Kapitel 23

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POV: Stegi
Die Autofahrt nach hause verlief still. Naja, bis auf die Frage, die meine Mutter nach einiger Zeit seufzend fragte. ,,Wer hat euch das angetan?" Sollte ich es ihr sagen? Nein, ich entschied mich dagegen und sah stur aus dem Fenster.

Kurz musterte mich meine Mutter noch im Rückspiegel, bis sie sich endlich wieder der Straße zuwand. Die restlichen Minuten herrschte eine bedrückende Stille, die niemand von uns brechen wollte. Schnell stieg ich aus, als unser relativ kleines Auto in der Auffahrt hielt.

Wir konnten uns zwar nicht viel leisten, trotzdem liebte ich meine Mutter sehr. Sie tat ihr bestes, damit es mir gut ginge. Früher konnte ich sie immer in ihrem Zimmer weinen hören, wenn ich mal wieder mit Verletzungen nach hause kam. Damals dachte ich, dass sie es nur tat weil mein Vater abgehauen war, aber schnell überzeugte sie mich von anderem.

Gerade als ich in meinem Zimmer verschwinden wollte, hielt sie mich auf und zog mich wie vorhin in eine Umarmung. ,,Ich bin echt froh, dass du so einen Freund wie Tobias gefunden hast", flüsterte sie mir ins Ohr, bevor sie mich los ließ und ging, als wäre nichts gewesen.

Kurz blickte ich ihr verwirrt lächelnd hinterher, bevor ich dann doch in meinem Zimmer verschwand. Meine Tasche, die zum Glück unversehrt geblieben war, ließ ich auf mein Bett fallen und kramte mein Handy raus. Ich wollte mich jetzt bei Zoe entschuldigen. Sie hatte es nicht verdient, so von mir ignoriert zu werden. Sie konnte ja auch nichts für den Umzug.

Mit dem Handy in der Hand setzte ich mich neben meine Tasche auf das Bett. Sollte ich sie wirklich anrufen? Würde sie wütend sein? Kurz überlegte ich, bis ich das Handy doch wieder weglegte. Ich wusste nicht wieso, aber es war noch zu früh für mich. Wütend auf mich selber beschloss ich, was essen zu gehen.

Frustessen. Glücklich stellte ich fest, dass ich ja noch ein paar Pancakes übrig gelassen hatte. So leise wie möglich schlich ich mich in die Küche und schnappte mir den Teller und das Glas Nutella. Leise, weil ich eigentlich nicht in meinem Zimmer essen durfte. Genauso lautlos schlich ich zurück in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir ab.

Meine Tasche schmiss ich auf meinen Schreibtischstuhl und schnappte mir dafür die Fernbedienung. Meine Auswahl war schnell getroffen. Nichts geht über Disney-Filme! Den ganzen restlichen Tag sah ich mir die Filme an. Über die Konsequenzen, die ich durch die 2 Tage, an denen ich einfach im Unterricht verschwunden war, dachte ich garnicht nach.

Leider verging die Zeit wie immer, viel zu schnell. Vor dem Schlafen putzte ich mir natürlich noch die Zähne und cremte die Stellen ein, die noch weh taten. Um eine Schmerztablette kam ich auch nicht rum. Dieses Mal brauchte ich relativ lange, bis ich einschlief.

Meine Gedanken ließen mir einfach keine Ruhe. Wieso hasste Tim mich so sehr? War Tobi wirklich schwul? Wie ging es Tim gerade? Warte... WAS?! Ich hatte das nicht gerade wirklich gedacht, oder? Böser Stegi!

Am nächsten Morgen hatte ich so starke Kopfschmerzen wie schon lange nicht mehr. Dementsprechend schlecht drauf war ich auch, ließ das Duschen und Haare Richten aber nicht aus. Ich wollte nicht noch einen Tag mit Kapuze rumlaufen. Fertig angezogen und "gestylt" schnappte ich mir einen Apfel und machte mich damit auf den Weg zum Bus.

Meine Mutter war heute wohl schon früher losgefahren. Die Fahrt verlief langweilig wie immer. Meine Playlist wiederholte sich zum gefühlt 100. Mal und ich konnte die Lieder schon Fehlerfrei im Kopf mitsingen. Tobi nahm einen anderen Bus, da er aus einer anderen Richtung kam, was ich echt schade fand.

Aber waren wir jetzt überhaupt sowas wie "Freunde"? Ich meine... er mag mich doch, oder? Nachdenklich sah ich aus dem Fenster, bis sich neben mir der Sitz leicht senkte. Erschrocken blickte ich Lina an. Sie sah echt schrecklich aus. Ihr tiefen Augenringe zerstörten ihr sonst so schönes Gesicht.

Nicht, dass sie so schlecht aussah, aber ohne gefiel sie mir auf jeden Fall besser. Sie sah mich nicht mal an. Stumm spielte sie mit ihren Händen, die sie in ihren Schoss gelegt hatte. Nach kurzem Zögern zog ich mir die Kopfhörer raus und steckte sie mitsamt meinem Handy weg.

,,Willst du es mir erzählen?", fragte ich mitfühlend. Sie nickte kurz, schüttelte dann aber doch den Kopf. Ein wenig überfordert legte ich ihr einen Arm um die Schulter. Was besseres fiel mir einfach nicht ein. Mit glasigen Augen schmiegte sie sich an meine Seite. Mir war klar, dass ich tot war, wenn Chris uns sehen würde, doch sie tat mir im Moment einfach nur Leid.

Sie war ein guter Mensch. Zwar etwas aufdringlich, aber eigentlich zu jedem nett und immer fröhlich. Als der Bus hielt, machte sie keine Anzeichen aufzustehen. Seufzend zog ich sie einfach mit hoch und "schleifte" sie mit mir zum Gebäude. Als ich neben mir ein Lachen hörte, blieb ich geschockt stehen.

Gerade als ich zu zittern anfing, trat Tobi vor mich und musterte mich belustigt. ,,Was wird das denn?", fragte er, wobei er wohl Lina meinte. Ich zuckte mit den Schultern, während sie Tobi finster musterte. ,,Wer bist du?", knurrte sie, was bei ihr seeehr niedlich klang.

Tobi musste wohl genau das Gleiche gedacht haben, denn er streckte ihr seine Hand aus und grinste. ,,Hey, ich bin Tobi", stellte er sich vor. Lina sah seine Hand kurz unsicher an, bis sie einschlug. ,,Lina", zischte sie. Hilfesuchend sah ich Tobi an, da Lina sich fast schon schmerzhaft an mich klammerte. Konnte sie das nicht bei ihrem Freund machen?

Ich kannte sie ja noch nicht mal richtig! ,,Lina? Kannst du mich bitte loslassen?", flüsterte ich, da die anderen uns schon komisch musterten. Bestimmt fragten sie sich, was die Freundin des beliebtesten Schülers, bei einem wie mir machte. Murrend ließ sie mich wieder frei und stellte sich mit gesenktem Kopf neben mich.

,,So kann das nicht weitergehen! Entweder du erzählst mir, was los ist, oder ich gehe!", schnaubte ich, da ich auch nicht gerade die beste Laune hatte und Linas Verhalten als kindisch empfand. Kaum hatte ich meinen Satz beendet, liefen ihr schon ein paar Tränen die Wange runter, die ihr Make-up verwischten. Nicht das auch noch!

Wieder sah ich zu Tobi, der wohl auch leicht überfordert war. ,,Hey, was ist denn los?", fragte er sie plötzlich, während seine Stimme nur so von Mitleid triefte. Sie schluchzte nochmal, bevor sie sich mit dem Ärmel über die Augen wischte. Irgendwie riss mir dieser Anblick das Herz raus.

Sie erinnerte mich einfach viel zu sehr an Zoe, die mich mittlerweile wohl hasste oder sogar vergessen hatte, das ich existiere. Könnte auch beides sein. Kurz schüttelte ich meinen Kopf, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen und musste mit Erstaunen feststellen, dass Tobi Lina beruhigt hatte. Er war einfach ein Engel.

Stexpert~ Du bist ein WOLF?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt