Kapitel 55

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Ich merkte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. Das Telefon in meiner Hand fiel auf den Boden, weil ich nicht mehr daran festhielt. Ich wusste nicht, wie ich meine Gedanken sortieren sollte. Alles war gerade ein einziges Chaos. Ich schaute auf das Spielfeld zu Nils, der gerade auf eine Position zulief und sich bereitstellte. Das erste Trainingsspiel ging endlich los.
Ich hörte dumpf Sams Stimmte aus dem Telefonhörer kommen. Ich schaute hinunter auf mein Handy. Er war noch dran. Dann hörte ich den Abpfiff des Choaches, der signalisierte, dass das Spiel losging.
Ich sah wie Nils losstürmte und direkt mitten in seinem Element war. Ich bückte mich, um mein Handy aufzuheben und legte auf. Ich musste hier weg. Ich musste einen klaren Gedanken fassen. Ich lief zur Treppe und rannte die Tribüne hinunter. Als ich noch ein letztes Mal zu Nils schaute, rammte er gerade einen Gegenspieler. Ich fing an, zu rennen. Ich wusste zwar nicht wohin, aber ich begriff schnell, wo mich meine Beine hintrieben.

Ich machte vor dem Haus Halt und amtete tief ein und aus. Zieh es einfach durch.
Ich ging die zwei Stufen zur Veranda hinauf und klingelte nervös an.
Die Zeit verging so langsam, wie schon lange nicht mehr. Jede Sekunde fühlte sich wie eine Ewigkeit an.
Die Tür ging auf und wie immer empfing mich Alis Mutter freundlich und warmherzig.
„Oh, hallo Ana! Wie schön dich zu sehen, es ist schon etwas länger her."
„Mhm" Mehr bekam ich nicht raus. Ich lächelte sie verlegen an.
„Möchtest du reinkommen? Alice ist oben."
Ich nickte und dankte ihr.

Ich stürzte sofort hoch, platze in Alis Zimmer und sah sie auf ihrem Bett. Sie war nicht allein. Ich sah nur einen lockigen, grauen Kopf, der seine Zunge in den Hals meiner besten Freundin schob. Mich überkam sofort ein Gefühl von Peinlichkeit. Ich wollte im Erdboden versinken.
„Tut mir leid, ich wusste nicht, dass du jemanden zu Besuch hast.", stieß ich aus.
Ali und das Mädchen, das mir irgendwie total bekannt vorkam, sahen mich erschrocken an.
Ich wollte gerade gehen, als das Mädchen mich ansprach.
„Du bist Ana, richtig?" Sie stand auf, kam zu mir herüber gelaufen, streckte mir ihre Hand entgegen und sagte: „Ich bin Bane."
Irgendwas klingelte in meinem Kopf, aber ich konnte sie noch immer nicht richtig einordnen.
„Du warst schon auf zwei meiner Partys."
Da erkannte ich sie wieder. Bane. Ali hatte etwas mit ihr, hat sie dann für Cody sitzengelassen und hatte nun anscheinend wieder etwas mit ihr.  

„Es ist wohl besser, wir beiden gehen kurz raus.", schlug Alice vor und machte einen Schritt auf mich zu.
Ich nickte und wir gingen vor die Tür.
„Was gibt es?", fragte Alice mich.
„Ich..ähm..ich weiß eigentlich nicht, was ich mir dabei gedacht habe, aber ich wollte mit dir über Sam reden."
Alice sah etwas verletzt aus.
„Ich glaube, ich bin nicht die richtige Person, um mit dir über Sam zu reden."
„Ich weiß, aber du bist die erste, die mir in den Kopf gekommen ist. Du bist schließlich meine beste Freundin. Ich erzähle dir immer alles."
„Nicht mehr.", erwiderte sie kalt.
Sie war wohl wirklich verletzt. Nicht nur, was Sam betraf, sondern diese ganze Distanz-Halterei zwischen uns.
„Hör zu, Alice. Ich weiß, die Situation zwischen uns ist momentan wirklich verzwickt und wir reden nicht mehr wirklich miteinander, aber du bist dennoch meine beste Freundin und die wirst du auch immer bleiben."
„Ich vermisse dich.", spuckte sie auf einmal aus.
Ich sah sie erschrocken an. Ich hätte nicht gedacht, dass sie das eingesteht.
„Ich vermisse dich auch.", gab ich zu, „Aber es ist nun mal, wie es ist. Ich liebe dich, Alice. Aber nicht so."
Sie nickte traurig, aber verständnisvoll. Dann umarmte sie mich plötzlich. Zuerst war ich überwältigt, aber dann umarmte ich sie auch. Wir standen einige Sekunden da und dann fragte sie mich: „Was gibt es denn mit Sam?"
„Er und ich- wir- wir haben letztens rumgemacht und zwar so wirklich. Nicht nur die kleinen Küsschen hier und da wie vorher. Wir waren stundenlang in seinem Auto und haben wirklich viel rumge-„
„Hast du mit ihm geschlafen?", unterbrach Ali mich ganz erschrocken.
„Nein, natürlich nicht.", sagte ich.
Ich sah die Erleichterung auf ihrem Gesicht.
„Wir haben uns aber gegenseitig gesagt, dass wir uns lieben."
„Du liebst ihn?"
Ich nickte.
Alice sah auf einmal ganz komisch aus. Sie wurde kreidebleich und es schien, als würde sie jede Sekunde zu weinen anfangen. Sie sah ziemlich verletzt aus.

„Ali?", fragte ich vorsichtig.
Sie schaute auf den Boden.
„Ali? Bitte sag doch was."
Sie reagierte nicht.
Ich legte meine Hand auf ihre Schulter und wollte sie ermuntern, als sie plötzlich meine Hand wegstieß und mich wütend anschrie: „Wie kannst du nur?! Wie kannst du mir so etwas antun?! Ich liebe dich und du tust so etwas? Du verliebst dich einfach in ihn? Einfach so?! Er hat nichts getan! Nichts! Er hat nichts dafür getan, deine Liebe zu verdienen! Er war einfach nur da! Er ist einfach plötzlich in dein Leben getreten. Und vergiss nicht, durch wen. Er liebt dich nicht. Er spielt nur mit dir und wenn er genug von dir hat, lässt er dich links liegen. Er liebt Melanie. Er ist genau so wie sie. Hinterhältig, arrogant und intrigant! Merk' dir meine Worte, wenn du das nächste Mal wieder zu mir angerannt kommst!"

Ich konnte nicht fassen, was ich gerade gehört hatte. Egal, welche Differenzen wir zur Zeit hatten, wie konnte sie so etwas sagen? Ich wusste, dass sie die ganze Sachen zwischen mir und Sam nicht gut fand. Zunächst, weil er der Freund meiner Schwester war und dann noch, weil sie selbst in mich verliebt war. Aber wie konnte sie meine Gefühle so verletzten und mir sagen, dass er mich nicht liebte und nur mit mir spielte?
„So denkst du also darüber?", fragte ich sie.
Sie nickte. „Ja."
„Na gut. Da kann ich wohl nichts machen. Ich werde dann wohl gehen. Ich dachte, ich könnte offen mit dir sprechen, ohne Vorurteile, aber da habe ich mich wohl getäuscht."
Ich machte auf dem Absatz kehrt und rannte die Treppe hinunter zur Eingangstür. Als ich unten ankam, sah ich Alices Mutter wie sie erschrocken zurückwich. Sie hatte gelauscht. Das war eigentlich bei Alis Lautstärke gar nicht nötig gewesen. Ich lächelte sie traurig an und ging dann aus dem Haus.

Sofort liefen mir Tränen über's Gesicht. Alice war meine beste Freundin seit ich denken konnte und nun waren wir uns so fremd wegen eines Jungen. Eines blöden, dämlichen Jungen, den ich über alles liebte und der der Freund meiner Schwester war.
Plötzlich kam mir der Gedanke, dass er es vielleicht gar nicht wert ist. Dieses ganze Choas und Theater in meinem Leben. Vielleicht ist er es einfach nicht wert.
Ich wischte mir die Tränen weg und lief nach Hause. Es konnte nur noch eins helfen: mich in den Schlaf weinen.

Mit zutternden Händen drehte ich den Schlüssel im Schloss um und öffnete die Tür. Ich steckte zuerst den Kopf hinein, um zu sehen, ob jemand zu Hause ist. Die Luft war rein. Ich ging schnell hinein und die Treppen hoch in mein Zimmer. Ich ging sofort ins Bett und fing an, in mein Kissen zu weinen. Ich weinte und weinte und weinte. Es verging ca. eine Stunde, bis ich endlich aufhörte. Ich hatte mich leergeweint. Ich konnte nicht mehr. Es waren keine Tränen übrig geblieben. Ich stand auf und ging ins Bad, um mein Gesicht im Spiegel zu betrachten. Meine Augen waren angeschwollen und rot. Auf meinem Gesicht waren getrocknete Tränen. Ich sah entsetzlich aus. Ich wusch mein Gesicht und genoss das kalte Wasser auf meiner Haut. Es fühlte sich sehr erfrischend an. Dann schleppte ich mich wieder in mein Zimmer und zog mir gemütlichere Sachen an. Für's Zähneputzen war ich nicht in der Stimmung. Ich legte mich hin, machte das Licht aus und schlug die Decke über meinen Kopf. Dann schlief ich langsam ein.

Love Triangle-Verliebt in den Freund meiner SchwesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt