Kapitel 5

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~ Karolina ~

Trotz der - für mich - peinlichen Aktion von Lara saßen wir zusammen im Café, unterhielten uns und warteten auf Laras Bestellung. Diese kam nach kurzer Zeit und wir genossen einfach das schöne Wetter.

„Wann soll ich morgen eigentlich zu dir kommen?", fragte ich Lara und trank einen Schluck von meinem Latte Macchiato.

„Hmm... Ich will schon etwas früher dort sein. Komm doch einfach schon um sechzehn Uhr zu mir. Dann können wir uns noch gegenseitig die Haare machen und so was... Damit es ein toller Mädelsabend wird."

„Okay. Ich freu mich schon drauf."

Wir unterhielten uns noch lange - teilweise auch über ziemlich dämliche Dinge. Naja, was Freundinnen eben manchmal auch so zu bereden hatten... Später bezahlten wir und gingen noch in die Stadt. Jetzt war shoppen angesagt.

„Wir brauchen ja auch noch was zum Anziehen für Morgen", hatte Lara gemeint.

Im ersten Laden zog sie mich gleich zu einem Kleiderständer. Sie suchte mir sämtliche Sachen heraus, die ich anprobieren sollte.

„Du musst mal was aus dir machen, so wirst du nie einen Typen kennenlernen", sagte sie und schob mich in die Umkleidekabine. „Zieh dich schon mal um! Ich such mir auch noch was."

‚So wirst du nie einen Typen kennenlernen.' Was sollte das denn? Nur weil ich mich nicht so aufbrezelte wie sie? Heute zum Beispiel, trug sie, nur um mit mir einen Kaffee trinken zu gehen, eine enge Jeans, ein ebenso enges Oberteil mit einem sehr weiten Ausschnitt. Nichts gegen figurbetonte Kleidung, aber sie übertrieb es manchmal schon wirklich. Und ihr Freund Nico war so verknallt in sie, dass er nicht einmal sah, dass sie auch sehr gerne mal mit anderen flirtete. Er tat mir schon Leid... Hoffentlich nahm er bald mal die rosarote Brille ab und sah, was Lara eigentlich für eine war. Sie war, meiner Meinung nach, keine Frau für eine feste Beziehung. Dabei war sie erst achtzehn - und ich konnte schon so etwas über sie sagen.

Ich warf einen Blick auf die Sachen, die Lara mir herausgesucht hatte. Die Oberteile musste ich erst gar nicht anprobieren. Das war einfach nicht meine Welt. Mit dem ganzen Glitzer und den weiten Ausschnitten. Die Hosen - eine blaue Hose und eine rote - waren okay. Ich probierte sie an und stellte fest, dass sie auch gut passten. Da mir die blaue besser gefiel, beschloss ich sie zu kaufen.

„Karo, bist du fertig?", fragte Lara.

„Ja", antwortete ich und kam aus der Kabine. Die blaue Hose hatte ich noch an.

„Die ist voll schön! Was ist mit den anderen Sachen?"

„Die gefallen mir nicht. Ich schau selber nochmal."

„Okay, ich geh mich dann auch mal umziehen", erklärte Lara und verschwand mit ihren Sachen in der Umkleidekabine.

Ich zog die blaue Hose wieder aus und schlüpfte in meine eigene. Dann ging ich selbst noch einmal auf die Suche. Zum Schluss nahm ich dann die blaue Hose und ein weißes Oberteil mit Aufdruck vorne drauf. Lara hingegen hatte sich schwarze Hotpants, ein pinkes Oberteil mit Glitzer und - mal wieder - recht weitem Ausschnitt gekauft.

Nachdem wir bezahlt hatten, verabschiedeten wir uns. Denn Lara musste mit der Bahn und ich mit dem Bus fahren. Bevor ich zum Bus ging, schaute ich noch kurz in einem Elektromarkt vorbei und kaufte die CD, die mein Bruder Tobias haben wollte. Er hatte mich vorhin gefragt, ob ich sie ihm nicht kaufen könnte, da er selbst keine Zeit hatte. Mit der CD im Gepäck fuhr ich nach Hause. Dort angekommen, begrüßte ich erst einmal meine Mutter. Mein Vater wohnte nicht mehr bei uns, sondern in der Schweiz. Und das schon seit neun Jahren. Ich hatte mich mittlerweile daran gewöhnt. Es war in Ordnung, denn in den Ferien oder an manchen Wochenenden fuhren mein großer Bruder – er war neunzehn - und ich mit dem Zug zu ihm.

„Hallo Mama", rief ich, als ich die Tür geöffnet hatte.

„Hallo Süße, wie war's?" Sie kam mir entgegen und umarmte mich.

„Schön. Das Wetter ist echt toll. Ist Tobi auch da?", wollte ich wissen.

„Ja, ist in seinem Zimmer. Aber klopf vorher an. Samira ist da", sagte meine Mutter lächelnd. Ja, mein Bruder war frisch verliebt. Und Samira war echt nett. Ich verstand mich gut mit ihr.

„Okay."

Ich ging den Flur entlang, brachte meine Tüte mit der Hose und dem Oberteil in mein Zimmer und ging dann mit der CD in der Hand zum Zimmer meines Bruders. Vorsichtig klopfte ich. Kurze Zeit später öffnete sich die Tür und mein Bruder stand vor mir.

„Hey, Kleiner", grinste ich, obwohl ich zu ihm hochschauen musste.

„Wer ist hier klein?", fragte er und stützte seinen Ellenbogen auf meiner Schulter ab. Ich war 1,65 und er gute zwanzig bis fünfundzwanzig Zentimeter größer als ich.

„Und hey, Samira." Ich sah an meinem Bruder vorbei und winkte ihr zu.

„Hey Karo."

„Ich hab dir deine CD mitgebracht", sagte ich und gab ihm die CD.

„Super, danke. Du bist die beste." Er umarmte mich, ging dann kurz in sein Zimmer und gab mir das Geld wieder zurück.

„Ich weiß. Aber kein Problem", grinste ich und ging wieder. Ich wollte die beiden ja nicht stören, also verkrümelte ich mich in mein Zimmer. Mit meinem Laptop setzte ich mich auf mein Bett. Ich surfte etwas im Internet herum, fand aber nichts Spannendes, das ich machen konnte.

Etwas später saß ich immer noch auf dem Bett, der Laptop lag neben mir. In der Hand hatte ich jetzt mein Handy und Max' Visitenkarte.

Sollte ich ihn anrufen? Oder eine SMS schreiben? Und vor allem - war es nicht noch zu früh? Immerhin würde ich ihn morgen ja schon wiedersehen. Wenn ich ehrlich war, freute ich mich schon wahnsinnig darauf. Sein Lächeln war einfach toll. Bestimmt hatte er viele Verehrerinnen - oder sogar eine Freundin. So ein Kerl ist doch nicht Single...

Plötzlich klopfte es an meiner Zimmertür. Mein Handy und die Visitenkarte legte ich schnell weg.

„Ja?", fragte ich und schaute, wer es war. Vor mir stand Samira.

„Hey", lächelte sie.

„Komm rein. Was gibt's?"

„Deine Mum lässt ausrichten, es gibt Essen", erklärte Samira.

„Okay." Ich stand von meinem Bett auf. Unauffällig versteckte ich die Karte von Max unter meinem Kopfkissen.

Wir gingen ins Wohnzimmer und aßen zusammen. Danach ging ich wieder auf mein Zimmer und überlegte, ob ich Max etwas schreiben sollte. Ich entschied mich jedoch dagegen und wartete lieber darauf, was morgen alles passierte. Ob er mich sehen würde? Und ob wir noch einmal reden konnten? Wenn nicht, würde ich ihn auf jeden Fall bald anrufen. Denn eines war klar: Ich musste ihn wiedersehen.


Die erste große Liebe ... und andere ProblemeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt