7. Kapitel - Das Spiel mit dem Gewissen(5)

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Langsam begann das Band zu stoppen. Je stärker ich mein Tempo drosselte, desto aufdringlicher begann das seichte Brennen in meinen Beinen hervor zu treten. Mit wild schlagendem Herzen trat ich dann von dem Band. Immer mehr der von meinem Körper erzeugten Wärme begann sich in meinem Körper auszubreiten. Mein Körper war nun komplett erwacht und einige Muskeln begannen zu zucken. Der Schlaf war nun komplett aus meinem Fokus gewichen. Mit meiner Hand langte ich nach einem der weinroten Handtücher und begann mein Gesicht in den rauen Faßern zu vergraben. Die rauen Fasern strichen über mein Gesicht und begann langsam den Schweiß aufzufangen. Es war gar nicht unbedingt die körperliche Anstrengung, die an meiner Kraft zu nagen begann.  Vielmehr waren es meine eigenen Fantasien, die begannen an meinen Verstand zu nagen. Ich musste das heute auf jedenfall unter Kontrolle bekommen, ansonsten konnte ich Victoria zu viel meiner Persönlichkeit zeigen.
Ich setzte mich auf die Bank nur unweit des Laufbandes und starrte aus dem kleinen Fenster. Die Schwärze der Nacht begann langsam zu verschwinden und der Himmel erschien bereits wieder in einem sanften grau. Ein Anblick, der die Welt nur noch in schwarz und weiß erschienen ließ. Nicht mehr lange und ich würde sehen können, wie die Welt langsam begann zu erwachen. Die ersten Atemzüge eines neues Tages begannen langsam durch die Straßen zu ziehen. Bald würde sich die Sonne an den Horizont Klammern und über den Himmel rutschen. Eine kleine rote Flamme. So viele Menschen haben es bereits beschrieben und jeder halt vielleicht für dieses Phänomen andere Worte gefunden. Allein die online Medien geben einem so viel Raum um seine eigene Melancholie mitzuteilen. Menschen schmeißen mit Worten geradezu um sich. Sie haben keinen Wert mehr. Selbst meine Mutter hat es geliebt in solchen Momenten aus dem Fenster zu starren und die Hoffnung eines neuen Morgens in sich auf zu saugen, wenn sie mal wieder in Sorge auf meinen Vater wartete. Trotz Tränen in den Augen, die sie allerdings nie an die Öffentlichkeit gelassen hätte, trug sie auf ihren Lippen dann ein Lächeln. Ich hatte auch immer geglaubt, dass sie es ernst gemeint hatte. Sie hat allerdings nie gesagt was sie in diesem Himmel gesehen hatte, oder welche Gefühle sie dann in diesem Moment überkamen. Als kleine Junge hab ich mir darüber große Sorgen gemacht und habe wie sie in solchen Nächten nur wenig geschlafen. Hätte ich es nur besser gewusst.
Mein Körper vibrierte noch vom laufen, so schienen sich meine Glieder immer weiter aufzuheizen und schienen irgendwann geradezu zu pulsieren. Ich nahm das Mikrofaßertuch zwischen meine Finger und begann es zu drehen, zu winden. Immer weiter begann sich die Masse dieses Stück Stoffes zwischen meinen Fingern zu verdichten, zu sammeln und komprimieren. Bis sie irgendwann ganz zwischen meine Finger passte. Weiter und weiter begann ich meine Finger zusammen zu drücken. Es sollte sich keine Luft mehr zwischen den Falten des Tuches befinden. Keine Zwischenräume mehr. An einem Punkt ließ es sich nicht mehr weiter komprimieren. Es war zu einer dichten Masse gepresst. Damit war es vorbei. Jedes Leben, dass sich in diesen Falten verborgen haben mochte war nun geendet. Selbst eine noch so kleine Fliege wäre nun entweder in den Falten erstickt oder unter dem Druck langsam zerquetscht worden. Langsam hätte sie ihr Ende kommen sehen und sicherlich versucht noch irgendwie zu entkommen. Die kleinen Beine hätten gezuckt, gezappelt und versucht den Körper herum zu ziehen. All ihre Bemühungen wären dennoch umsonst gewesen. Mit ihrer Panik grub sie sich lediglich tiefer in die Falten des Tuches. Langsam begannen sich die Falten übereinander zu legen und den Raum zu verdichten. In vielen kleinen Bildern begann sich zu erkennen, wie ihr Ende langsam näher kam. Sie kann nicht weinen und vermutlich ihrem kurzen Leben auch nicht nachtrauern, doch so etwas wie Angst kann sie spüren. So lange hat sie geschafft es zu vermeiden einem solchen Ende entgegen zu sehen. Der Geruch von Schweiß hatte sie angelockt, genau wie ansonsten Scheiße. Immer stärker drückten die Falten gegen ihren kleinen Körper, brachen ihr dabei zuerst die Flügel. Zuvor habe ich mich nie gefragt ob diese kleinen Insekten wohl fähig sind Schmerz zu empfinden. Vielleicht hatte ich bloß auch nie gewagt daran zu zweifeln, dass sie es könnten. Vermutlich tat es jedes Wesen. Nichts hatte ich angetroffen, dass nicht Fähig war unter mir Schmerz zu empfinden. Doch was war wohl schlimmer: zu spüren wie der Körper langsam immer weiter zerdrückt wurde, bis er an anderen Enden zerbarst; oder zu ersticken - zu spüren wie den eigenen Körper immer mehr seiner Lebenslust verließ. Ich selbst bin überzeugt davon, dass es für einen Menschen weitaus schlimmer seien musste zu ersticken. Der Körper war noch lange Zeit aufnahmefähig. Ich hatte es selbst in den Augen meines Gegenübers gesehen. Nie konnten sie anders, als mir in die Augen zu schauen und darin nicht mein inneres zu sehen, sondern sich selbst wie sie langsam ihrem Ende entgegen glitten. Natürlich musste man wissen wie. Die richtige Technik ist notwendig und zeigt wer wirklich Meister ist. So kann man einen Menschen sehr lange am Leben erhalten. Seine leiden noch weiter in die Länge ziehen. In ihren Augen sehen, wie sehr sie sich wünschte noch einmal mit ihren Liebsten zu sprechen oder fragte wieso es gerade hier enden musste. Nach dem Warum konnten Menschen immer fragen. Sie waren gerade zu begierdig zu wissen was einen antrieb. Ich hatte immer geschwiegen. Beweggründe waren unwichtig. Was mich interessierte waren Taten. In die Köpfe der Menschen musste ich nicht sehen. Sie waren ganz einfach wie Fliegen und folgten einer Sache, die sie ansprachen. Panik trat dann ein, wenn sie erkannten, dass sie die Falten bald zerquetschten. Als nächstes setzte der Fluchtinstinkt ein. So verlief es immer. Nur in kleinen Punkten gab es Variationen und so blieb es doch spannend. Es sind doch immer die feinen, kleinen Unterschiede.

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