Kapitel 14

136 4 0
                                    

Es war wieder einmal Freitag. Mein Lieblingstag in der Woche. Ich hatte die letzte Unterrichtsstunde und konnte gleich nach Hause gehen.
Die ganze Woche konnte ich mich nicht konzentrieren. Meine Gedanken waren nirgendwo anders als bei Sam. Er würde heute wieder kommen. Ich hatte mich schon die ganze Woche darauf gefreut und jedes Mal, wenn ich daran dachte, fühlte sich mein Bauch an als wäre ich in einer Achterbahn. Ich wusste nicht, warum ich mich plötzlich so fühlte. Es war erst seit dem letzten Wochenende.
So sehr ich zu Beginn die gemeinsamen Wochenenden mit meiner Schwester und ihrem Freund hasste, desto mehr freute ich mich mittlerweile darauf. Verrückt.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen als die Schulklingel ringte. Alle standen auf und packten ihre Sachen zusammen. Ich tat dasselbe und begab mich aus dem Schulgebäude, um am Eingang auf Al zu warten.
Sie kam kurze Zeit später mit Cody. Die beiden hingen in letzter Zeit oft zusammen ab und um ehrlich zu sein, störte es mich irgendwie. Ich freute mich für sie, dass sie nun auch einen anderen Freund außer mir hatte, aber irgendwie war ich eifersüchtig.

Ich begrüßte die beiden und wir machten uns auf den Nachhauseweg. Cody kam immer mit dem Auto zur Schule. Er brachte mich nach Hause und unternahm dann noch etwas mit Alice. Wie ich es herausgehört hatte, wollten sie in die Shopping Mall und später ins Kino.
Ich musste auch mal wieder ins Kino. Im Moment liefen wirklich gute Filme und ich liebte das Kino.
Aber dafür würde ich heute Sam wiedersehen. Hoffentlich würden wir einen Moment für uns alleine haben. Er war immer anders, wenn wir alleine waren. Aber positiv anders. Er war einfach er selbst und das fand ich klasse. Ich fühlte mich geehrt, dass er mir sein wahres Gesicht zeigte, denn ich hatte das Gefühl, dass er das vor niemandem tat, nicht einmal vor Melanie, seiner festen Freundin.

Um 18 Uhr waren Sam und Melanie da. Die beiden waren auf Marias Geburtstag eingeladen, also machte meine Familie nichts gemeinsam. Mom war auf einer Fortbildung. Sie war Reiseführerin und arbeitete bei einem Reiseunternehmen. Zwischendurch musste sie über das Wochenende weg, um an Fortbildungen teilzunehmen.
Also waren Dad und ich alleine zu Hause.

"Möchtest du dich mit Alice treffen? Du kannst gerne gehen, aber leider nicht übernachten. Du kennst deine Schwester. Sie wird es Mom erzählen und ich möchte dir nicht noch mehr Ärger bereiten als ohnehin schon.", schlug mein Vater vor.
"Dad, du bist wirklich der beste. Es ist nur schade, dass du dich vor deiner eigenen Tochter in Acht nehmen musst. Eigentlich kann Melanie gar nichts sagen. Aber ich möchte dir ebenfalls keinen Ärger bereiten. Ich werde Alice anrufen und fragen, ob sie Zeit hat.", sagte ich zu ihm.
Also rief ich Alice an, aber sie ging nicht dran. Nach zwei weiteren Versuchen gab ich auf und schrieb ihr eine SMS.

Hey Al!
Meine Mom ist dieses Wochenende nicht da und Dad hat vorgeschlagen, mich mit dir zu treffen. Er wird ihr nichts sagen. Ich hab dich angerufen, aber du gehst nicht dran.
Meld dich, wenn du das liest. xx

Eine Stunde später kam noch immer keine Antwort. Ich ging enttäuscht runter zu meinem Dad ins Wohnzimmer und setzte mich neben ihn auf die Couch.
"Hey, noch da? Ich dachte, du wärst schon gegangen."
"Nein Dad. Alice geht nicht ans Telefon. Wahrscheinlich hat sie etwas anderes vor. Sie trifft sich in letzter Zeit oft mit diesem Typen. Cody."
Dad sah mich mitfühlend an und nahm mich in den Arm.
"Wie wär's wenn ich uns Pizza bestelle und wir einen Film zusammen schauen?", schlug er vor.
"Das wäre toll."

Dad und ich schauten uns einen Zeichentrickfilm an, aßen Pizza und ich kuschelte mich an ihn. Es war wie in alten Zeiten als Melanie und ich noch kleine Kinder waren.
Damals verstanden wir uns noch gut. Wir spielten zusammen und sie war mein Vorbild. Ich schaute immer zu ihr auf und wollte immer so sein wie sie. Das hörte dann auf als ich circa zwölf und Melanie 16 war und sich zu einer gemeinen und hinterhältigen Bitch entwickelte.

Kurz bevor der Film zu Ende war, ging die Tür auf und Mel und Sam kamen herein.
Man hörte nicht viel außer Gekicher.
"Kinder?", fragte mein Dad. Es kam keine Antwort.
Dann stieß etwas um. Dad und ich schauten uns besorgt an. Wir standen auf und gingen in den Flur, wo wir Mel und Sam knutschend vorfanden. Sie aßen sich praktisch gegenseitig auf. Sie sahen betrunken aus. Melanies Schminke war verschmiert und ihre Haare waren durcheinander. Sams Krawatte hing lose um seinen Hals und seine Ärmel waren hochgekrempelt.
Auf dem Boden lag eine zerbrochene Vase, um die sich die beiden nicht weiter scherten. Sie liefen knutschend in Richtung Treppen und stolperten dabei mehrere Male.

In mir bildete sich ein Gefühl, das ich nicht identifizieren konnte. Ich hatte noch nie so ein Gefühl. In meinem Bauch machte sich Wut breit. Und dann wiederum hatte ich einen tiefen, schmerzenden Stich in meiner Brust. Es fühlte sich an als ob jemand mein Herz genommen hätte und es zerquetschen würde. Mein Brustkorb war zu klein für mein Herz. Er würde gleich platzen. Mein Atem hielt an und es fühlte sich an als würde sich alles in Zeitlupe bewegen. Ich hatte einen Tunnelblick und konnte nur noch Sam und Melanie sehen. Ich sah wie seine Lippen an ihren klebten. Wie er sie umarmte und an sich drückte. Wie glücklich er aussah.
Und dann kam plötzlich der Wunsch in mir auf, ich wäre sie. Diejenige, die in seinen Armen liegt. Diejenige, deren Lippen an seinen hängen. Diejenige, die durch seine Haare wuschelt. Aber ich war diejenige, die gerade den beiden gegenüber stand und neidisch war. Ich war nur die dumme, kleine Schwester, die er nicht einmal im Traum angucken würde.
Es war der Moment, in dem ich realisierte, dass ich mich in den Freund meiner Schwester verliebt hatte.

Love Triangle-Verliebt in den Freund meiner SchwesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt