Mommy! (Teil 3)

58 2 0
                                    

„Gehst du bitte wieder zu Kitty-Blue, Elliot?", Omas Stimme ist so schwach und leise, dass ich sie kaum wiedererkenne.
Ich jedoch nicke, auch wenn sich in meinem Kopf alles dreht, ehe ich mich abwende und davongehe.

Regungslos sitze ich da. Hier auf der Couch und starre Sammy an, der noch immer unverändert in seinem dunkelroten Körbchen mit dem weißen Innenleben liegt. Er hat aufgehört zu schnurren. Genauso wie die andern beiden Katzen. Die Tiere scheinen wohl schon längst begriffen zu haben, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt.
Die grünen Augen des orangeroten Vierbeiners sind auf mich gerichtet.
Ich weiß zwar noch immer nicht, was mit meiner Mommy ist, aber es scheint wohl etwas Schreckliches passiert zu sein. Das muss es einfach, denn warum ist Oma sonst so durch den Wind und warum ist in mir so ein komisches Gefühl, das ich einfach nicht einordnen kann.
Ängstlich sitze ich da und lausche. Ich kann die gedämpfte Stimme des Beamten hören. Was er spricht, verstehe ich jedoch nicht, dazu bin ich zu weit entfernt. Weiters ist da dann noch das regelmäßige Ticken der Uhr, gepaart mit dem nassen Regen, der in regelmäßigen Abständen gegen die Fensterscheiben prasselt.
Mommy mochte die Nässe nie. Dafür mochte sie umso mehr den strahlenden Sonnenschein, genauso wie sie das Zeichnen liebte. Mommy kann so gut malen! Manchmal hat sie sogar mich gezeichnet. Oma hat mir mal erzählt, dass sie im Kunstunterricht die Klassenbeste war.
Auf einmal höre ich die Haustür.
Geräuschvoll wird sie geschlossen, dann vernehme ich Schritte, die näher kommen. Omas Schritte, die kenne ich ganz genau.

Die alte Frau kommt in den Raum, setzt sich neben mich. Mir entgeht jedoch nicht, dass sie am ganzen Körper zittert.
Oma, was ist los?'
Fragend blicke ich sie an, jedoch scheint sie nur ins Leere zu starren.
„Oma?", frage ich drum und lege meine kleine Hand auf ihren Unterarm.
Sie zuckt zusammen, ehe sie sich endlich an mich wendet. Omas Blick gleicht einer Frau, die gerade eben erfahren hat, dass ihr Leben morgen zu Ende ist.
„Was ist los?", auf einmal hört sich meine Stimme rau an. So als würde ich am Morgen erwachen und das erste Wort über die Lippen bringen.
„Elliot", erwidert sie und mit einem Mal werden ihre Augen feucht, „es gibt da etwas, dass du wissen musst. Deine Mutter, Celine..."
Oma will weitersprechen, jedoch scheinen ihr die Worte dazu zu fehlen. Aber sie muss den Satz auch gar nicht mehr zu Ende bringen, denn schlagartig weiß ich, was sie sagen will.
Mommy ist fort!
Und sie wird auch nicht wieder kommen.
Nie wieder.
Mommy ist weg. Mommy ist tot!
Prompt habe ich das Gefühl, das aus meinem Herzen etwas herausbricht, zu Boden fällt und in tausende Teile zerspringt.
Nein!
Mommy ist nicht weg!
Mommy wird bald kommen.
Ganz sicher!
Jeden Moment. Bald wird sie an der Tür klopfen, Oma wird aufstehen, sie öffnen und feststellen, dass sich der komische Mann, der gerade vorhin an der Tür war, geirrt hat. Ja, er hat sich geirrt... und zwar gewaltig.
Denn meine Mommy ist noch da! MUSS einfach noch da sein!
Und deshalb wird sie auch bald kommen, jeden Augenblick muss es so weit sein.
Lass mich nicht allein, Mommy! ICH brauch dich doch!'
„Elliot", versucht Oma es erneut, und ich wünsche mir, dass sie damit aufhören würde sich selbst zu quälen, „Celine...."
Oma schluckt, dann nimmt sie mich in den Arm.
„Gott hat sie zu sich geholt", kommt es ihr dann brüchig über die Lippen.
Und meine schreckliche Vorahnung bewahrheitet sich schlagartig.
Also habe ich doch Recht gehabt.
Nein!
Mommy!
Nicht!
Jeder andere, aber nicht sie!
Nicht meine Mommy, die ich doch so unendlich lieb habe, die MIR so viel bedeutet. Und die mir doch heute Vormittag fest versprochen hat, dass sie mir ihre leckere warme Tomatensuppe kocht.
In meinem Magen zieht sich alles zusammen.
Ich will schlucken, um den Kloss in meinem Hals loszuwerden, aber es funktioniert nicht.
Das Herz schlägt wie wild in meiner Brust, während sich Omas Hände beschützend um mich legen.
Trauer ist allgegenwärtig und nimmt mir die Luft zum Atmen, während sich salzige Tränen wie ein Wasserfall ihren Weg über meine Wangen bahnen.
In mir Leere... und ich weiß, dass nichts sie wieder füllen kann.
Meine Mommy', schießt es mir verzweifelt durch den Kopf, ‚sie ist fort... und das für immer.'
Schwindel.
Auf einmal erlösende Dunkelheit... und jetzt spüre ich den Schmerz zum Glück nicht mehr, der von mir Besitz ergriffen hat.


Fortsetzung folgt...

Fifty Shades of Elliot (Band 1) #wingaward2019 #traumtaenzerawards2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt