Kapitel 4

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Es klopfte an meiner Tür, aber ich reagierte nicht. Kurze Zeit später steckte Dad seinen Kopf durch die Tür und bat mich, zum Essen zu kommen. Ich nickte kurz und zeigte ihm, dass ich mit Alice am Telefon war. Er verstand, nickte und verschwand wieder.
Ich hatte mich vorher zu Alice rausgeschlichen, aber leider war sie nicht da. Ihr Vater war über's Wochenende in der Stadt, also verbrachten sie einen Vater-Tochter-Tag. Ich erzählte ihr also am Telefon, was gestern alles passiert war.
"Al, ich muss runter zum Essen. Ich ruf dich später noch einmal an, okay?"
"Alles klar, Babes!" Einer ihrer vielen Spitznamen für mich. Ich schmunzelte, als ich ihn hörte.
"Bye.", verabschiedete ich mich.
„Bye!"

Wir legten auf und ich ging runter ins Esszimmer. Ich hatte Mel seit dem Vorfall gestern nicht mehr gesehen.
Ich hatte mich nicht einmal hingesetzt, da fing sie direkt wieder an, rumzumeckern: „Kannst du nicht einmal pünktlich sein?"
"Entschuldigung. Ich hab' mit Alice telefoniert."
"Alice hier, Alice da.", sagte sie genervt und wedelte mit ihrer Hand herum.
Ich sagte nichts und setzte mich einfach. Es wunderte mich, dass sie vor unseren Eltern und Sam so mit mir sprach. Normalerweise spielte sie immer die nette Schwester und schnauzte mich nur an, wenn wir alleine waren.
Wir begannen zu essen und wieder ging es im Gespräch nur um Melanie und ihr College.
Ich verdrehte die Augen. Konnten wir nicht einmal über etwas Spannenderes reden?
Sam bemerkte, dass ich mich unwohl fühlte und versuchte, mich aufzumuntern. Er saß direkt neben mir und so konnten wir gut miteinander Konversation führen.
Er stellte mir Fragen über die Schule und über meine Pläne für die Zukunft. Wir unterhielten uns gute zehn Minuten bis es Mel zu viel wurde und sie Sams Aufmerksamkeit auf sich zog.
Somit blieb ich das restliche Essen über still und stocherte in meinem Essen herum.
"Hast du keinen Hunger, Ana?"
"Nein, nicht wirklich, Dad.", log ich ihn an. Die Wahrheit war, Mel hatte mir den Appetit verdorben.

——

Als das Essen endlich vorbei war, verkroch ich mich in mein Zimmer. Ich machte meinen Laptop an und schaute einen Film auf Netflix. Ich schrieb Alice, dass mir nicht nach telefonieren war und ich sie morgen anrufen würde.
Irgendwann mitten im Film klopfte es an der Tür.
"Ja?"
Sie ging auf.
"Hey."
"Hey.", antwortete ich verlegen, "Gibt's irgendetwas Bestimmtes?"
"Ich wollte mich nur noch mal für Mel entschuldigen. Ich weiß nicht, warum sie so drauf ist."
"Schon gut, Sam. Du kannst ja nichts dafür.", versicherte ich ihm.
"Was machst du da?", fragte er und machte einige Schritte auf mein Bett zu.
"Ich schaue irgendeinen Film. Ich weiß gar nicht mehr, wie er heißt. Es geht um einen Mann, der sein Gedächtnis verliert. Ich brauchte Ablenkung.", antwortete ich lachend.
Er musterte mein Gesicht, ging aber nicht auf meine Antwort ein.
Plötzlich knurrte mein Magen ganz laut. Oh mein Gott, musste das ausgerechnet jetzt sein? Wie peinlich! Ich wurde knallrot und Sam lachte leicht.
"Hunger?"
"Ja, scheint so. Das ist wirklich peinlich.", entgegnete ich.
"Ach, Quatsch. Du hast kaum etwas gegessen vorhin."
"Ja, mir wurde der Appetit verdorben."
Sam überlegte kurz.
"Lust auf etwas bessere Ablenkung als irgendein schlechter Film?"
Er streckte mir seine Hand entgegen. Ich wusste nicht warum, aber ich vertraute ihm. Also klappte ich meinen Laptop zu und gab ihm meine Hand. Er nahm sie in seine und führte mich zu den Treppen. Er blieb kurz stehen und ging zurück, den Flur hinunter zum Bad, er hielt noch immer meine Hand.
Er klopfte an die Tür.
"Melanie?"
"Ja?" Sie stand unter der Dusche, ich konnte das Wasser hören.
"Ist es in Ordnung, wenn ich das Auto nehme und in die Stadt fahre? Du wirst doch abgeholt, oder?"
"Ja. Pass aber auf, dass du keinen Unfall machst!"
Er verdrehte die Augen. „Keine Sorge! Bis heute Abend!"
"Sammy? Kein 'Ich liebe dich'?"
Oh mein Gott. Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Sie war also so jemand.
Sam schaute mich an und sah, wie ich mir mein Lachen verkniff. Er grinste und verdrehte die Augen.
"Ich liebe dich, Baby!"
"Ich dich auch! Bye!"
Sam ging zu den Treppen und zerrte mich mit sich. Wir stiegen ins Auto ein und er fuhr los. Ich hatte keine Ahnung, wo es hinging, aber aus irgendeinem Grund war ich völlig aufgeregt.

Kurz nachdem wir losgefahren waren, hielt Sam an einer Bushaltestelle an. Er nahm die CD, die klassische Musik abspielte, aus dem CD-Player und steckte sein Handy ans AUX Kabel und Musik von Green Day erfüllte das Auto. Er gab mir sein Handy und fuhr weiter.
"Hier, du kannst was von Panic raussuchen, ich hab genug Songs drauf. Mel will immer klassische Musik oder irgendwelche Pop-Songs hören."
Ich suchte und machte Emperor's New Clothes an. Es war schließlich sein Lieblingssong. Wir sangen ganz laut mit und lachten über unsere schrecklichen Stimmen oder über meine, ich muss zugeben, Sam sang wirklich gut.
Er war wirklich cool. Das hätte ich nie gedacht. Melanie und ein cooler Freund, mit dem ich mich verstehe und nun in irgendein Abenteuer aufbreche? Hätte mir das jemand vor zwei Tagen gesagt, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt.
Wir fuhren etwa eine halbe Stunde. Zum Glück war die Musik so laut, dass man meinen Magen nicht mehr knurren hören konnte.
Sam bog irgendwann rechts ab und hielt auf einem Parkplatz eines Restaurants.
Er stieg aus und lief schnell rüber auf meine Seite, um meine Tür zu öffnen. Es war eine wirklich süße Geste. Ich stieg aus und wir gingen ins Restaurant.
"Ich hoffe, du magst Italienisch?" Es war eher eine Frage als eine Aussage.
"Ja, ich liebe es!", gab ich zurück.
Er lachte: "Gut."
Wir setzten uns und bestellten. Es war wirklich köstlich. Ich hatte selten so eine gute Lasagne gegessen.
Wir unterhielten uns über die verschiedensten Sachen, aber nichts Persönliches. Einfache Dinge. Serien. Musik. Essen. Urlaubsziele.
Es war wirklich cool und ich stellte fest, wir hatten viel gemeinsam. Wir konnten über so viel reden und es kam nie peinliche Stille dazwischen.

Sam erklärte mir, dass er mich, in seinen Worten, "entführt" hatte, weil Mel sich mit einer Freundin traf. Er wusste nicht, was er alleine machen sollte und es tat ihm Leid, wie Melanie mit mir vorher umgegangen war. Die Freundin, mit der sie sich traf, konnte ich mir schon denken. Es war Maria. Ich konnte sie noch nie leiden. Sam kannte sie nicht, aber Mel wollte sie ihm noch vorstellen, nur wollten die beiden heute einen "Mädelsabend" machen. Die beiden waren schon seit der Middle School beste Freundinnen und ab da fing Melanie auch an, sich zu verändern und zu dem Biest zu werden, das sie heute ist.

Nach dem Essen fuhren wir einfach planlos durch die Gegend bis wir an einem Park mit einem See hielten. Sam stieg aus und hielt mir wieder die Tür auf. Wir liefen um den großen See und unterhielten uns bis es dunkel wurde. Es war wirklich schön und ich konnte mittlerweile sagen, ich mochte Sam. Er war wirklich super nett und hatte in so vielerlei Hinsicht vieles mit mir gemeinsam.
Im Dunkeln fuhren wir dann zurück. Mel und auch Mom und Dad, die unsere Großeltern besuchen waren, waren noch nicht zurück. Das war wohl besser so, sonst hieß es wieder, ich würde mich an Sam ranmachen, wenn er offensichtlich derjenige war, der seit gestern auf mich zukam.
Zu Hause angekommen gingen wir in die Küche und tranken etwas Saft. Dann setzten wir uns auf die Couch und guckten fernsehen. Es war still, aber nicht auf eine peinliche Art und Weise. Es war eine angenehme Stille. Wir konnten einfach so dasitzen nichts sagen, ohne dass ich mich unwohl oder fehl am Platz fühlte. Spät abends hörten wir ein Auto die Auffahrt einfahren. Ich wollte Ärger vermeiden, also sprang ich auf und verabschiedete mich von Sam, der Verständnis dafür hatte. Es würde so besser sein. Wenn es Melanie war, würde sie wieder nur Falsches denken und ich wollte mir mehr Ärger einsparen. Ich hatte momentan keine Energir, um mich mit ihr zu streiten.
Ich ging die Treppen hoch und hörte Mom und Dad miteinander reden. Es war also doch noch nicht Melanie. Ich war erleichtert, aber auch traurig, dass ich Sams Seite umsonst verlassen hatte. Hätte ich gewusst, dass es Mom und Dad waren, wäre ich noch etwas länger unten geblieben. Ich konnte mich aber nicht überwinden, wieder hinunter zu gehen, also ging ich einfach in mein Zimmer und legte mich schlafen.

Love Triangle-Verliebt in den Freund meiner SchwesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt