Systemeinsturz

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Es ging mir nicht darum, mich bluten zu sehen. Ich habe das auch nicht getan, weil ich Spaß daran hatte. Um ehrlich zu sein, habe ich mir das angetan, weil ich mich oft so sehr gehasst habe, dass ich mich äußerlich genauso zerstören wollte, wie ich es innerlich war. Ich wollte den Schmerz, den ich innerlich verspürte, auch äußerlich spüren. Mir war es egal, wie es aussah oder wie gefährlich die ganze Sache war. Es war mir egal, weil ich mir egal war. Ich hatte keinen Respekt vor mir und meinem Körper. Weil ich ihn und mich so sehr verabscheut hatte, dass alles was damit zusammenhing bedeutungslos war. Wenn ich mich heute im Spiegel betrachte und meine Narben sehe, die meinen Körper verunstalten, dann empfinde ich nichts. Dass ich es getan habe und mich so kaputt gemacht habe, lässt mich heute noch kalt. Es sind Monate vergangen, seit ich die Klinge über meine Haut gleiten ließ, aber ich bin noch immer der selbe Mensch, der ich schon vor Monaten war. Die meisten denken, mir ginge es besser, weil ich mich nicht verletzt habe. Aber das ist Schwachsinn. Ich bin nicht weniger kaputt als damals. Ich habe nicht einmal mehr die Kraft mir weh zu tun und ich hasse mich noch genauso wie vor ein paar Monaten. Also nein, mir geht es nicht besser. Ich habe einfach nur keine Kraft mehr. Das ist alles.
Wer mich wirklich kennt, weiß auch, dass ich es keinem sage, wenn ich traurig bin oder es mir schlecht geht. Es ist einfach das Gefühl von Leere, dass man nicht beschreiben kann. Ich will wieder mal in den Arm genommen werden, spüren, dass jemand da ist.
Totaler Zusammenbruch, Systemeinsturz. Ich wollte nie wieder dahin, wo ich jetzt bin.

Was hast du da am Handgelenk? "Erinnerungen."Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt