Kapitel 10

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Wir aßen und ich versuchte so wenig wie möglich zu reden, damit ich ja nichts Falsches sagen konnte. Leider ging mein Plan nicht richtig auf. Sams Eltern stellten mir viele Fragen. Sie waren sehr offen und nett. Ich glaubte, sie waren nicht so streng wie Mom, aber tolerierten dennoch nicht vieles. Ich fragte mich, ob Sam sich vor ihnen verstellen musste so wie ich jetzt. Er war sehr still.

Als wir mit dem Essen fertig waren und es Dessert gab, war die Stimmung lockerer. Sams Dad machte viele Witze und schien ein lustiger Kerl zu sein. Seiner Mutter waren die Witze eher peinlich und sie entschuldigte sich immer wieder und versuchte, ihn zum Schweigen zu bringen.
Sam saß mir gegenüber und lächelte mir zwischendurch zu.

Gegen 22 Uhr setzten wir uns auf die Terasse. Es war Mai und es war warm draußen. Wir machten die Außenbeleuchtung an und Mom stellte noch einige Kerzen auf den Tisch. Wir saßen dort und unterhielten uns. Alle tranken Wein außer mir. Ich war natürlich zu jung, also musste ich mich mit Orangensaft zufrieden geben, was ich aber nicht so schlimm fand. Ich trank eh nicht gerne und wenn, dann nur Bier oder Tequila. Ich hatte nur zwei Mal Tequila getrunken, aber es war wirklich lecker.

"Ok, lasst uns etwas spielen!", ertönte die Stimme von Ronald, Sams Dad, laut.
"Ja!", quietschte Melanie aufgeregt.
"Gerne. Was wollt ihr denn spielen?", fragte Mom in die Runde.
"Monopoly.", sagten Sam und ich gleichzeitig. Wir schauten uns erschrocken an, grinsten dann und fingen an, zu lachen.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Melanie mir einen bösen Blick zuwarf. Ich ignorierte sie einfach.
Letztlich spielten wir Monopoly. Sams Mutter, Katherine, gewann.

Kurz nach Mitternacht machten wir uns alle fertig für's Bett. Alles in allem war es gar kein schlechter Abend.
Ich war schon im Bett als mir einfiel, dass ich mein Handy im Bad vergessen hatte. Ich stand also noch einmal auf und ging ins Bad. Ich machte die Tür auf und platzte in einen halbnackten Sam. Er putzte sich gerade die Zähne, nur in Boxershorts.
"Oh! Ähm, tut mir leid. Ich- äh... mein H-Handy." Ich wurde knallrot.
Er lachte nur. Ich ging zu dem Regal neben der Dusche und nahm mein Handy. Als ich mich umdrehte, sah ich wie Sam mich von oben bis unten anguckte. Checkte er mich gerade etwa ab? Nein, bestimmt nicht. Ich meine, er hatte Melanie. Wahrscheinlich war er eher angeekelt. Ich schlief immer in Boxershorts oder sehr kurzen Hosen und Schlabber-T-Shirts.
Er sah erschrocken aus, als ich ihn erwischte. Vielleicht checkte er mich doch ab? Ich war verwirrt.
Ich lächelte ihn einfach an. "Gute Nacht", sagte ich verlegen. Da er seine Zähne putzte, konnte er nicht antworten. Es kam also nur ein "Mhm." Er schaute mir noch nach, als ich aus dem Bad verschwand.

Der nächste Tag verlief ganz gut. Wir frühstückten alle zusammen. Später fuhren wir zu einem großen See etwas weiter weg, wo meine Eltern ein Boot mieteten, mit dem wir über den See fuhren. Es war wirklich schön. Ich genoss die warme Frühlingsbrise und die ganze Umgebung. Viele Menschen waren unterwegs. Familien, Freunde, Paare. Ich wünschte, Alice wäre hier, dann wäre es perfekt. Nach der Bootsfahrt gingen wir in einem Restaurant etwas essen. Am Abend spielten wir wieder Monopoly und schauten uns danach noch einen Film an.

Ronald war wirklich nett und er hatte mir oft Komplimente gemacht. Er sagte, dass ihm mein Piercing und meine Haare gefielen. Genau das, was noch vom wirklichen Ich übrig war! Ich fühlte mich wirklich geschmeichelt und mochte ihn jetzt schon. Sams Mom war eher zurückhaltend. Sie war zwar nett und lächelte mich immer wieder an, aber ich hatte das Gefühl, ihr gefielen mein Piercing und meine Haare nicht. Sie war eher von Melanie begeistert.

Am Sonntag brunchten wir auf der Terasse und gingen später spazieren. Gegen Nachmittag fuhren sie dann wieder weg.
Endlich hatte ich wieder meine Ruhe.
Erleichtert ließ ich mich in mein Bett plumpsen und starrte meine Decke an. Das Vibrieren meines Handys unterbrach mich. Ich schaute auf den Display und sah, dass ich eine SMS von Alice bekommen hatte.

Alice: Habe das Auto gerade an meinem Haus entlangfahren gesehen. Willst du vorbeikommen, jetzt wo du befreit bist? :)

Ich: Habe noch immer Hausarrest, schon vergessen?

A: Kannst du dich nicht für eine Stunde rausschleichen? Ich vermisse dich :(

I: Na gut. Bin in 10 Minuten da. Falls nicht, wurde ich erwischt und du musst die Cops rufen. Meine Eltern dürfen nicht mit einem Mord davonkommen!

A: Haha :D ich werde sie höchstpersönlich ins Gefängnis befördern!

Ich stand auf und zog mich um. Mein Zimmer war zum Glück auf der Rückseite des Hauses zum Garten hin. Ich hatte ein großes Fenster, aus dem ich mich rausschleichen konnte. Dafür musste ich mich nur sehr weit herüberbeugen zum Balkon meiner Schwester. Ja, sie hatte natürlich das viel größere Zimmer mit Balkon  bekommen, aber es störte mich mittlerweile nicht mehr, denn ich hatte mich in mein Zimmer verliebt. Ich hatte es in meinem Stil eingerichtet und fühlte mich pudelwohl.

Ich kletterte an dem Balkon hinunter und baumelte circa zwei Meter über dem Boden. Ich ließ mich fallen und fiel weniger sanft auf den Rasen. Ich checkte, ob irgendetwas gebrochen war, aber es sah nicht so aus.
Dann schlich ich mich um den Garten und rannte schnell die Straße entlang bis zu Als Haus.
Ich klingelte und sie öffnete mir die Tür mit Popcorn in der Hand.
Wir schauten uns irgendeinen Horrorfilm an und aßen das Popcorn. Als der Film zu Ende war redeten wir noch und nach vier Stunden bei Alice chillen, machte ich mich wieder auf den Weg nach Hause.

Das Problem war, da ich mich das erste Mal rausgeschlichen hatte und nicht wusste, wie man so etwas schlau anstellt, dass ich nicht bedacht hatte, wie ich wieder ins Haus kam. Ich stand also unter dem Balkon und überlegte. Ich sprang so hoch ich konnte, aber natürlich erreichte ich den Balkon nicht. Nach einigen Minuten war ich völlig aus der Puste und gab auf. Ich schaute mich im Garten um. Nichts. Ich könnte durch die Garage, aber das würde zu viel Lärm machen und ich würde im Hausflur landen anstatt in meinem Zimmer. Mein Handy hatte ich im Zimmer gelassen, also konnte ich auch nicht Alice schreiben. Mist!
Ich war verzweifelt und als dann noch das Licht in meinem Zimmer anging, war ich am Arsch.

Love Triangle-Verliebt in den Freund meiner SchwesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt