mom war bereits von der Arbeit zurück. Sie kochte irgendetwas. Es roch wirklich gut. Sam war auch da und schnitt irgendwelches Gemüse klein. Er trug ein sehr enges T-Shirt, das seine Muskeln besonders zum Vorschein kommen ließ. Ich merkte gar nicht, dass ich starrte bis er mit seiner Hand vor meinen Augen wedelte.
Ich lachte verlegen und fragte ihn, was er zuvor gesagt hatte.

"Ein Foto hält länger."
"Haha, sehr witzig.", sagte ich sarkastisch und verdrehte die Augen. Dann verdrehte er ebenfalls die Augen. War er etwa sauer auf mich? Wegen gestern? Weil ich nicht "Ich liebe dich" zurückgesagt hatte?
Das konnte nicht sein Ernst sein.
Ich drehte mich um, um meine Tante zu fragen, ob sie einen Film schauen mochte, nur um festzustellen, dass sie und auch meine Mom gar nicht mehr in der Küche waren.

Sam merkte meine Verwunderung und informierte mich, dass die beiden kurz etwas besprechen wollten.
Ich nickte nur und ging. Er sprach in solch einem monotonen Ton, dass ich mich von ihm wie ein Nichts behandelt fühlte. Als wäre ich ihm gleichgültig. Aber ich dachte, er liebt mich?
Was soll's, er würde schon darüber hinwegkommen.
Er konnte mich gar nicht wirklich lieben. Liebe war ein zu großes Wort, um Sams Gefühle für mich auszudrücken. Wahrscheinlich war er nur genervt von Melanie und sah in mir eine nettere Version von Melanie. Ich konnte mir ansonsten seine "Liebe" für mich nicht anders erklären.
Sie würde schon bald verfliegen. Sobald er und Melanie in drei Tagen abreisen und für längere Zeit wegbleiben würden, würden auch seine Gefühle für mich verschwinden.
Schließlich heißt es doch "Aus den Augen, aus dem Sinn".

Love Triangle-Verliebt in den Freund meiner SchwesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt