Kapitel 41

115 5 0
                                    

Irgendwann kam ich am Park an. Ich beugte mich nach vorne und legte meine Hände auf meine Knie. Ich war total aus der Puste. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so weit und viel auf einmal gerannt.
Ich richtete mich wieder auf und ein stechender Schmerz in meiner Seite machte sich bemerkbar. Na toll, ich hatte Seitenstiche!
Ich drückte mit meiner Hand leicht in meine Seite, um den Schmerz zu lindern und setzte mich auf eine Bank.
Ich dachte über alles nach, was ich gerade erfahren hatte und ließ es erst einmal sacken.
Alice war in mich verliebt und das schon seit drei Jahren.

Ich hatte nie etwas bemerkt. Sie hatte ihre Gefühle die ganze Zeit über gut versteckt.
Sie hatte sich nie von Ihnen zu etwas verleiten lassen. Alles war freundschaftlich, naja zumindest aus meiner Sicht.
Das Händchenhalten und Umarmen und Kuscheln war für sie bestimmt mehr als nur freundschaftlich.

Ich wusste nicht, was ich tun sollte, aber mir war eins klar: ich musste erst einmal Abstand von Alice nehmen.
Es waren noch zwei Wochen bis die Schule wieder losging und spätestens da musste ich ihr wieder gegenübertreten, aber solange noch Ferien waren konnte ich mich noch vor ihr verstecken.

Ich beobachtete die Enten am Ufer des großen Teichs und ließ die erfrischende Augustluft um mich wehen.
Es war in den letzten Tagen eindeutig kühler geworden. Der Sommer zog sich langsam dem Ende zu.
Es war ein einmaliger und verrückter Sommer.
Diesen Sommer würde ich nicht vergessen.
Normalerweise verbrachte ich meine Sommerferien im Freibad oder im Urlaub mit meiner Familie, aber dieses Jahr hatte ich ihn größtenteils zu Hause verbracht. Ich hatte schon alleine fast zwei Monate der Ferien mit meinem Hausarrest verbracht, abgesehen von den wenigen Malen, die ich mich irgendwo rausgeschlichen hatte.
Ich hatte sehr viel Zeit mit Sam verbracht und mich mit Nils gut angefreundet.
Das war mein letzter Sommer als Schülerin. Danach würde ich meinen Abschluss machen und auf's College gehen.
Verrückt wie schnell die Zeit doch tatsächlich rumgeht.
Ich wünschte, die Zeit würde für immer stehen bleiben und ich könnte hier und jetzt diesen Moment genießen.

-----

"Hallo? Mom? Dad?"
Ich war gerade nach Hause gekommen, nachdem ich drei Stunden auf dieser Parkbank gesessen hatte. Das Auto meines Dads stand nicht in der Einfahrt, also musste er wohl noch bei der Arbeit sein, aber das meiner Mom war da.
Ich ging in die Küche und fand meine Mutter vor, wie sie irgendetwas zu essen zubereitete. Sie sah fröhlich aus und sang vor sich her.
"Hey Mom."
Sie schaute überrascht auf und lächelte mich schließlich an.
"Wo warst du?"
"Im Park."
"Alleine oder..?"
"Jap. Alleine."
Sie nickte.
"Das Essen müsste in etwa einer Stunde fertig sein. Du kannst doch schonmal den Tisch fertig machen."
Ich nickte und brachte zwei Teller und Besteck ins Esszimmer.
"Ist Dad bis dahin zu Hause?"
"Ich denke nicht, Ana.", sagte sie mit einem Seufzer.
Na gut, dann musste ich nicht noch einen Teller rüberbringen.
Dad arbeitete in letzter Zeit noch länger als sonst ohnehin schon immer. Er musste alles nachholen, was er während des Urlaubs versäumt hatte. Armer Dad. Ich wusste nicht, wie Melanie sich das freiwillig antun konnte, in seine Fußstapfen zu treten.
Sie war jetzt schon immer total gestresst und war gerade erst im Studium. Sie hatte noch ein Jahr vor sich und beendete dann das College, um dann noch einmal für zwei weitere Jahre auf die Law School zu gehen.

Ich schüttelte meine Gedanken ab und ging hoch in mein Zimmer. Ich schaute mir New Girl auf Netflix an und kuschelte mich in mein Bett.
Es waren zwar noch 24 Grad draußen, aber mir war etwas kalt.
Ich lachte über Nicks Flirtversuche und dachte gar nicht mehr an das, was heute morgen noch passiert war.

Nach drei Episoden rief meine Mutter mich herunter, um zu essen.
Wir saßen gemeinsam am Tisch und schwiegen uns an. Das Einzige, was zu hören war, war das gelegentliche Klirren des Geschirrs hier und da.
"Bist du bereit für die Schule in zwei Wochen?", fragte Mom nach langem Schweigen.
Ich seufzte und antwortete: "Eigentlich nicht. Die Ferien gingen so schnell rum und ich habe das Gefühl, dass ich die Zeit nicht richtig genutzt habe."
Meine Mom schaute mich an und nickte. "Da hast du Recht. Aber weißt du, das liegt daran, dass du zwei Drittel der Ferien im Haus verbracht hast. Benimm dich nächstes Mal besser und du musst das nicht wieder durchmachen."
Ich verdrehte meine Augen. "Das war mein letzter Sommer, Mom."
"Ach Quatsch. Du gehst danach auf's College. Da wirst du auch Ferien haben."
"Aber nicht so viel Freizeit wie jetzt, weil College-Studenten ihre Ferien oft mit Lernen verbringen."
"Da hast du allerdings Recht.", sagte sie zustimmend, "Naja, jetzt lässt sich daran auch nichts mehr ändern."
Provozierte sie gerade einen Streit?
Ich atmete einfach tief ein und aus und versuchte, ihre dummen Kommentare zu ignorieren. Ich würde nicht weitere Wochen zu Hause verbringen nur wegen eines kleinen Streits, den ich vermeiden könnte.

Als wir fertig waren, half ich meiner Mutter beim Abräumen des Tisches. Ich stellte das Besteck und Geschirr in die Spülmaschine und ging danach hoch in mein Zimmer.
Mein Laptop lag noch offen auf meinem Bett. Ich klickte auf die Enter-Taste und der Bildschirm leuchtete hell auf.
Die nächste Folge New Girl wurde mir vorgeschlagen und so schaute ich diesen Nachmittag nicht nur eine, sondern zehn weitere Folgen New Girl.
Als es dann dunkel wurde, klappte ich den Laptop zu, ging duschen und machte mich bettfertig.

-----

Die letzte Woche Ferien war angebrochen.
Ich ignorierte Alice seit dem Vorfall letzte Woche und sie hatte sich seitdem auch nicht mehr bei mir gemeldet.
Ich wollte die letzte Woche Ferien noch genießen und traf mich deshalb mit Nils in der Mall.
Wir gingen erst zum Chinesen etwas essen und schließlich liefen wir durch die Läden.
Wir berieten uns gegenseitig, was wir kaufen sollten und alberten viel herum.
Zwischendurch aßen wir ein Eis und machten eine kurze Pause vom ganzen Shopping auf einer Park gegenüber H&M.

Nach etwa vier Stunden entschieden wir uns, wieder nach Hause zu gehen.
Nils brachte mich mit dem Auto und blieb noch eine Weile nachdem meine Mutter ihn angefleht hatte. Sie bestand darauf, dass er zum Abendessen blieb.
Bis das Essen fertig war, gingen Nils und ich in mein Zimmer.
Ich war misstrauisch als ich das viele Essen in der Küche sah, aber als wir hochgingen und ich am Ende des Flurs vor Melanies Zimmer Schuhe sah, war mir klar, dass sie und Sam wieder Mal da waren. Hatten sie es nicht langsam satt, ständig hier zu hocken? Sie hatten beide ein Zimmer im Studentenwohnheim verdammt nochmal! Warum blieben sie nicht dort und besuchten irgendwelche Partys oder so?

Nils legte sich auf mein Bett und ich machte meinen Laptop für Netflix bereit. Ich legte mich neben Nils und kuschelte mich in seine Seite als er seinen Arm um meine Taille legte.
Wir schauten irgendeine Konödie mit Zach Galifianakis, das konnte nur gut sein.
Nils lachte über eine witzige Stelle und ich schaute hoch zu ihm und betrachtete sein schönes Profil.
Er hatte eine lange, schmale und gerade Nase. Seine Augen lagen tief in den Augenhöhlen und seine Wimpern waren unendlich lang und schön geschwungen, seine Lippen waren voll und seine Haut war einfach nur perfekt, kein einziger Pickel zierte sein Gesicht.

Ich schaute nach einigen Sekunden wieder auf den Bildschirm in der Hoffnung, nicht erwischt worden zu sein.
Wir schauten den Film bis zum Schluss und mussten immer wieder über witzige Stellen lachen.
Mein Bauch tat schon weh.
Als der Film zu Ende war, machte ich direkt einen neuen an, der aber nicht so gut war.
Wir langweilten uns schnell und so kam es dazu, dass Nils begann, mich zu kitzeln. Er hatte kein Erbarmen, egal wie sehr ich schrie und lachte und mich vergeblich versuchte zu wehren.
Ich fiel auf einmal rückwärts vom Bett und landete eher unsanft auf meinem Po. Ich schrie vor Schreck laut auf und lag danach lachend auf dem Boden.
Nils beugte sich herüber und sah sehr erschrocken aus.
"Ana, es tut mir so leid.", sagte er, aber ich lachte nur. Er fing auch an zu lachen und half mir hoch.
Plötzlich platzte meine Tür auf und Sam fragte: "Was ist passiert Ana? Ich hab dich-". Er unterbrach sich selbst als er uns beide entdeckte.
Er schaute von mir zu Nils und dann auf seine Hände, die auf meinen Hüften lagen.
Nils hob mich hoch und ich schaute zu Sam.
"Nichts ist passiert."
Er sah wütend aus. "Dann störe ich euch mal nicht weiter.", sagte er genervt und knallte die Tür hinter sich zu.
"Wow, der hat ja gute Laune.", sagte Nils lachend.

-----

Das Abendessen war sehr komisch. Zumindest für mich. Ich denke, die anderen bemerkten nichts, aber ich fühlte die ganze Zeit über Sams Augen auf mir. Sie bohrten sich förmlich in mich hinein.
Ich versuchte, es zu ignorieren, aber irgendwann ging es nicht mehr und ich versuchte ihm zu signalisieren, dass er aufhören solle. Das tat er natürlich nicht.
Ich verwickelte mich selbst einfach in einige Gespräche am Tisch.
Meine Mutter war sehr angetan von Nils, was Sam natürlich nicht gefiel.
Diesmal war er nicht der Mittelpunkt wie sonst immer, diesmal war es Nils.

Love Triangle-Verliebt in den Freund meiner SchwesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt