Kapitel 9

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~ Max ~

Karo hatte mich gerade angerufen. Als ich ihre Stimme gehört hatte, schien mein Herz kurz stehen bleiben zu wollen. Ihre Stimme war einfach schön. Nun hatte ich nur eine Stunde, um mich komplett fertig zu machen...

Dennoch schaffte ich es, pünktlich zum Café zu kommen. Was mich dort erwartete, verwirrte mich schon etwas. Karo saß dort und umarmte einen anderen Typen. Ich stutzte. Was ging denn hier ab? In mir machte sich ein eigenartiges Gefühl breit, was ich aber nicht wirklich zuordnen konnte. Schießlicht ging ich einfach auf die beiden zu.

Karo sah hoch, als ich noch ein paar Meter von den beiden entfernt war. Ich blieb stehen und wartete ihre Reaktion ab. Sie löste sich von dem Typen und redete kurz mit ihm. Was sie sagte, konnte ich aber nicht verstehen. Kurz darauf stand der Typ auf und zog von dannen. Karo sah erneut zu mir und lächelte.

Als der Typ an mir vorbeilief, sah ich, dass er geweint haben musste. Okay, das wurde alles immer verwirrender. Ich ging zu Karo und setzte mich ihr gegenüber.

„Hey", sagte ich.

„Hey. Sorry für das eben... Das war Nico, der Freund - oder besser gesagt Ex-Freund - von Lara."

„Das ist deine beste Freundin, oder?", fragte ich nach.

„War", betonte sie. „Wir haben uns gestritten. Deshalb war ich auch nicht auf dem Konzert, gestern. Sorry nochmal. Ich wäre gerne hingegangen."

„Wegen was habt ihr euch denn gestritten?"

„Sie... Ich weiß nicht, ob es okay ist, so über sie zu reden, und ob es auch wirklich so ist, aber für mich kommt es gerade so rüber, als ob sie sich an alles ranmacht, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Also pass auf, wenn du sie siehst."

‚Also pass auf, wenn du sie siehst'? Machte sie sich etwa Sorgen?

„Okay... Und warum war der Typ vorhin so fertig? Der hat doch geheult, oder?"

„Ja, sie hat mit ihm Schluss gemacht", erklärte sie mir. „Deswegen hat er geweint. Du glaubst echt nicht, wie verknallt der Arme in Lara ist. Er tut mir schon Leid."

„Liebeskummer vergeht auch wieder", meinte ich. „Mach dir da keine Sorgen um ihn. Und vielleicht kommt Lara ja auch wieder zur Vernunft."

„Das hoffe ich für sie. Sonst ist sie die längste Zeit meine beste Freundin gewesen. Wir kennen uns schon seit der fünften Klasse. Seitdem waren wir unzertrennlich. Sie sah mich mit leicht traurigen Augen an.

„Das wird schon wieder", sagte ich und lächelte sie aufmunternd an. Und da war ihr süßes Lächeln auch schon wieder. Und diese schönen blaugrauen Augen, in denen ich versinken könnte...

Eine Weile sagten wir nichts, sondern sahen uns nur an. Doch dann ergriff Karo wieder das Wort: „Und wie war euer Auftritt, gestern?"

„Hammer. Echt tolles Publikum haben wir hier", grinste ich. „Vielleicht sollten wir mal wieder hier spielen. Dann musst du aber auch kommen."

„Klar, würde ich dann auch machen. Aber ich hatte echt keine Lust mehr nach dem Streit mit Lara."

„Schon okay. Ich kann dich ja verstehen."

„Machst du eigentlich nur Musik mit Akkustikgitarre? Lara hat mir davon erzählt."

„Überwiegend, ja. Ich mag Akkustikgitarren lieber. Aber auch E-Gitarren haben was Tolles..."

„Ich hab beides zu Hause", gab Karo dann leise von sich. Wie bitte? Sie spielte auch Gitarre? Das wäre ja echt der Hammer. In meinem Kopf lief schon jetzt ein Film ab, wie Karo und ich da saßen und zusammen Gitarre spielten. Wenn sie jetzt auch noch singen konnte...

„Du spielst Gitarre?"

Sie nickte und antwortete: „Und Keyboard."

„Kannst du auch singen?"

„Nee...", meinte Karo, doch ich glaubte ihr irgendwie nicht. Ich zog nur eine Augenbraue hoch und grinste sie an. Wenn wir uns mal wieder treffen sollten, mussten wir unbedingt Gitarre spielen.

„Mhm, okay. Wie lange spielst du schon Gitarre?"

„Seit fünf Jahren. Zu meinem zwölften Geburtstag habe ich meine erste Gitarre geschenkt bekommen und auch vier Jahre Gitarrenunterricht genommen. Seit einem Jahr hab ich den aber nicht mehr."

„Cool", meinte ich begeistert. „Schade, dass ich meine Gitarre nicht da habe, sonst würde ich dich gerne spielen hören."

„Aber so gut spiele ich nun auch wieder nicht. Du spielst sicher tausendmal besser."

Wir unterhielten uns über zwei Stunden, bis am Himmel dunklere Wolken aufzogen. Dann - innerhalb von wenigen Minuten - wurde es windig und es begann zu regnen. Und das auch noch ziemlich heftig, sodass die Kellner des Cafés herausstürmten, alle Schirme einklappten und Karo und ich nach drinnen geschickt wurden.

Trotzdem wurden wir etwas nass. Das war aber nicht weiter schlimm.

„Mist, mein Handy!", fluchte Karo plötzlich. Sie hatte ihr Handy während unserem Gespräch kurz herausgeholt und es dann, warum auch immer, auf den Tisch gelegt. Und da lag es jetzt immer noch. Im strömenden Regen.

Sie öffnete also, schneller als ich reagieren konnte, die Tür des Cafés und rannte hinaus. Dort holte sie sich ihr Handy und kam wieder zurückgelaufen. Hätte sie etwas gesagt, wäre ich auch hinausgegangen. Als sie wieder vor mir stand, sah sie wie ein begossener Pudel aus.

„Hättest du was gesagt, die hätten hier sicher einen Schirm gehabt", meinte ich zu ihr.

„Ja, und bis dahin wäre mein Handy komplett durchnässt gewesen. Nein, danke. Ich kann mir noch kein neues leisten." Sie machte an ihrem Handy herum, was noch zu funktionieren schien. Zum Glück. Es war im Inneren wohl doch nicht so nass geworden.

„Scheint noch zu funktionieren, oder?", fragte ich.

„Ja, zum Glück."

„Aber du bist ganz nass. Das ist nicht gut. Du musst was Trockenes anziehen."

„Nein, es geht schon", unterbrach sie mich. „Ist ja nicht so kalt."

Nach einer Weile beruhigte sich das Wetter wieder. Der Regen hörte auf, der Himmel wurde wieder heller und an vereinzelten Stellen kam sogar wieder die Sonne durch. Super, solche Regenschauer. Ich hasste so etwas. Karo fror allerdings schon etwas, das sah ich ihr an.

„Komm, ich bring dich nach Hause", bot ich ihr an.

Sie zögerte. Da griff ich einfach nach ihrer Hand und zog sie aus dem Café hin zu dem Parkhaus, in dem mein Auto stand. Als ich ihre Hand in meiner hielt, spürte ich ein leichtes Kribbeln im Bauch. Ich wollte mich doch eigentlich nicht verlieben. Nicht jetzt. Jetzt, wo es mit der Musik so gut lief. Ich vertrieb den Gedanken.

Ich fuhr Karo zu der Adresse, die sie mir genannt hatte. Während der Fahrt unterhielten wir uns wieder ein bisschen. Als ich dann vor dem Haus stoppte, wo sie mit ihrer Familie wohnte, sah sie mich nochmal an, bevor sie ausstieg. Wieder hatte ich das Gefühl, in ihren Augen zu versinken.

„Möchtest du noch mit reinkommen?"


Die erste große Liebe ... und andere ProblemeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt