Kapitel 9

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Ein Monat war vergangen seit dem Streit mit meiner Mom. Wir hatten schon seit drei Jahren nicht mehr das beste Verhältnis zueinander und es wurde mit jedem Jahr schlimmer, aber seit dem Vorfall war unsere Beziehung total auf Glatteis. Wir sprachen kaum miteinander. Ich verkroch mich immer in mein Zimmer und sie hatte mich zwei Mal gezwungen, mit ihr shoppen zu gehen. Wir hatten natürlich nur Klamotten nach ihrem Geschmack gekauft. Ich sah aus wie Mel 2.0.
Als sie meine Haare in meine Naturhaarfarbe färben wollte, setzte ich mich aber durch. Das ging zu weit. Mein Piercing hatte sie zum Glück noch nicht angesprochen. Aber ich dachte, es würde demnächst so weit sein.
Die meisten meiner Klamotten hatte ich heimlich zu Alice gebracht. Jeden Morgen ging ich mit Moms ausgesuchten Sachen aus dem Haus und ging zu Alice. Dort zog ich mich dann um und lief mit ihr zur Schule. Auf dem Nachhauseweg machten wir genau dasselbe nur andersherum. Bis jetzt hatte meine Mutter noch nichts bemerkt. Aber ich hatte ja nur noch anderthalb Monate und danach ein weiteres Schuljahr, in dem ich zu Hause leben musste.

Ich war gerade mit Alice auf dem Weg nach Hause.
Sie erzählte irgendetwas von einer Party. Ich hörte ihr nicht zu. In Gedanken war ich bei Mel. Sie würde wieder kommen. Mit Sam. Und mit seinen Eltern. Letztes Wochenende waren die beiden nicht da, weil sie bei Sams Familie waren. Dieses Wochenende waren unsere beiden Familien zusammen. Abgesehen von Sams Bruder.
"Also, kommst du mit?"
"Hm?" Alice hatte mich aus meinen Gedanken gerissen.
"Ab wann hast du abgeschaltet?"
Ich schaute sie nur stumm an.
Sie verdrehte die Augen. "Muss ich wirklich alles wiederholen?!"
Ich lachte verlegen.
Also fing sie von vorne an. Es ging um eine Hausparty bei irgendeinem Mädchen aus unserer Stufe, das sie süß fand. Sie war nächsten Samstag.
Ich seufzte: "Ich hab noch zwei Wochen Hausarrest. Das bedeutet, ich darf nächstes Wochenende nicht raus."
"Bitte?!", flehte sie mich an.
"Tut mir leid."
"Dann halt nicht!", sagte sie in einem angepissten Unterton.
"Bist du sauer?", fragte ich ängstlich. Wir stritten uns so gut wie nie. Es machte mich immer total rasend vor Angst, wenn kleine Uneinigkeiten zwischen uns hochkamen.
Alice merkte meine Anspannung und direkt veränderte sich ihr Gesichtsausdruck zu einem mitfühlenden Lächeln.
"Nein. Ich könnte niemals auf dich sauer sein." Sie blieb stehen und umarmte mich.
Puh, war ich erleichtert.
Wir liefen die letzten Meter bis zu ihrem Haus und ich zog mich wieder um. Dann lief ich zügig nach Hause.

"Mom, ich bin da!"
"In der Küche!"
Ich ging in die Küche und wurde vom Geruch von frischer Erdbeertorte erschlagen. Meine Mutter backte so oft wie möglich. Sie war fast fertig mit der Torte und goss gerade Erdbeergelee oben drauf. Sie sah wirklich lecker aus.
Meine Mom schaute rauf und lächelte mich an.
"Du siehst wirklich hübsch aus in den Klamotten. Ich bin froh, dass du dich bereit erklärt hast, deinen Stil zu ändern."
Bereit erklärt? Wollte sie mich verarschen?
"Weißt du, das ganze würde noch besser aussehen, wenn du dein Piercing rausnehmen würdest..."
Ich wusste, das Thema würde irgendwann aufkommen.
"Ich finde, es sieht so auch ganz gut aus."
Sie schaute mich nur an, ohne etwas zu sagen. Dann wendete sie sich wieder ihrer Torte zu.
"Ich gehe mich dann mal fertig machen, damit ich mich auch präsentieren kann.", sagte ich.
Das hörte sie natürlich gerne. Sie nickte und lächelte mich an.

In meinem Zimmer setzte ich mich erst einmal auf mein Bett und fing mein ganzes Zimmer mit einem Blick ein. Ich hatte Lust auf eine Veränderung, war mir aber noch nicht genau sicher, was ich verändern sollte.
Ich saß bestimmt zehn Minuten einfach stumpf auf meinem Bett. Dann stand ich aber auf und machte mich fertig. Als ich fertig war, schaute ich in den Spiegel.
Ein schwarzer knielanger Rock bedeckte mein Tattoo, die weiße Bluse hatte ich in den Rock gesteckt. Dazu trug ich schwarze Ballerinas. Meine Haare waren offen und ich hatte sie leicht gewellt. Ich trug ein schwarzes Haarband. Ich hatte nur dezent Make-Up, Wimperntusche und etwas Rouge aufgetragen.
Das Einzige, das mich noch aussehen ließ wie mich waren meine Haare und mein Piercing.
Ich ging zu meinem Schmuckkästchen, das Mom gekauft hatte. Darin enthalten waren Perlenohrringe in den verschiedensten Variationen.
Ich steckte mir weiße an und dazu noch ein glitzerndes silbernes Armband.
Ich ging hinunter und half meiner Mutter bei den letzten Vorbereitungen. Dad war mittlerweile auch von der Arbeit gekommen und sprang schnell unter die Dusche.

Eine Stunde später schellte es.
"Ich mache auf.", sagte ich und setzte mich in Bewegung.
Ich machte die Tür auf. "Hab meinen Schlüssel vergessen.", begrüßte mich Melanie und erklärte mir, wieso sie geschellt hatte.
Eine Frau und ein Mann, ich ging sehr stark davon aus, es seien Sams Eltern, standen noch am Auto. Sie kamen auf uns zu und begrüßten mich.
"Das ist meine Schwester Anabelle.", stellte Mel mich vor und umarmte mich, "Ist sie nicht wunderhübsch?"
Bitte was?! Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Wie konnte sie nur so verlogen sein?
"Ja, das ist sie.", sagte Sams Dad lächelnd und schüttelte meine Hand. Seine Mom tat dasselbe. Sie waren wirklich freundlich. Ich trat zur Seite und ließ sie hinein.
"Anabelle? Kannst du bitte Sam helfen, die Koffer reinzubringen? Vielen Dank." Melanies Frage war eher eine Aufforderung, aber ich nickte nur und ging zum Auto.
Wirklich? Sie hatten Koffer für ein Wochenende?

Ich ging zum Auto und Sam stellte gerade einen Koffer ab. Er bemerkte mich und schaute zu mir. Seine Augen weiteten sich.
"Du...du siehst wirklich t-toll aus.", stotterte er und wurde rot.
Ich wurde ebenfalls rot.
"Danke."
"Aber dein ei-eigentlicher S-Stil gefällt m-mir besser." War er nervös?
"Äh danke.", antwortete ich verlegen und lachte schüchtern, "Mir auch, aber Mom und Mel wollen, dass ich mich so anziehe."
Er lächelte mich mitfühlend an.
"Kann ich dir irgendetwas abnehmen?", fragte ich ihn, um der peinlichen Situation zu entkommen. Er schaute in den Kofferraum und gab mir einen kleinen Koffer und eine Handtasche. Ich brachte die Sachen rein und er nahm den Rest. Ich half ihm noch, die Koffer in das Gästezimmer zu bringen.
"Dann mal auf ins Abenteuer.", sagte Sam als die letzten Koffer abgestellt waren und wir uns auf den Weg ins Esszimmer machten.

Love Triangle-Verliebt in den Freund meiner SchwesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt