Kapitel 34

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POV: Tobi
,,Was machst du mit dem da?", knurrte Raph mich an und zeigte dabei auf Stegi, der erschrocken und eingeschüchtert zu ihm sah. ,,Lass ihn in Ruhe", zischte ich bloß zurück und wollte mich gerade wieder Lina zuwenden, als ich an den Schultern gepackt wurde und zurück zu ihm gedreht wurde.

,,Halt dich von ihm fern", sagte er bedrohlich. Ich aber, verengte meine Augen bloß und schlug seine Hände von mir. Seine sonst so schönen braunen Augen strahlten bloß Kälte und Schmerz aus. Diese Worte gepaart mit seinem Blick ließen etwas in mir brechen. Was war bloß mit ihm los? Sonst war er doch auch nicht so, wenn es um mich ging.

Noch nie hatte er etwas gegen meine Freunde. Ganz im Gegenteil. Er freute sich immer für mich, wenn ich eine neue Freundin hatte, oder ihm einen guten Freund von mir vorstellte. Das er jetzt so reagierte, schockierte mich. Immer mehr glaubte ich Stegi's Worten darüber, was sie mit ihm gemacht hatten.

Ob er homophob war? Was dachte ich da? Natürlich war er das. ,,Ich sagte, du sollst dich von ihm fern halten", raunte er und bevor ich auch nur antworten konnte, hatte er auch schon mit seiner Hand ausgeholt und mich getroffen. Sprachlos legte ich meine Hand auf die schmerzende Wange und sah ihn erschrocken an.

Wie in Trance betrachtete er seine Hand, während seine Augen glasig wurden. Alles um uns rum blendete ich in dem Moment aus. Noch nie hatte ich ihn weinen gesehen. Und wir kannten uns schon seit 10 Jahren! Es brach mir das Herz, ihn so zu sehen. Vorsichtig wollte ich ihm meine Hand an die Wange legen, doch plötzlich tauchte Tim wie aus dem Nichts neben ihm auf.

,,Du kannst also doch zuschlagen", lobte er Raph. Hätte ich mir doch gleich denken können, dass er dahinter steckte. Tim hatte ihn bestimmt dazu genötigt oder so. Kaum merklich zuckte ich zusammen, als eine Hand meinen Ärmel packte. Doch zu meiner Überraschung waren es nicht Tim oder Raph, die mich verprügeln wollten, sondern Lina, die mich und Stegi hinter sich her zog.

Still ließen wir sie machen. Hinter uns konnte man Tim noch irgendwas rufen hören, was wir aber alle drei ignorierten. Vor den Chemieräumen, in der Nähe von dem, wo ich Stegi gefunden hatte, blieb sie stehen. ,,Ihr müsst zu den Lehrern gehen!", kam sie sofort zum Thema. Leicht lächelnd sah ich sie an. Sie war leichtgläubig und zu gut für diese Welt.

Ihre blauen Augen sahen uns abwechselnd besorgt an. ,,Das wird nichts bringen", antwortete Stegi bloß und ließ sich erschöpft an der Wand runtergleiten. ,,Aber das könnt ihr doch nicht einfach so hinnehmen!", bestritt sie fassungslos. ,,Er hat recht, das bringt nichts", sagte ich. Empört schlug sie ihre Arme vor der Brust zusammen und schüttelte fassungslos den Kopf, wobei ihre Locken hin und her schwangen.

,,Ich bin im Klassenraum, wenn ihr zur Vernunft gekommen seid, könnt ihr es mir mitteilten", sprach sie und stolzierte zu unserem Klassenraum. Kurz seufzte ich, schloss meine Augen und legte meine Hand an die Wange. Mittlerweile spürte ich nur noch die Wärme und das Kribbeln, das von ihr ausging.

,,Glaubst du sie ist sauer auf uns?", flüsterte Stegi plötzlich. Erschrocken riss ich meine Augen wieder auf. Wie lange stand ich so da? Mit leicht getöteten Wangen schüttelte ich meinen Kopf. ,,Sie macht sich bloß Sorgen", versuchte ich ihn zu beruhigen. Wir hatten größere Sorgen.

Auf die Hilfe von Raph konnte ich nun nicht mehr hoffen. Das hatte er mir gerade ja nur zu gut bewiesen. ,,Tut mir leid, dass du wegen mir sowas durchmachen musst", wisperte Stegi, wohl in der Hoffnung, ich hätte ihn nicht gehört. ,,Es ist nicht deine Schuld", wisperte ich zurück, klang dabei aber nicht sehr überzeugt.

Tief in meinem inneren wusste ich, dass das wirklich stimmte. Doch riet mir mein gesunder Menschenverstand, mich, wie Raph gesagt hatte, von ihm fernzuhalten. Vorher war mein Leben doch normal. Was hatte Stegi eigentlich getahn, um so behandelt zu werden? Das es nur an seiner Sexualität lag, konnte mir doch keiner erzählen.

Irgendwas musste da doch noch hinterstecken! Obwohl, bei der Sache mit Raph hatte ich mich auch getäuscht. Ich wusste einfach nicht mehr, was ich glauben und denken sollte. Er gehörte auch zu diesen homophoben Arschlöchern, Tim und Chris. ,,Tobias, Stegi was machen sie noch hier?", hörte ich plötzlich die Stimme von einer Frau.

Erschrocken blickte ich sie an. Frau Windern, zum Glück. Kurz stammelte ich irgendwas, bevor Stegi sich zu Wort meldete. ,,Wir sollten etwas aus den Chemieraum für Herrn Kühn holen. Da der aber abgeschlossen war, haben wir gewartet, bis er den Schlüssel holt", log er, ohne eine Mine zu verziehen.

Lügen konnte er also echt gut. ,,Na wenn das so ist", sagte sie und zog ihre Augenbrauen zusammen. Erst jetzt fielen mir ihre zerzausten Haare, das verwischte Make-Up und der fette Knutschfleck auf. ,,Sollten Sie sich nicht beeilen?", sprach Stegi kühl weiter, zeigte dabei auf seinen Hals, um ihr zu signalisieren, dass er ihn bemerkt hatte.

Augenblicklich lief sie rot an, nickte beschämt und rannte förmlich auf ihren Hacken davon. Perplex blickte ich zu Stegi, der nachdenklich auf einen Fleck auf der Tür starrte. ,,Was war das gerade?", fragte ich. Kaum merklich zuckte er mit seinen Schultern, rappelte sich wieder auf und kam langsam auf mich zu.

Bevor ich irgendwas sagen konnte, schmiss er sich mir auch schon um den Hals und schluchzte leise. ,,Bitte, Lass mich nicht allein", flüsterte er, wobei er von mehreren Schluchzen unterbrochen wurde. Mitleidig zog ich ihn näher an mich, wobei seine Haare meine Nase kitzeln. ,,Keine Angst, so schnell wirst du mich nicht mehr los", antwortete ich und legte meinen Kopf auf seinem ab.

Innerlich versprach ich mir selber, diese Aussage einzuhalten. Zu lange hatten wir alle einfach nur zugeguckt. Raphi würde ich auch noch irgendwie auf unsere Seite bekommen, das hoffte ich zumindest.

,,Wollen wir gehen?", fragte ich leise. Ein kurzes Kopfschütteln und ein festerer Griff um meine Brust ließen mich seufzen. Also würde ich wohl noch eine Stunde schwänzen müssen. Dabei waren wir schon im letzten Schuljahr, an dieser Schule. Danach plante ich, auf die Oberstufe zu gehen und Jura zu studieren.

Denn schon als kleines Kind war mein Traum immer, Anwalt zu werden. Was mich denn an diesem Beruf genau reizte, hatte ich nie verstanden. Zumindest meine Eltern fanden diesen Traum gut. Kein Wunder. Sie hatten sich ja auch für diesen Beruf entschieden.

Während mein Vater sich um die Kanzlei kümmerte, half meine Mutter aber nur manchmal aus. Die Kanzlei hatte genug Angestellte und meine Mutter wollte sich halt einfach um mich und den Haushalt kümmern.

Stexpert~ Du bist ein WOLF?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt